Vorsorge

Deutsche gehen später in Rente

Lesezeit: 3 min
07.10.2020 17:11  Aktualisiert: 07.10.2020 17:11
Die Menschen in Deutschland beziehen immer länger Rente, im Schnitt 20 Jahre. An diesem deutlichen Trend, der die Rentenkasse belastet, hat in den vergangenen Jahren auch das zugleich immer längere Arbeiten der Menschen nichts geändert. Wie die Entwicklung weitergeht, hängt nun auch von der Politik ab.
Deutsche gehen später in Rente
Die Deutschen sind immer länger im Ruhestand. (Foto: Pixabay)

20 Jahre dauert die durchschnittliche Rente in Deutschland. Die Zeitspanne hat sich damit in den vergangen vier Jahrzehnten verdoppelt. Ein Trend, der die Rentenkassen belastet.

Männer erhielten ihre Bezüge im vergangenen Jahr im Schnitt 18,2 Jahre lang - zehn Jahre zuvor waren es noch 2,4 Jahre weniger. Bei Frauen stieg die Bezugsdauer in diesem Zeitraum von 20,6 auf 21,7 Jahre. Das zeigt der neue Rentenatlas 2020 der Deutschen Rentenversicherung Bund. Keine großen Verschiebungen gab es seit 2017. Seither stieg die Dauer bei den Männern um 0,3 Jahre, bei den Frauen sank sie um 0,1 Jahr. 1969 kamen die Männer in Westdeutschland nur auf 10,2 und die Frauen auf 12,5 Jahre Rente.

Daran ändert auch die Tatsache nicht, dass die Deutschen immer länger im Berufsleben stehen: Arbeit bis 62, 63, 64 - in den vergangenen Jahren sind die Menschen immer später in Rente gegangen. Das Durchschnittsalter zum Rentenbeginn stieg bei Männern von 62,1 Jahren 1999 über 63,5 Jahre 2009 bis 64 Jahre 2019. Frauen arbeiteten im Schnitt vor 20 Jahren 62,2 Jahre, vor zehn waren es 62,9 und 2019 im Schnitt 64,5 Jahre. Ein Jahr zuvor lag dieser Durchschnittswert noch bei 64,1 Jahren - dieses große Ein-Jahres-Plus bei den Frauen lag an der zum 1. Januar 2019 erweiterten Mütterrente, durch die viele ältere Frauen erstmalig überhaupt Rente bekamen.

Insgesamt rührt der langjährige Anstieg des Renteneintrittsalters laut Rentenversicherung aber vor allem daher, dass man früher teilweise schon mit 60 Jahre in Rente gehen konnte, etwa bei der Altersrente für Frauen oder bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit. Zudem wird das Eintrittsalter stufenweise angehoben. Wer 1964 oder später geboren ist, hat ein Eintrittsalter von 67 Jahren. 816.000 Personen wechselten laut Deutscher Rentenversicherung 2019 insgesamt in die Rente.

Der Anteil der Renten mit Abschlägen lag 2019 bei 22,5 Prozent. 2010 waren es mit rund 320.000 von rund 674.000 insgesamt noch mehr, nämlich 47,5 Prozent. Denn die Menschen bleiben im Schnitt länger im Arbeitsleben – und nähmen später Rente in Anspruch. Die durchschnittliche Höhe der Abschläge lag 2019 bei 96,49 Euro brutto. Zugleich sind 253.492 Arbeitnehmer im vergangenen Jahr abschlagsfrei mit 63 in Rente gegangen, was nach mindestens 45 Versicherungsjahren geht – rund 10.000 mehr als im Jahr zuvor. Die Männer im Westen kamen im Schnitt auf monatliche Altersbezüge von 1557 Euro, Frauen 1142 Euro. Im Osten waren es 1262 beziehungsweise 1204 Euro.

Wie die Trends zusammenpassen

Laut Rentenversicherung ist es kein Widerspruch, dass das Alter der Menschen bei Rentenbeginn steigt – und gleichzeitig die Rentenbezugsdauer. Bei den einen handele es sich um Personen, die aktuell in Rente gehen. Bei der Berechnung der Bezugsdauer würden dagegen Renten angeguckt, die nicht mehr gezahlt werden, etwa weil ein Rentner verstorben sei, wie ein Sprecher sagte. Es handele sich somit um unterschiedliche Gruppen. Auch in Zukunft aber könnte der Rentenbezug trotz längerem Arbeiten ansteigen – mit weiter steigender Lebenserwartung.

Heute geborene Mädchen könnten im Schnitt bis zu 93 Jahre alt werden und Jungen bis zu 90 Jahre. Auf dieses Szenario kommen Experten bei Fortschreibung von Trends – etwa zu gesünderer Lebensweise und medizinischem Fortschritt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben neugeborene Mädchen ansonsten eine Lebenserwartung von 83,4 Jahren, Jungen von 78,6 Jahren. Allein von 2016 bis 2018 ging die Lebenserwartung bei beiden um jeweils etwas mehr als einen Monat hoch. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ließen Fortschritte in der Medizin, Hygiene und Ernährung sowie oft bessere Wohn- und Arbeitsbedingungen die Lebenserwartung mehr als verdoppeln.

Die Rente gerät in den nächsten Jahren vor allem auch noch deshalb unter Druck, weil die Babyboomer in Ruhestand gehen. Manche etwa in der Wirtschaft wollen das Problem durch längeres Arbeiten abmildern. So hatte eine Arbeitsgruppe der Unionsfraktion im Bundestag in diesem Jahr dafür geworben, dass mehr Lebenszeit jeweils zur Hälfte zwischen Arbeits- und Rentenzeit aufgeteilt wird. Gewerkschaften und SPD sind dagegen. Die Rentenkommission der Bundesregierung, in der alle diese Seiten vertreten waren, gab im März keine eindeutige Antwort in dieser Richtung. Allerdings soll es weiter „Haltelinien“ beim Rentenniveau und beim Beitragssatz geben.

Sozialminister Hubertus Heil (SPD) wollte bis Herbst konkrete Vorschläge machen für Weichen für die Zeit nach 2025. Die Rentenversicherung betont, trotz längerer Rentenbezugsdauer sei der Beitragssatz mit 18,6 Prozent so niedrig wie zuletzt vor 25 Jahren. „Das Rentensystem wird sich auch weiterhin an den sich verändernden Rahmenbedingungen ausrichten und so auch langfristig leistungsfähig und stabil bleiben“, gibt man sich dort optimistisch. Die Vorschläge der Rentenkommission sollten umgesetzt werden.

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