Vorsorge

„Altersvorsorge ist nicht sexy, darf aber dennoch nicht ignoriert werden“

Lesezeit: 6 min
14.12.2020 13:52  Aktualisiert: 14.12.2020 13:52
Dr. Michael Zons von der DEVK erklärt im Interview, wie man die Rentenlücke vermeidet, wann Risiko Sinn macht und warum Garantien nicht mehr zeitgemäß sind.
„Altersvorsorge ist nicht sexy, darf aber dennoch nicht ignoriert werden“
Im Alter hat man Zeit zu reisen. Wer die Rentenlücke frühzeitig schließt, hat dann auch das nötige Kleingeld. (Foto: Pixabay)

Altersvorsorge neu gedacht: Wird das Problem der Rentenlücke von zu vielen Menschen ignoriert?

Dr. Michael Zons: Es gibt tatsächlich ein wachsendes abstraktes Problembewusstsein. Mittlerweile hat wohl jeder verstanden, dass es aufgrund einer rückläufigen Geburtenrate und einer gleichzeitig steigenden Lebenserwartung zu einer Verschärfung der Lage kommt. Die klassische Bevölkerungspyramide ist einem Bevölkerungsdöner gewichen.

Zum wachsenden Problembewusstsein passt auch, dass das Wort „Rentenversicherung“ mittlerweile häufiger gegoogelt wird als beispielsweise „Kfz-Versicherung“. Trotzdem reagieren noch zu wenige auf die Tatsache, dass es eine Rentenlücke geben wird.

Macht die Politik zu wenig?

Die demografischen Verschiebungen sind für ein umlagefinanziertes System wie die gesetzliche Rentenversicherung eine große Herausforderung. Eigentlich müssten in der Folge entweder die Beiträge steigen oder die Renten sinken. Diesen Mechanismus hat die Politik mit der sogenannten Doppelten Haltelinie vorübergehend außer Kraft gesetzt, die besagt, dass das Rentenniveau bei 48 Prozent und der Beitragssatz bei maximal 20 Prozent festgelegt ist bis 2025. Das löst natürlich nicht das Problem, sondern verschiebt es in die Zukunft auf die folgenden Generationen.

Wichtig ist, dass die Politik die Rahmenbedingungen für geförderte Altersvorsorge neu setzt. Beispielsweise benötigt die Riester-Rente dringend einen neuen Anstrich. Hier sind wir auch als Branche gefragt.

Dürfen wir uns nicht auf die Politik verlassen?

Das Thema „Altersvorsorge“ ist auf gut deutsch gesagt, nicht sexy. Es ist gerade für junge Menschen naturgemäß weit weg. Zudem fehlt es an Transparenz über die Ansprüche aus den unterschiedlichen Systemen. So wissen die wenigsten, was sie im Alter erwartet. Die angestrebte säulenübergreifende Renteninformation ist deshalb aus meiner Sicht ein richtiger und wichtiger Schritt.

Zudem empfinden viele das Sparen in Zeiten von niedrigen Zinsen wenig attraktiv. Aber natürlich muss ich dann mehr zurücklegen, um auf eine ausreichende Rente zu kommen, nicht weniger.

Gerade Frauen sind besonders betroffen, die immer noch häufiger als Männer unterbrochene Erwerbsbiografien durch Auszeiten und Teilzeit aufweisen. Ich habe vor einiger Zeit gelesen, dass Frauen lieber zum Zahnarzt gehen als zur Vorsorgeberatung. Ich hoffe natürlich, dass das nicht stimmt. Aber der Auftrag an uns als Branche ist dennoch klar.

Dann werden wir jetzt gerne konkret: Wie viel Prozent vom letzten Nettolohn sollte man im Alter einplanen, um seinen Standard halten zu können?

Das Wichtigste ist, überhaupt einmal anzufangen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Als Faustformel gilt: Sie brauchen 80 Prozent vom letzten Nettogehalt, um Ihren Lebensstandard halten zu können. Es fallen zwar viele Ausgaben weg, aber gleichzeitig haben die Menschen im Ruhestand Zeit und wollen vermehrt reisen oder auf andere Weise das Leben genießen. Wie vorhin erwähnt, ist die Haltelinie gut gemeint, aber verschiebt das Problem nach hinten. Das Verhältnis von Beitrag und Leistung passt nicht mehr, es wird eine Form von Reaktion geben müssen. Die 48 Prozent Rentenniveau sind bereits optimistisch geschätzt – es wird trotzdem schwer werden, sich damit überhaupt die Existenz zu sichern.

Altersarmut ist heute ein großes Thema. Niemanden, der 50 Erwerbsjahre geleistet hat, soll es schlecht gehen. Doch den heutigen Senioren geht es im Großen und Ganzen noch gut. Die Situation für die künftigen Generationen ist viel bedrohlicher.

Sie haben es gerade angesprochen: Dem Thema Altersvorsorge wird medial immer größere Beachtung geschenkt. Wie können Versicherungen die Absicherung fürs Alter ergänzen und welche Modelle gibt es dazu in Ihrem Haus?

Beim deutschen Durchschnittsbürger war die Kapitallebensversicherung über Jahrzehnte das Mittel der Wahl. Doch in unserem Niedrigzinsumfeld machen diese Produkte für Kunden und Unternehmen wenig Sinn. Wir bieten daher eine Art Zweigleisigkeit in den Produkten an. Eines ist eher auf Sicherheit bedacht, das andere auf Rendite.

Die „Garantierente vario“ kommt dem Charakter einer Kapitallebensversicherung noch am nächsten, da kollektiv über einen Deckungsstock gespart wird. Dadurch profitiert der Sparer von unserer sehr guten Überschussbeteiligung und hat ein sehr viel geringeres Risiko als bei Direktanlagen. Es gibt eine Bruttobeitragsgarantie, die aber erst bei Laufzeiten ab 35 Jahren greift. Bei kürzeren Laufzeiten gibt es auch geringere Garantien. Wir haben schon vor Jahren unsere Garantien abgesenkt. Dieses Produkt ist für konservative Anleger, da es eine relativ hohe Sicherheit bietet. Wir wissen aus diversen Befragungen, dass das nach wie vor für viele Deutsche bei der Altersvorsorge wichtig ist.

Ich kann nur dafür plädieren, dass wir uns gedanklich von hohen Garantien verabschieden. Die kosten viel zu viel Rendite. Unsere „Fondsrente vario“ kommt ohne Garantien aus. Sie verfügt über vier verschiedene Anlagekonzepte, je nach Risikoneigung. Am konservativsten ist eine Asset Allokation von 70 Prozent Anleihen und 30 Prozent Aktien. Man kann aber bis zu 100 Prozent in Aktien investieren.

Seit Anfang 2020 haben wir außerdem ein Anlagekonzept, dass bei den Anlagen zu 100 Prozent auf ESG-Kriterien setzt und somit das Thema Nachhaltigkeit in den Fokus setzt. Vor allem bei jungen Anlegern wird das Thema besonders nachgefragt.

Vielen Dank für den Überblick: Noch einmal zur Garantierente vario: Welche Garantien hat der Kunde? Was passiert im Todesfall?

„Garantierente vario“ und „Fondsrente vario“ verfügen über einen umfassenden Hinterbliebenenschutz, sowohl in der Ansparphase als auch in der Rentenphase. Da gibt es unterschiedliche Ansätze, zwischen denen unsere Kunden individuell wählen können. Ein Beispiel ist die Rentengarantiezeit von bis zu 25 Jahren. Verstirbt der Kunde in dieser Zeit, bekommen die Erben die verbleibenden Renten ausbezahlt. Tatsächlich leben aber die meisten Menschen länger als sie erwarten. Deshalb ist eine lebenslange Rente besonders wertvoll. Die Auszahlung kann auf Wunsch des Kunden auch als einmalige Summe vorgenommen werden.

Nun gibt es auch weitere Möglichkeiten der Vorsorge. Ein Arbeitnehmer hätte gern eine betriebliche Altersversorgung. Was muss er tun?

Er geht zum Arbeitgeber und fragt, ob es so etwas im Unternehmen bereits gibt. Wenn ja: einfach mitmachen. Sollte es eine betriebliche Altersversorgung noch nicht geben, kann der Arbeitgeber freundlich darauf hingewiesen werden. Dieser ist durch das Betriebsrentenstärkungsgesetzt in der Regel verpflichtet, 15 Prozent auf die Entgeltumwandlung zuzuschießen. Oftmals ist es auch mehr. Der Betroffene sollte sich definitiv nach allen Möglichkeiten umschauen und sich gut beraten lassen.

Sie haben bereits erwähnt, dass die Zeit der Garantien vorbei ist. Wie kann den Deutschen die Angst vor dem Investieren genommen werden?

Das Alter spielt natürlich bei allen Vorsorgeprodukten eine große Rolle. Je länger man Zeit hat, umso besser. Wer vorsorgen will, muss sich fragen, was seine persönlichen Präferenzen sind, wo man sich sicher fühlt und was es bereits für bestehende Verpflichtungen gibt. Allgemein gesagt: Es gibt eine große Skepsis gegenüber Aktien. Das ist sehr deutschlandtypisch, quasi die „German Angst“. Selbst im studentischen Umfeld werden eine hohe Sicherheit und Garantie verlangt. Hier ist Aufklärungsarbeit gefordert.

Bei den Niedrigzinsen kommt man – gerade auf lange Sicht – nicht an Aktien vorbei. Kurse haben zwar kein Gedächtnis, aber wie das Deutsche Aktieninstitut bereits für viele Zeiträume aufgezeigt hat: mittel- bis langfristig fuhr man mit Aktien sehr gut. Es braucht daher das Entmystifizieren von Garantien. Garantien kosten Rendite, egal wo und wie man diese kauft. Das müssen die Menschen verstehen. Garantien sind oftmals nicht mehr attraktiv. Im Gegenzug sind renditestarke Produkte in den heutigen Zeiten nun einfach aktienbasiert.

Sie haben gerade die Studenten angesprochen. Wie sollte denn jemand in diesem Alter vorsorgen?

Mit 20 Jahren sollte man sich fragen: Habe ich meine Arbeitskraft schon abgesichert? Es gibt auch für Studenten Lösungen zur Berufsunfähigkeit. Mit dem Berufseinstieg beginnt die Altersvorsorge. Gibt es beispielsweise die schon erwähnte betriebliche Vorsorge? Mit einem langen Horizont ist diese besonders sinnvoll.

Es machen auch fondsgebundene Produkte Sinn, die rein aktienbasiert sind. Gerade für einen langen Anlagehorizont sind diese hervorragend geeignet. Wenn man im Versicherungsmantel in fondsgebundene Produkte investiert, kann man von günstigeren Konditionen profitieren, etwa weil in institutionelle Tranchen investiert wird, wo wiederum die Verwaltungsgebühren niedriger sind. Außerdem gibt es gegebenenfalls steuerliche Vorteile.

Was ändert sich, wenn man in seinen 30ern ist und langsam eine Familie gründet?

Für Jungfamilien wird die Risikoabsicherung wichtiger, etwa mit einem Todesfallschutz, am besten für beide Partner. Oft ist nur der Hauptverdiener abgesichert. Doch auch wenn der Zweitverdiener ausfällt, hinterlässt das finanzielle Einbußen, die nicht zu unterschätzen sind. Ebenso sollten beide sich über eine Berufsunfähigkeitsversicherungen Gedanken machen.

Mit einer betrieblichen Altersversorgung und einer Fondsanlage macht man in dieser Lebensphase auch alles richtig. In dem Alter kann man definitiv noch voll ins Risiko gehen, sprich auf aktienbasierte Produkte setzen.

In der Kapitalmarkthistorie gibt es nach durchschnittlich sieben bis acht Jahren immer eine positive Rendite. Zwischenzeitliche Täler sind mit diesem Anlagehorizont immer überbrückt worden. Wem das Risiko dennoch zu hoch ist, der kann Renten, also Anleihen, mit ins Portfolio mischen.

Und wenn man sich langsam dem Rentenalter nähert?

Wenn die Rente immer näher rückt, sollte langsam von reinen Aktieninvestitionen in sicherere Anlagen umgeschichtet werden. Unsere „Fondsrente vario“ schichtet auf Wunsch automatisch und kontinuierlich über die letzten fünf Jahren vor Ablauf in sichere Anlage um.

Noch ein Tipp zum Schluss?

Man soll die Altersvorsorge ernst nehmen. Mit kleinen Beträgen starten, aber nicht zu klein bleiben, wenn das Gehalt zunimmt. Risiko in Kauf nehmen und keine Angst vor Aktien haben.

Herr Dr. Zons, vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person: Dr. Michael Zons ist Generalbevollmächtigter Lebensversicherung bei den DEVK Versicherungen.

ANG
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