Vorsorge

„Jeder vierte Selbstständige von Berufsunfähigkeit betroffen“

Lesezeit: 8 min
20.01.2021 17:14  Aktualisiert: 20.01.2021 17:14
Selbstständige müssen noch mehr als Angestellte eine Berufsunfähigkeit fürchten, da sie in der Regel wenig Anspruch auf staatliche Hilfen haben. Dr. Oliver Horn von der ERGO erklärt im Interview, worauf es bei der richtigen Absicherung ankommt.
„Jeder vierte Selbstständige von Berufsunfähigkeit betroffen“
Wer als Selbstständiger berufsunfähig wird, aber sich nicht abgesichert hat, dem stehen harte Zeiten bevor. (Foto: iStock.com/RTimages)
Foto: RTimages

Altersvorsorge neu gedacht: Viele Selbstständige sind nicht ausreichend versichert. Haben Sie Zahlen, wie viel Prozent der Erwerbstätigen generell von einer Berufsunfähigkeit betroffen sind?

Dr. Oliver Horn: In Deutschland beträgt die Wahrscheinlichkeit im Laufe des Erwerbslebens berufsunfähig zu werden in etwa 25 Prozent. Das heißt, ungefähr jeder vierte Berufstätige ist betroffen, und zwar über alle Branchen und auch alle Phasen des Lern- und Arbeitslebens hinweg.

Warum trifft es die Selbstständigen härter als etwa Angestellte?

Selbstständige haben im Gegensatz zu Arbeitnehmern häufig kein regelmäßiges Einkommen. Sie sind von der Auftragslage und – noch wichtiger – ihrer Arbeitskraft abhängig. Die Corona-Pandemie führt aktuell einmal mehr vielen die Gefahren und Folgen einer Krankheit für das Erwerbsleben vor Augen. Schon nach einem kürzeren Ausfall können Selbstständige in finanzielle Not geraten. Dies hat dann auch Auswirkungen auf ihre Vorsorge. Während Angestellte durch die gesetzlichen Leistungen wie zum Beispiel die Erwerbsminderungsrente später teilweise abgesichert sind, haben Selbstständige in der Regel keine oder nur sehr geringe Ansprüche auf staatliche Hilfen.

Vielleicht sollten wir zuerst einige Begriffe klären: Was ist genau der Unterschied zwischen berufsunfähig und arbeitsunfähig und was wird durch die Berufsunfähigkeitsversicherung abgedeckt?

Hier ist eine genaue Unterscheidung tatsächlich geboten. In der Praxis kommt es immer wieder zu Irritationen, so wird etwa mit dem Begriff „Arbeitsunfähigkeitsversicherung“ umgangssprachlich oft die Berufsunfähigkeitsversicherung gemeint. Doch Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit bedeuten nicht das Gleiche. So besteht bei bescheinigter Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich die Aussicht auf eine Wiederherstellung der Arbeitskraft in absehbarer Zeit. Während der Genesung erhalten gesetzlich Versicherte sechs Wochen ihren normalen Lohn und anschließend Krankengeld. Selbstständige erhalten hier – nur bei entsprechend privater Absicherung – ein Krankentagegeld. Eine Berufsunfähigkeit liegt hingegen vor, wenn der Versicherte seine letzte berufliche Tätigkeit aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in der Regel zu mindestens fünfzig Prozent dauerhaft nicht mehr ausüben kann.

In diesen Zusammenhang ist auch oft von erwerbsunfähig oder dienstunfähig die Rede. Können Sie uns hier bitte ebenso helfen, die Begriffe einzuordnen?

Für die Erwerbsunfähigkeit gibt es keine gesetzliche Definition. Daher kann jeder Versicherer Erwerbsunfähigkeit nach seinen eigenen Kriterien definieren. Inhaltlich lehnen sich diese Definitionen aber häufig an der Formulierung der gesetzlichen Rente an, demzufolge ein Versicherter voll erwerbsgemindert ist, wenn dieser wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens 3 Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die bisherige berufliche Tätigkeit oder Qualifikationen spielen dabei keine Rolle.

Eine Dienstunfähigkeit betrifft ausschließlich Beamte, wenn er oder sie aufgrund seines oder ihres körperlichen Zustandes oder aus anderen gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauerhaft unfähig ist.

Sie haben durch Ihren Kundenkontakt hier sicher einen guten Überblick: Was sind die häufigsten Gründe, die einen Selbstständigen berufsunfähig machen?

Gründe gibt es tatsächlich viele. Die häufigste Ursache für eine Berufsunfähigkeit ist aber eine Erkrankung der Nerven und Psyche, also zum Beispiel Depressionen oder Burnout. Darauf folgen Erkrankungen des Skelett- und Bewegungsapparates, Krebs sowie allgemein Unfälle und Erkrankungen des Herzens.

Gibt es Branchen, wo es besonders empfehlenswert ist, eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) abzuschließen?

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist über alle Branchen hinweg zu empfehlen, da jeder Arbeitnehmer, ob selbstständig oder angestellt, potenziell von Berufsunfähigkeit betroffen sein kann.

Welche Modelle bietet die ERGO für Selbstständige an?

Mit der ERGO BU Komfort und der ERGO BU Premium bieten wir Produkte an, die sich an der Lebenswirklichkeit unserer Kunden orientieren. Die Angebote richten sich dabei an alle Berufe und Branchen. Die ERGO BU Komfort bietet dabei eine hochwertige Absicherung zu einem günstigen Preis. Die Vorteile liegen hier unter anderem in umfangreichen Nachversicherungsmöglichkeiten sowie einer Umorganisationshilfe für Selbstständige. Bei der ERGO BU Premium besteht darüber hinaus die Möglichkeit, bereits durch Vorlage einer ärztlichen AU-Bescheinigung oder ärztlicher Befunde unbürokratisch und schneller eine Leistung zu erhalten. Bei Verlust einer Grundfähigkeit erhält man zusätzlich eine Einmalzahlung. Versicherte können sich außerdem bei Zweifel an der Behandlung oder einer Diagnose des weltweiten Expertennetzwerks von Best Doctors bedienen, um eine Zweitmeinung einzuholen. Eine Besonderheit für Selbständige und Freiberufler bietet der DANV-Tarif der ERGO, zum Beispiel für selbständige Anwälte oder Steuerberater an. Hier wird unter anderem auf die Möglichkeit einer Umorganisation des Betriebes vollständig verzichtet. Den DANV-Tarif können bei entsprechenden Beruf aber auch Angestellte abschließen.

Wie wollen Sie Berufseinsteiger, die mit dem Thema Berufsunfähigkeit wenig anfangen können und die Kosten für eine Absicherung gerade zu Beginn ihrer Karriere scheuen, vom Abschluss einer BU überzeugen?

Da sprechen Sie ein wichtiges Thema an. Denn gerade für Berufseinsteiger und Studenten lohnt sich ein frühzeitiger Abschluss einer BU besonders, da sie in der Regel gesünder sind und daher leichter durch die Gesundheitsprüfung kommen als Ältere. Und je nach Leistungsbedarf des Kunden haben wir hier gleich zwei Produkte im Angebot, die die besondere finanzielle Situation bei jungen Leuten berücksichtigt. Bei der ERGO BU Komfort und der Premium Start beträgt der Beitrag in den ersten drei Jahren nur die Hälfte – bei voller Leistung. Erst ab dem achten Jahr wird dann der volle Beitrag fällig. Mit dem Zusatzpaket Karriere Plus hat der Versicherte darüber hinaus die Möglichkeit, seine BU-Rente nach Abschluss von Ausbildung oder Studium ohne erneute Gesundheitsprüfung zu verdoppeln.

Was deckt die Berufsunfähigkeitsversicherung alles ab und ab wann kommt sie zu tragen?

Ganz grundsätzlich sorgt eine Berufsunfähigkeitsversicherung für den Eintritt eines unerwarteten längeren Krankheitsfalls vor und sichert somit einen möglichen Einkommensausfall ab. In der Praxis und je nach Tarif oder Anbieter unterscheiden sich aber die Leistungsansprüche. Wir zahlen zum Beispiel schon ab einer Berufsunfähigkeit von fünfzig Prozent die vereinbarte monatliche Rente. Und zwar ab dem tatsächlichen Beginn der Berufsunfähigkeit – auch wenn der Kunde es versäumt haben sollte, uns die nachweisliche Berufsunfähigkeit rechtzeitig zu melden. Wenn die Deutsche Rentenversicherung wegen medizinischer Gründe eine volle Erwerbsminderungsrente leistet, zahlen wir prinzipiell ohne weitere Prüfung. Wir leisten auch bei Feststellung einer Pflegebedürftigkeit oder mittelschweren Demenz, zum Beispiel, wenn beim Anziehen oder Fortbewegen Hilfe benötigt wird.

Wie viel sollte ich als monatliche Rente einkalkulieren, damit ich im Fall des Falles gut vorbereitet bin?

Die optimale Höhe der privaten BU-Rente hängt natürlich von der individuellen Lebenswirklichkeit und vom finanziellen Spielraum des Versicherten ab. Und beides kann sich über die Jahre ändern. Als Faustformel gilt jedoch, sechzig Prozent des Bruttoeinkommens beziehungsweise sechzig Prozent des Gewinns vor Steuern bei Selbstständigen, abzusichern. Das ist aber nur eine Empfehlung. Wichtig ist, dass die Höhe der monatlichen Renten flexibel an sich verändernde Lebensumstände angepasst werden können, etwa, wenn durch Hochzeit, der Geburt eines Kindes oder der Finanzierung einer Immobilie, der Absicherungsbedarf steigt. Dies geschieht dann im Rahmen einer Nachversicherungsgarantie. Ebenso möglich sollte natürlich auch die Reduzierung der Beiträge sein, wenn die Lebensumstände dies verlangen.

Versuchen wir es einmal ganz konkret zu machen. Wie hoch sollten zum Beispiel die monatlichen Einzahlungen eines 40-Jährigen im Handwerk oder eines Berufsanfängers sein und mit welchen Leistungen kann er im Falle einer Berufsunfähigkeit rechnen?

Nehmen wir den von Ihnen gezeichneten 40-Jährigen, selbstständig als Elektroinstallateur. Bei ERGO würde er für die Premium-Absicherung von 2000 Euro Berufsunfähigkeits-Rente monatlich 55,55 Euro zahlen. In der Komfort-Variante sind es 48,30 Euro. Der Berufsanfänger, nehmen wir zum Beispiel einen 27-jährigen Software-Entwickler, der sich mit einem Start-Up selbstständig macht, würde mit der ERGO BU Premium Start mit einem günstigen Einstiegsbeitrag beginnen und so 1.500 Euro Berufsunfähigkeits-Rente für einen Beitrag von weniger als 20 Euro im Monat absichern. Für die Komfort-Variante sind es sogar nur 15,96 Euro.

Wie lange werden die monatlichen Leistungen ausgezahlt?

Die Leistungszahlungen erfolgen so lange wie eine Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen besteht bzw. die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind. Wird man vor dem 25. Geburtstag berufsunfähig, leistet ERGO bei Einschluss des Karriere Plus Pakets sogar eine lebenslange Rente.

Gibt es Besonderheiten, auf die Selbstständige vor Abschluss einer BU achten sollen?

Ganz allgemein sollte immer das Ziel sein, für jede Lebensphase und jedes Sicherheitsbedürfnis den passenden Versicherungsschutz zu haben. Unabhängig vom Preis sollten Selbstständige daher auf ein Produkt mit sehr guten und anpassungsfähigen Leistungen achten. Dies beinhaltet zum Beispiel eine Flexibilität bei Zahlungsschwierigkeiten, sinnvolle Produktfeatures wie einen mitwachsenden Versicherungsschutz oder Wiedereingliederungshilfen und günstige Regelungen im Falle einer Umorganisation des Betriebs.

Was besagt die Umorganisationsklausel und warum ist die für Selbstständige wichtig?

Die Klausel besagt, grob gesagt, dass der Versicherte keine Leistung aufgrund von Berufsunfähigkeit erhält, wenn er zum Beispiel durch eine Umorganisation des Betriebs, also eine neue personelle Aufgabenverteilung oder auch Fortbildungsmaßnahmen, weiterhin tätig sein kann. Dies ist natürlich besonders relevant für Selbstständige und Freiberufler. Sie sollten daher auf die einzelnen Voraussetzungen für eine Umorganisation achten. Wir bei ERGO kommen Selbstständigen und Freiberuflern bei der Umorganisation sehr entgegen und beteiligen uns an den Kosten. So konnten wir etwa einen Tischlermeister mit sechs Angestellten, der aufgrund mehrerer Bandscheibenvorfälle seiner Tätigkeit nicht mehr nachgehen konnte, dabei helfen, seinen Betrieb so zu organisieren, dass sein Arbeitsausfall kompensiert werden und er sich verstärkt anderen Tätigkeiten wie Kundengesprächen oder dem Anfertigen fachlicher Zeichnungen widmen konnte.

Haben Selbstständige mit einer BU der ERGO steuerliche Vorteile?

Grundsätzlich können die Beiträge zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung, unabhängig davon ob sie von der ERGO ist oder nicht, bis zu einem bestimmten Höchstbetrag in der Steuererklärung geltend gemacht werden. Die Aufwendungen zählen dort dann zu den Sonderausgaben, die das zu versteuernde Einkommen mindern. Dies gilt für Arbeitnehmer und Selbstständige.

(Alters-)Vorsorge ist bei Selbstständigen ein sensibles Thema, weil viele das Thema ignorieren. Was empfehlen Sie Selbstständigen als Vorsorgeprodukt?

Zunächst einmal natürlich eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Ich hoffe, die Vorteile für Selbstständige sind in unserem Gespräch deutlich geworden. Sie zielt primär auf die Einkommenssicherung. Zur Absicherung der Familie oder des Eigenheims empfiehlt sich daher zusätzlich eine Risikolebensversicherung. Aber auch eine private Rentenversicherung zur Altersvorsorge ist natürlich wichtig, denn wer selbstständig arbeitet, muss sich in der Regel alleine um seine Altersvorsorge kümmern. Eine interessante Option ist hier die private Basis-Rente – auch als Rürup-Rente bekannt. Die Beiträge können in der Basis-Rente bis zu einem Höchstbeitrag als Sonderausgaben bei der jährlichen Einkommenssteuererklärung geltend gemacht werden. So können Steuerausgaben deutlich gesenkt und gleichzeitig für das Alter vorgesorgt werden. Eine sehr interessante Alternative ist gerade für Selbstständige und Freiberufler eine Kombination von Basis-Rente und BU-Zusatzversicherung (BUZ). Zusammen mit einer Basis-Rente lässt sich dank der staatlichen Förderung die BU sehr günstig absichern und zeitgleich für das Alter vorsorgen. Denn der Gesamtbeitrag kann steuerlich abgesetzt werden und macht die Basis-Rente mit BUZ damit sehr lukrativ. Übrigens bieten wir auch eine DANV-Variante für die Basis-Rente an, in der dann die BU-Zusatzversicherung im DANV-Tarif möglich ist.

Herr Dr. Horn, vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person: Dr. Oliver Horn ist Bereichsleiter Produktmanagement private Altersversorgung der Ergo Vorsorge Lebensversicherung AG

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