Europas größter Versicherer Allianz warnt vor einer gefährlichen Spekulationsblase an den Finanzmärkten. „Wir machen uns große Sorgen um das Thema Finanzmarktstabilität“, sagte Vorstandschef Oliver Bäte bei der Bilanzpressekonferenz in München. Die Situation insbesondere an den Aktienmärkten ähnele der Situation vor dem Crash 2008/09 und dem Crash des Jahres 2000. „Da kauft irgendeine Celebrity irgendein Bitcoin und dann explodieren die Preise für diese Assets“, sagte Bäte. „Das ist schon ziemlich verrückt, da müssen wir wirklich aufpassen.“
Der Versicherer hat nach den Worten seines Vorstandschefs den Anteil der Aktien an seinen Kapitalanlagen reduziert, um sicher zu gehen, dass mögliche Volatilität die Allianz nicht in irgendeiner Form stark beeinträchtige. „Ich kann keinen Crash vorhersagen, sonst hätte ich mir wahrscheinlich einen anderen Job, (...) sonst hätte ich wahrscheinlich was anderes vor“, sagte Bäte.
Warnungen vor einer Spekulationsblase gab es in den vergangenen Monaten immer wieder. Doch dass sich Chefs eines Dax-Konzerns so deutlich äußern, ist eher selten.
Dabei hat die Allianz im Laufe des vergangenen Jahres selbst von der Entwicklung profitiert. Ende 2020 verwaltete die Allianz den Angaben zufolge insgesamt knapp 2,4 Billionen Euro, so viel wie nie zuvor. Davon waren 1,7 Billionen Kundengelder. Nach Angaben von Finanzchef Giulio Terzariol summierte sich der Nettozufluss neuer Kundengelder 2020 auf knapp 33 Milliarden Euro. Bei ihren eigenen Kapitalanlagen in Höhe von gut 700 Milliarden Euro hatte die Allianz Ende vergangenen Jahres 58 Milliarden Euro in Aktien investiert, zehn Prozent weniger als ein Jahr zuvor.
Großen Druck aufgrund von Corona
Die Corona-Krise wird nach Bätes Einschätzung auch in diesem Jahr die wirtschaftliche Entwicklung weiter beeinträchtigen. „Das Thema ist überhaupt noch nicht zu Ende.“ Bei der Allianz werde es auf Umsatz- und Margenseite in vielen Ländern weiter großen Druck geben.
Obwohl Bäte sich zurückhaltend beziehungsweise warnend zur Entwicklung von Realwirtschaft und Finanzmärkten äußerte, ist die Allianz selbst bislang besser durch die Corona-Krise gekommen als von Börsenfachleuten erwartet. Für das laufende Jahr peilt der Konzern sogar ein operatives Rekordergebnis von 12 Milliarden Euro an - allerdings mit einem Vorbehalt von plusminus einer Milliarde Euro noch vorsichtiger als üblich.
Der Nettogewinn sank 2020 zwar um 14 Prozent auf 6,8 Milliarden Euro, doch manche Analysten hatten größere Einbußen befürchtet. Das Unternehmen bezifferte die „negativen Covid-19-Effekte“ im operativen Ergebnis auf 1,3 Milliarden Euro. Positive Effekte gab es zwar auch – unter anderem weniger Autounfälle – doch die glichen die coronabedingten Mehrkosten nicht aus. Der Umsatz des Konzerns sank leicht um 1,3 Prozent auf 140 Milliarden Euro.
In diesem Jahr könnten weitere Corona-Schäden drohen, aber wohl in wesentlich geringerem Ausmaß als 2020. So sind im „Entertainment“-Bereich, der unter anderem die Versicherung von Veranstaltungen beinhaltet, nach Einschätzung des Allianz-Managements Belastungen von 50 bis 100 Millionen Euro möglich, inklusive der Kosten einer möglichen Absage der Olympischen Sommerspiele in Tokio. Die Allianz ist seit Anfang dieses Jahres weltweiter Versicherungspartner des IOC.
Abgesehen von der Corona-Krise sind die Dauertiefzinsen für die Versicherungsbranche eine große Belastung, weil die Erträge der Kapitalanlagen unter Druck sind. Bäte betonte deswegen, dass die Produktivität steigen müsse. „Unsere Produkte müssen günstiger werden, leistungsfähiger werden. Unsere Industrie ist nicht besonders effizient.“ Doch die mittlerweile 150.000 Mitarbeiter rund um den Globus sollen deswegen nicht unruhig werden. „Was wir vermeiden wollen, sind Restrukturierungen, betriebsbedingte Kündigungen“, sagte Bäte. Ziel sei, „dass wir über Zeit nicht schrumpfen, sondern die gesamte Mitarbeiterschaft der Allianz mit dem Unternehmen mitwächst“. Als Corona-Ausgleich gibt es für die Belegschaft in diesem Jahr einen zusätzlichen Urlaubstag.
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