Union und SPD möchten in ihrem Koalitionsvertrag eine klare Botschaft senden: Die Rente soll stabil bleiben. Das Rentenniveau wird bis 2031 auf 48 Prozent gesichert, Beschäftigte können nach 45 Berufsjahren weiterhin vorzeitig in Rente gehen und das Rentenalter von 67 Jahren bleibt unverändert. Neu eingeführt werden sollen die „Frühstart-Rente“, die „Aktivrente“ und eine verbesserte Mütterrente für Frauen, die vor 1992 Kinder bekommen haben. Doch stellt sich die Frage, ob diese Maßnahmen ausreichen und langfristig tragfähig sind.
Kritik an den Rentenplänen
„Schon in dieser Legislaturperiode könnte der Beitragssatz auf 20 Prozent steigen“, warnt Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands BDA. Derzeit liegt der Satz bei 18,6 Prozent. „Das bedeutet höhere Arbeitskosten für Arbeitgeber und weniger Netto für Beschäftigte“, so Kampeter gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Auch Jochen Pimpertz, Sozialexperte am arbeitgebernahen Institut IW, warnt vor möglichen Finanzierungsproblemen: „Die neue Koalition steuert in ernste Schwierigkeiten.“ Veronika Grimm, eine der Wirtschaftsweisen, kritisiert, dass der Koalitionsvertrag die Chance verpasst habe, „die gesetzliche Rentenversicherung zukunftsfest zu machen“, wie sie der „Augsburger Allgemeinen“ sagte.
Die Linke äußert sich noch schärfer. Heidi Reichinnek, Fraktionschefin der Linken, bezeichnet das Rentenniveau von 48 Prozent als „Fortschreibung von Altersarmut“. Bereits jetzt lebe jeder fünfte Rentner in Armut. „Anstatt dieses Elend zu zementieren, muss das Rentenniveau endlich wieder auf 53 Prozent erhöht werden“, fordert sie.
Was bedeutet die Sicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent?
Das Rentenniveau beschreibt das Verhältnis von Durchschnittseinkommen und einer Standardrente. Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, erklärt: „Die Renten werden bis 2031 weiter der Lohnentwicklung folgen – ohne demografischen Abzug.“ Roßbach begrüßt zudem das „klare Bekenntnis zur stärksten Säule der Alterssicherung“ im Koalitionsvertrag.
Die demografische Entwicklung stellt das Rentensystem jedoch unter Druck. In den kommenden Jahren werden immer weniger Menschen in die Rentenkasse einzahlen, während immer mehr ältere Menschen Rentenansprüche erhalten. Nach aktuellen Berechnungen würde das Rentenniveau ohne Anpassung bis 2030 auf 46,9 und bis 2045 auf 44,9 Prozent sinken. Das bedeutet, dass die Renten langsamer steigen würden als die Einkommen der Erwerbstätigen. Die SPD konnte durchsetzen, dass das Rentenniveau vorerst stabil bleibt, da „die Schmerzgrenze“ erreicht sei.
Sollte das Rentenniveau jedoch gesetzlich fixiert werden, wie geplant, müsste die Regierung bei den kommenden Rentenerhöhungen jährlich nachsteuern, um die Renten an die Löhne anzupassen. Die Renten würden dann etwas höher ausfallen als ohne den Eingriff.
Auswirkungen der Rentenreform auf Beitragszahler
Die Stabilisierung des Rentenniveaus kostet jährlich mehrere Milliarden Euro. Diese Mehrausgaben sollen jedoch nicht aus der Rentenkasse gedeckt werden: „Die zusätzlichen Ausgaben werden durch Steuermittel ausgeglichen“, heißt es im Koalitionsvertrag.
Trotzdem könnte der Rentenbeitrag, der derzeit bei 18,6 Prozent liegt und zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gezahlt wird, steigen. Der Wirtschaftswissenschaftler Martin Werding rechnet in der „Wirtschaftswoche“ vor, dass der Beitragssatz ohne zusätzliche Kosten bis 2027 auf 19,7 Prozent und bis 2035 auf 21,2 Prozent ansteigen könnte. Würde die Sicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent durch die Rentenkasse finanziert, wäre der Beitragssatz 2035 nach Werdings Berechnungen noch einmal 0,4 Prozentpunkte höher.
Kosten der verbesserten Mütterrente
Die geplante Verbesserung der Mütterrente wird jährliche Mehrkosten von etwa fünf Milliarden Euro verursachen, die ebenfalls durch Steuermittel gedeckt werden sollen. Frauen, die vor 1992 Kinder bekommen haben, sollen künftig genauso viele Rentenpunkte erhalten wie Frauen, die nach diesem Jahr Kinder zur Welt brachten. Die betroffenen Rentnerinnen könnten durch die Reform etwas mehr Geld erhalten, sobald die Pläne in Gesetzesform verabschiedet sind.
Langfristige Finanzierung der Rentenreform
Die langfristige Finanzierung bleibt im Koalitionsvertrag vage. „Nur eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik, eine hohe Beschäftigungsquote und eine angemessene Lohnentwicklung ermöglichen eine dauerhafte Finanzierung“, heißt es.
IW-Experte Pimpertz ist skeptisch. Er bezweifelt, dass die Rentenpläne durch Mehreinnahmen aus Wachstum und Beschäftigung finanziert werden können. Vielmehr fürchtet er eine „Negativspirale“, in der die hohe Ausgabenlast die Wirtschaftsbalance belastet und der Finanzierungsbedarf damit immer weiter wächst. 2029 soll die Entwicklung überprüft werden. Zuvor soll eine Rentenkommission bis etwa 2027 das gesamte System analysieren.
Frühstart-Rente: Ein neues Modell für die Altersvorsorge?
„Wir wollen für jedes Kind vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr, das eine Bildungseinrichtung in Deutschland besucht, monatlich zehn Euro in ein individuelles, kapitalgedecktes Altersvorsorgedepot einzahlen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Ab 2026 soll die „Frühstart-Rente“ starten. Ab dem 18. Lebensjahr können Individuen bis zum Renteneintritt durch private Einzahlungen bis zu einem jährlichen Höchstbetrag weiter sparen. Die Erträge aus dem Kapital sollen steuerfrei sein und erst bei Renteneintritt versteuert werden. Die AfD kritisiert den Plan als „Alibiprojekt“, da die Ersparnisse über die Jahre zu gering seien, um eine signifikante Wirkung zu erzielen. Höhere Einzahlungen würden den Staat jedoch teuer zu stehen kommen.
Aktivrente: Mehr Anreize für ältere Berufstätige
Union und SPD möchten, dass ältere Menschen möglichst lange berufstätig bleiben. Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, soll bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei verdienen dürfen. Zudem sollen die Möglichkeiten für Hinzuverdienst bei der Hinterbliebenenrente verbessert werden.