Altersvorsorge neu gedacht: Im internationalen Vergleich fällt auf, dass in Deutschland sehr viele Aktien- und Börsenmuffel leben. Woher kommt die Aversion gegen Anlageprodukte?
Thomas Soltau: Das ist uns in gewisser Weise antrainiert worden. Denken wir nur kurz an Norbert Blüm und seinen berühmten Satz „Die Rente ist sicher“. Politiker und vermeintliche Experten haben den Deutschen über Jahrzehnte eingeredet, dass sich niemand Sorgen vor dem Alter machen braucht. Wir sehen nun aber von Jahr zu Jahr deutlicher, was bereits viele Jahre früher erkennbar gewesen wäre: dass die Rentenversicherung kein dauerhaftes Konstrukt ist. Vielleicht hatte das Konzept in den 50er- oder 60er-Jahren noch seine Gültigkeit, aber der demografische Wandel ist eine Tatsache. Die Niedrigzinspolitik ist es übrigens auch. Wer seine Ersparnisse heute auf dem Sparbuch parkt, kann sprichwörtlich dabei zusehen, wie sich das eigene Geld langsam in Luft auflöst. Inzwischen verlangen immer mehr Banken Negativzinsen – vielleicht ist das sogar ganz gut, da die Menschen dadurch gezwungen werden, ihren Umgang mit Geld zu überdenken.
Leider braucht eine Umgewöhnung seine Zeit. In Phasen von hochverzinsten Bundesschatzbriefen und Tagesgeldkonten gab es dafür ja auch keine Notwendigkeit. Die meisten Deutschen haben schon immer sehr vorsichtig investiert und das Risiko gescheut. Das ist eine mentale Frage, ebenso wie die Liebe zum Bargeld. Wer ist schon bereit, alte Muster abzulegen und sich mit komplizierten, teilweise auch drögen Themen wie Zinsen oder Inflation auseinanderzusetzen? Leider setzt die Bundesregierung die falschen Impulse. Unsere Spitzenpolitiker trauen sich selbst nicht an Wertpapiere heran und kommunizieren das auch entsprechend. Wer es dann aber doch mal tut, wird schnell als „Neoliberal“ oder „Millionär“ gebrandmarkt.
Was sollte passieren, damit die Aktienkultur hierzulande stärker gefördert wird?
Der zentrale Punkt heißt für mich Bildung. Es ist ungemein wichtig, dass Kinder und Jugendliche in der Schule lernen, mit Risiko umzugehen und wirtschaftlich zu denken. Wir drücken jährlich tausenden Teenagern ein Abiturzeugnis in die Hand, aber vermutlich weiß kaum einer, wie man eine Steuererklärung abgibt, wie man eine Aktie kauft oder wie man ein Unternehmen gründet. Gleichzeitig sollte eine Fehlerkultur entwickelt werden, die deutlich macht, dass Scheitern nicht schlimm ist – sofern man daraus etwas für die Zukunft lernt. Außerdem sollten Anleger nicht „bestraft“ werden. Ich denke dabei an die immer wieder diskutierte Börsentransaktionssteuer. Allein die Diskussion darüber ist das völlig falsche Signal und schlicht Populismus. Stattdessen sollte die Politik allein schon aus Eigeninteresse das Investment in Wertpapiere fördern. Anleger unterstützen schließlich deutsche Unternehmen, in dem sie Geld zur Verfügung stellen. Mit dem Geld können neue Arbeitsplätze und Steuereinnahmen geschaffen werden. Außerdem kümmern sich Sparer aktiv um ihre Altersvorsorge, dadurch wird der Staat entlastet. Es ist mir nach wie vor schleierhaft, warum es bislang so wenig Unterstützung durch die Politik gibt.
In welche Kostenfallen tappen Börsen-Einsteiger gern?
Da fallen mir gleich mehrere ein! Los geht es schon bei den Depotgebühren. Noch immer verlangen viele Filialbanken eine jährliche Grundgebühr – und wofür? Damit irgendwo eine Nummer in einer Kartei geführt wird? Das kann man Kunden inzwischen nicht mehr vermitteln, die meisten Online-Broker haben die Depotgebühr komplett abgeschafft. Weiter geht es bei den Kosten für eine Order. Auch hier beobachten wir bei einigen Anbietern noch immer Preisstrukturen aus dem vorherigen Jahrhundert. Dabei haben Verbraucher inzwischen zahllose Vergleichsmöglichkeiten. Wer seine Kosten im Blick behält und andere Anbieter beobachtet, kann jede Menge Geld sparen. Bei der KfZ-Versicherung oder bei dem Stromtarif machen das viele Menschen jährlich, also warum nicht auch bei der eigenen Geldanlage? Die Zeitschrift „Finanztest“ hat kürzlich errechnet, dass Kunden, die zu unserem Smartbroker wechseln, pro Jahr bis zu 831 Euro sparen können – einfach so. Die Leistungen bleiben gleich, wir bieten alles einfach viel günstiger an. Aktien, Fonds, ETFs und Anleihen kann man bereits ab 0 Euro handeln. Ähnlich verhält es sich auch mit Ausgabeaufschlägen bei Fonds. Leider gibt es noch immer Banken, die ihre Kunden in dem Glauben lassen, dass diese Gebühr völlig normal sei. Wir bieten unseren Kunden derzeit 18.000 Fonds ohne Ausgabeaufschlag an.
Unterschätzen Anlage-Beginner diesen Kostenfallen zu oft?
Wahrscheinlich schon, wobei ich der Meinung bin, dass sich zuletzt mehr Menschen mit ihrem Setup beschäftigt haben, also regelmäßig Kosten vergleichen und im Zweifel auch den Anbieter wechseln. Der Kostenfaktor ist natürlich ein wichtiger Hebel bei Investitionen, denn er sorgt dafür, dass ich bereits mit einer geringen Rendite Gewinne erziele. Das gibt mir deutlich mehr Sicherheit und Flexibilität. Außerdem sorgen niedrige Gebühren dafür, dass finanzielle Hürden abgebaut werden. Neobroker wie Robinhood in den USA haben dafür gesorgt, dass vermehrt jüngere Menschen in Aktien investieren und das ist ein großer Erfolg. Der größte Fehler ist es, gar nicht zu investieren und das Geld nur auf dem Girokonto zu parken.
Unser Finanzminister ist in diesem Fall leider kein gutes Vorbild. Herr Scholz kokettierte ja erst kürzlich damit, dass er sein gesamtes Vermögen auf einem Sparbuch geparkt habe und damit genau das Gegenteil von dem mache, was jeder Anlageberater empfehlen würde. Vermutlich ist seine Rente auch sicherer als die der meisten Deutschen: Dank der staatlichen Pensionen braucht Herr Scholz sich keine Sorgen um seine Altersvorsorge zu machen. Für die Bevölkerung ist so ein Signal natürlich fatal.
Die „wallstreet:online“-Gruppe bietet mehrere Services und Möglichkeiten, Geldanlagen zu Vorzugskonditionen anzubieten. Wie finanziert sich ein Fondsvermittler?
Schauen wir dazu auf unsere eigene Marke FondsDISCOUNT.de: Das ist ein sogenannter Fondsvermittler. Der Fondsvermittler nimmt die gebündelten Interessen der Anleger, geht damit zu einer Partnerbank und kauft dort Fonds ein – aufgrund des großen Volumens gibt es eine Art „Mengenrabatt“. Die Partnerbank kann beispielsweise auf den Ausgabeaufschlag verzichten, dadurch wird der Fonds für die Kunden ein ganzes Stück günstiger. Gleichzeitig sinkt natürlich auch die eigene Marge, ist aber dank unserer schlanken Kostenstrukturen immer noch ausreichend.
Entstehen dabei Kosten für den Kunden?
Ein ganz klares Nein. Dem Kunden entstehen keinerlei zusätzliche Kosten.
Mit dem Service „Smartbroker“ ist vor fast einem Jahr ein eigener Online-Broker gestartet. Was ist seitdem passiert?
Vor einigen Tagen konnten wir das 70.000 Depot eröffnen und bis zum Jahresende dürften noch ein paar weitere dazu kommen. Ursprünglich hatten wir mit circa 20.000 Kunden für das erste Jahr gerechnet, aber bereits im Frühjahr haben wir unsere eigenen Prognose nach oben korrigiert, unser Team deutlich aufgestockt und ein neues Büro eingerichtet. Wir sind sehr stolz, dass wir allein beim Smartbroker inzwischen Vermögenswerte in Höhe von 1,9 Milliarden Euro verwalten. Der Smartbroker ist den meisten Anlegern bereits nach wenigen Monaten ein Begriff. Ein Grund dafür sind positive Kundenbewertungen und Mundpropaganda. Dazu kommen zahlreiche Auszeichnungen, die wir in den vergangenen Monaten gewinnen konnten, darunter Platz 1 im großen Bankentest der Fachzeitschrift „Euro“.
Ich bin davon überzeugt, dass wir das richtige Produkt zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt gebracht haben. Der Smartbroker wird zwar oft als Neobroker bezeichnet, aber eigentlich sind wir eine Mischung aus Neobroker und „klassischem“ Anbieter. Einerseits bieten wir gebührenfreien Aktienhandel an, andererseits haben unsere Kunden Zugang zu allen deutschen Handelsplätzen und Anlageklassen. In dieser Form gibt es das in Europa kein zweites Mal. Außerdem stellen wir uns gegen den Trend und haben bereits mehrfach die Gebühren gesenkt, während einige Mitbewerber die Preise zuletzt sogar angehoben haben.
Welche Titel und Fonds werden derzeit besonders gern gehandelt?
Das ändert sich natürlich ständig. Im November waren mit BioNTech und CureVac gleich zwei Unternehmen aus der Pharmabranche in unseren Top 10 vertreten. Besonders gefragt waren auch Automobilhersteller und deren Zulieferfirmen, beispielsweise Produzenten von Batterien. Außerdem gibt es in unserer Statistik ein paar Evergreens wie SAP und Amazon. Grundsätzlich beobachten wir aber, dass unsere Kunden sehr stark auf aktuelle Entwicklungen reagieren. Die unterschiedlichen Phasen bei der Suche nach einem Corona-Impfstoff zeichnet sich ebenso ab wie die plötzliche Insolvenz des Zahlungsdienstleisters Wirecard. Als die Lufthansa aus dem DAX geworfen wurde, hatte das natürlich ebenfalls direkte Auswirkungen. Bei den Fonds stehen vor allem Aktienfonds hoch in der Gunst unserer Kunden. Besonders gefragt ist aktuell der MSCI World UCITS ETF USD von iShares. Beliebt sind außerdem der DWS Top Dividende LD sowie Multiple Opportunities von Flossbach von Storch.
Haben sich die Anlageentscheidungen durch Corona signifikant verändert?
Der Aktienmarkt ist schnelllebiger geworden. Darüber hinaus hatten wir im Frühjahr die bislang einmalige Krisensituation, dass viele private Investoren davon ausgegangen sind, dass die Kurseinbrüche eine direkte Folge der Pandemie sind und somit nur von kurzer Dauer sein werden. Deshalb haben viele Anleger die Gelegenheit genutzt und Aktien vergleichsweise günstig gekauft. Tatsächlich steht der DAX heute sogar etwas höher als genau vor einem Jahr.
Ihr Geschäftsmodell richtet sich streng an Selbstentscheider – eine Beratung findet nicht statt. Gibt es trotzdem einen Tipp, den Sie zukünftigen Anlegern mit auf den Weg geben können?
Grundsätzlich rate ich immer zu einer gesunden Streuung. Damit ist unter anderem gemeint, dass Anleger ihr Geld nicht nur in eine einzelne Aktie stecken sollten. Wer sein Geld sinnvoll auf verschiedene Unternehmen, Branchen und Märkte verteilt, kann damit einen Kurseinbruch relativ leicht abfedern. Viele Anleger machen das auch bereits, allerdings wird oft die Streuung bei den Assetklassen vergessen. Bedeutet: Sparer sollten ihr Geld nicht nur in Aktien stecken, sondern sich auch bei den Anlageklassen breit aufstellen, also Fonds oder ETFs dazu kaufen – das Ziel ist immer Risikovermeidung.
Umgekehrt empfehle ich Börsenneulinge nicht bei jedem sinkenden Kurs in Panik zu geraten, sondern die Situation genau abzuwägen. Nicht jede Empfehlung in den Medien muss für die eigene Anlagestrategie sinnvoll sein. Wichtig ist vor allem der langfristige Ausblick. Hat eine Aktie das Potenzial sich wieder zu erholen? Wie wird sich ein bestimmtes Unternehmen voraussichtlich in den kommenden Jahren entwickeln? Wer bereits in zwei oder drei Tagen das große Geld an der Börse machen will, muss schon extrem großes Glück haben oder ein Profi sein. Deshalb vielleicht zum Ende noch die alte Weisheit von Warren Buffett: Kaufe nur Produkte, die du selbst verstehst.
Zur Person: Thomas Soltau ist Vorstand der wallstreet:online capital AG, die auch die Plattformen FondsDISCOUNT.de und den Smartbroker betreibt.