Start-ups haben Hochkonjunktur. Unternehmen wie der Finanzdienstleister N26, der Kochboxen-Versender Hello Fresh oder die Sprachlern-App Babbel fingen alle mal klein an. Heute sind sie gestandende Unternehmen, die entweder an der Börse gehandelt werden oder einen Börsengang vorbereiten. Für die Investoren der ersten Stunde, die diese Unternehmen mit Wagniskapital ausgestattet haben, hat sich diese Entwicklung sehr bezahlt gemacht. Sie konnten ihre Anteile beim Börsengang für ein Vielfaches verkaufen. Wir erklären Ihnen, was hinter dem Begriff Wagniskapital steht und wie auch Privatanleger vom Start-up-Boom profitieren können.
Was ist Wagniskapital?
Wagniskapital gehört zum Bereich des außerbörslichen Beteiligungskapitals (auch Private Equity genannt). Wagniskapital bezeichnet Kapital, das eine Privatperson oder eine Venture-Capital-Gesellschaft einem Unternehmen in einer Wachstumsphase zur Verfügung stellt. Bei diesen Unternehmen handelt es sich meistens um junge Technologieunternehmen (sogenannte Start-ups), die nicht an der Börse gehandelt werden. Im englische Synonym für Wagniskapital lautet Venture Capital.
Aufgrund der Unvorhersagbarkeit der Entwicklung dieser Start-ups gilt diese Form des Investments als sehr riskant, daher auch der andere geläufige Name Risikokapital. Allerdings versprechen solche Investitionen im Erfolgsfall – also wenn das Unternehmen verkauft wird oder an die Börse geht (man spricht dann von einem „Exit“) – auch sehr hohe Renditen.
Wagniskapital ist wichtig für eine Volkswirtschaft, denn es ermöglicht Innovationen. Mit solchen Investitionen in junge Unternehmen werden neue Produkte, Dienstleistungen und Arbeitsplätze geschaffen. Es ermöglicht nicht nur technologische Fortschritt, sondern sorgt auch für Wirtschaftswachstum. Leider ist diese Form des Investments in Deutschland noch nicht so weit verbreitet wie etwa in den USA und Großbritannien. Dort beteiligen sich auch Privatpersonen regelmäßig an jungen Unternehmen.
Wie investiert man in Wagniskapital?
Die erste Möglichkeit eines Start-up-Investments sind Direktbeteiligungen. Wenn ein junges Unternehmen eine Finanzierungsrunde startet, können Privatpersonen sich daran beteiligen. Investoren, die das regelmäßig und hauptberuflich tun, nennt man Business Angels. Sie unterstützen Start-ups kurz vor oder nach der Gründung mit sechsstelligen Beträgen und erhalten im Gegenzug Anteile am Unternehmen. Da diese Finanzierungsrunden jedoch selten öffentlich ablaufen (sogenannte Private Placements), benötigt man hierfür ein bestehendes Netzwerk an Kontakten. Zudem liegen die Einstiegshürden sehr hoch, was es für die meisten Privatanleger unattraktiv macht.
Eine weitere Möglichkeit, sich vorbörslich an jungen Unternehmen zu beteiligen, ist die Investition über Venture-Capital-Fonds. Diese Fondsgesellschaften haben sich auf Start-up-Investments spezialisiert und sind häufig auch nur in bestimmten Bereichen dieses Segments aktiv, beispielsweise im Medizinsektor oder im E-Commerce-Bereich. Fondsgesellschaften wie Earlybird oder e.ventures legen in regelmäßigem Abstand neue Fonds auf, in die auch Privatanleger investieren können. Das bringt zwei Vorteile für Privatanleger mit sich. Zum einen vertrauen sie ihr Geld Experten an, die sich in dem unüberschaubaren Markt der Start-ups gut auskennen und auf vergangene Erfolge verweisen können. Zum anderen müssen sie sich nicht um Risikostreuung sorgen, da der Fonds in viele verschiedene Start-ups investiert und das Risiko somit breit streut.
Allerdings stehen Venture-Capital-Fonds nur wohlhabenden Anlegern offen. Die Mindestinvestitionssumme liegt hier nicht selten im sechsstelligen Bereich, sodass die meisten Kleinanleger davon ausgeschlossen sind. Seit 2012 gibt es jedoch mit Crowdinvesting auch für dieses Klientel eine Möglichkeit, in Wagniskapital zu investieren. Verschiedene Crowdinvesting-Plattformen in Deutschland bieten Anlegern die Möglichkeit, in sehr frühen Phasen in junge Unternehmen zu investieren. Damit haben sie eine Anlageklasse für Privatanleger geöffnet, die bisher nur wohlhabenden Investoren zur Verfügung stand.
Die Einstiegshürden sind beim Crowdinvesting deutlich geringer als bei Private Placements und Venture-Capital-Fonds und liegen je nach Plattform zwischen 100 und 1000 Euro. Die Beteiligungsformen sind beim Crowdinvesting vielfältig. So gibt es festverzinsliche Beteiligungen, die einen jährlichen Kapitalrückfluss versprechen, Beteiligungen, die Rückflüsse für den Anleger bieten, sobald das Unternehmen Gewinne erwirtschaftet und solche mit Exit-Beteiligung, die nur dann Renditen erzielen, wenn das Unternehmen verkauft wird oder an die Börse geht.
Auf den meisten Crowdinvesting-Plattformen kann man sich aus gesetzlichen Gründen nur mittels Nachrangdarlehen beteiligen. Einige wenige bieten auch Investments in Genussscheine und GmbH-Anteile an, allerdings liegen hier die Einstiegshürden über 10.000 Euro. Als Crowdinvestor kann man in den direkten Austausch mit den Unternehmensgründern treten und sie vor jeder Finanzierungsrunde nach ihrer Motivation, ihren Hintergründen und ihren Unternehmenszielen befragen. Damit ist man beim Crowdinvesting näher dran um Unternehmertum, als das z.B. bei Fondsbeteiligungen oder Aktieninvestments der Fall ist.
Der Nachteil von Crowdinvesting liegt darin, dass Privatanleger selbst in der Pflicht sind, was die Auswahl vielversprechender Start-ups und die Risikoprüfung anbelangt. Sie sollten vor jedem Investment ausgiebig prüfen, wie erfolgsversprechend es ist und welche Risiken drohen. Das erfordert viel Recherche oder bereits vorhandenes Wissen über den Sektor, in den man investieren möchte. Das wiederum kann sehr zeitaufwendig sein und überfordert manchen Anleger.
Worauf sollte man bei Investitionen in Wagniskapital achten?
Wie der Name schon verrät, gehen Investitionen in Wagniskapital mit einem hohen Risiko einher. Experten gehen davon aus, dass von zehn Investitionen am Ende bis zu acht zum Totalverlust werden. Die Gründe für ein Scheitern sind vielfältig. Zu den häufigsten Gründen für das Scheitern junger Unternehmen gehören Streit zwischen den Gründern, schlechtes Timing bei der Vermarktung des Produkts, Überschätzung des Marktpotenzials und fehlende Folgefinanzierungen.
Von den verbleibenden zwei Investments entwickelt sich eines in der Regel leicht positiv und das andere wird sehr erfolgreich. Das sehr erfolgreiche Investment (Venture-Capital-Profis gehen hier von Renditen im mittleren dreistelligen Bereich aus) kompensiert dann idealerweise die Verluste der anderen Ausfälle so deutlich, sodass die gesamte Rendite des Portfolios positiv wird.
Ein wichtiger Aspekt, auf den Anleger deshalb achten sollten, ist die Risikostreuung. Zum einen sollten sie bei Investitionen in Wagniskapital nie in nur ein Unternehmen investieren, sondern eine Reihe von Unternehmensbeteiligungen halten. Diese Unternehmen sollten wiederum idealweise aus verschiedenen Bereichen kommen, um Klumpenrisiken im Portfolio zu vermeiden. Wenn sie beispielsweise alle Investitionen im Medizinbereich tätigen und es kommt in diesem Marktsegment zu einer Krise, erhöht sich die Chance deutlich, dass das gesamte Portfolio in die roten Zahlen rutscht.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Form der Beteiligung. Wagniskapitalinvestments werden entweder in Eigenkapital getätigt oder in Mezzaninekapital, das eigenkapitalähnliche Eigenschaften aufweist. Eigenkapitalinvestments sind beispielsweise (vorbörsliche) Aktien oder GmbH-Anteile eines Unternehmens. Zum Mezzanine-Kapital zählen partiarische Nachrangdarlehen, die mit einer Gewinn- und Exit-Beteiligung versehen sind.
Beide Beteiligungsformen bieten Vor- und Nachteile. Bei Eigenkapital-Investments haben Anleger Stimmrechte auf Gesellschafterversammlungen sowie weitreichende Informationsrechte. Sie sind damit immer auf dem Laufenden und können den Kurs des Unternehmens mit beeinflussen. Dafür werden sie im Falle einer Insolvenz als Miteigentümer zuletzt bedient und gehen in der Regel leer aus.
Bei partiarische Nachrangdarlehen werden Anleger im Insolvenzfall zwar auch hinter Banken und anderen vorrangigen Gläubigern bedient, aber noch vor den Eigentümern. Mitspracherechte haben Darlehensgeber in der Regel nicht, dafür sind einige partiarische Darlehen mit Klauseln versehen, die die Darlehensgeber im Fall von Gewinnausschüttungen vor die Eigentümer stellen. Hier liegt der Teufel im Detail, deshalb sollten Anleger die Ausgestaltung der Darlehen genau prüfen und sich einen genauen Überblick über Rechte und Pflichten verschaffen.
Auf Wagniskapitalinvestitionen wird Kapitalertragssteuer fällig, sowohl bei einem Verkaufserlös der Beteiligung als auch bei Zinsrückflüssen aus Gewinnbeteiligungen. Anleger können hier aber auch Verluste aus Wagniskapitalinvestitionen mit Gewinnen aus anderen Kapitalanlagen (z.B. Aktieninvestments) verrechnen und Gebrauch vom Verlustvortrag machen.
Zudem werden Wagniskapitalinvestitionen vom Staat bezuschusst. Dafür vergibt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle () den sogenannten INVEST-Zuschuss. Dieser ist jedoch an eine Reihe von Bedingungen geknüpft, etwa die Investmenthöhe (über 10.000 Euro) und die Beteiligungsform (Eigenkapital), um nur einige zu nennen. Die genauen Bedingungen für diesen Zuschuss erfahren Sie auf der Webseite des BAFA.
Fazit
Wagniskapital eignet sich aufgrund des hohen Risikos nur zur Beimischung des Depots. Privatanleger sollten nicht mehr als 15 Prozent ihres frei verfügbaren Kapitals in diese Anlageklasse stecken und mit weniger risikoreichen Investments (Blue-Chip-Aktien, Fonds, Staatsanleihen, Edelmetalle, etc.) verbinden. Bei guter Risikostreuung und kluger Auswahl der Unternehmen winken allerdings hohe Renditen, die das gesamte Portfolio positiv beeinflussen können.