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Europa muss asiatischer werden

Lesezeit: 4 min
24.02.2021 13:59  Aktualisiert: 24.02.2021 13:59
Durch die deutlich schärferen und längeren Beschränkungen als auf anderen Kontinenten haben die europäischen Staats- und Regierungschefs die Wirtschaft des Alten Kontinents schwer belastet. Die Aussichten in Europa sind daher längerfristig weniger erfreulich.
Europa muss asiatischer werden
Insgesamt mag die Eurozone für Anleger im Vergleich zu den USA oder asiatischen Schwellenländern wenig attraktiv erscheinen. Doch sie hält auch einige Trümpfe in der Hand. (Foto: Pixabay)

Analyse von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE:

Der deutlich über den Erwartungen liegende Anstieg der Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe zeugt von der guten Verfassung des Industriesektors. Eine ZEW-Umfrage, die der gleichen Tendenz folgt, belegt das gestiegene Vertrauen der deutschen Anleger, das durch die Euphorie an den Märkten zum Jahresanfang gestützt wird. Die Unternehmensergebnisse mit den höchsten Werten der vergangenen Jahre übertreffen die Erwartungen bei weitem – und die geöffneten Restaurants in Italien und Spanien künden von einer Rückkehr zur Normalität. In vielerlei Hinsicht scheint sich die Lage in der Eurozone zu verbessern. Dieses günstige Momentum könnte auf kurze Sicht sogar ein Outperformance-Potenzial für europäische Aktien bedeuten, die seit Jahresbeginn leicht hinterherhinken.

Eurozone: Längerfristig trübe Aussichten

Längerfristig sind die Aussichten hingegen weniger erfreulich. Durch die deutlich schärferen und längeren Beschränkungen als auf anderen Kontinenten haben die europäischen Staats- und Regierungschefs die Wirtschaft des Alten Kontinents schwer belastet. Gleichzeitig erfolgte die haushaltspolitische Reaktion zwar rasch, ist jedoch im weltweiten Vergleich eher unzureichend. Während in den USA in Kürze ein drittes Konjunkturpaket verabschiedet werden dürfte, gehört der Gedanke an ein zweites Paket für die Europäische Union ins Reich der Fabel verwiesen. So machen die fiskalischen Anreize in den USA mehr als 10 % des für 2021 erwarteten BIP aus, gegenüber lediglich 6 % in der Eurozone. Die Auswirkungen werden alles andere als unerheblich sein.

Denn von der Vorkrisenzeit bis heute hat sich der Abstand beim erwarteten Wachstum zwischen der Eurozone und den anderen großen Wirtschaftsregionen vergrößert. Vor einem Jahr betrug der Unterschied beim erwarteten Wachstum über 3 Jahre (2020 bis 2022) zwischen der Eurozone und den USA 2 % bzw. zwischen der Eurozone und China 14,6 %. Diese Unterschiede liegen mittlerweile bei 3,3 % bzw. 16,4 %. Ende 2022 könnte das BIP der USA sein Niveau von Ende 2019 um knapp 4 % übertreffen. In der Eurozone hingegen wird es kaum darüber liegen. Diese Zweiteilung zeigt sich auch bei der Betrachtung der erwarteten Unternehmensergebnisse. Die US-Unternehmensgewinne dürften innerhalb der nächsten 12 Monate wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen. In der Eurozone könnten sie immer noch um fast -20 % darunterliegen.

Europäische Unternehmen profitieren von Asien-Geschäft

Insgesamt mag die Eurozone daher für Anleger im Vergleich zu den USA oder asiatischen Schwellenländern wenig attraktiv erscheinen. Sie hält jedoch einige Trümpfe in der Hand. Vor allem verfügt die Eurozone über eine große Fülle an Unternehmen, die mit dem asiatischen Konsumgütersektor verzahnt sind. Die jüngsten Ergebnisse von Moncler aus Italien verdeutlichen, dass es sehr gute Gründe für Investitionen in diese Unternehmen gibt. Denn der Luxusgüterhersteller, der 49 % seines Umsatzes im Asien-Pazifik-Raum erzielt, meldete deutlich über den Markterwartungen liegende Zahlen. Insbesondere das Jahresergebnis übertraf die Erwartungen um 20 %. Ein großer Teil dieser Ergebnisse ist durch den Umsatz in Asien bedingt. Dieser stieg im vierten Quartal um 26 % – und in China sogar um 60 %. Dies macht den Umsatzrückgang von -13 % in Europa mehr als wett. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Hermès mit einem Umsatzrückgang von -9,8 % in Europa, aber einem Plus von 47,4 % in Asien (ohne Japan).

Zweifelsohne birgt die schwache haushaltspolitische Reaktion in Europa auf lange Sicht das Risiko einer strukturellen Underperformance europäischer Anlagen. Nichtsdestotrotz sind viele europäische Unternehmen vor allem dank ihrer internationalen Ausrichtung imstande, mit diesen trüben Aussichten fertig zu werden. Genau auf diese Unternehmen sollten Anleger sich in den kommenden Jahren fokussieren.

Die Fondsgesellschaft LFDE wurde 1991 in Frankreich gegründet und konzentriert sich auf Investments in europäische und internationale börsennotierte Unternehmen. LFDE ist in Deutschland, Spanien, Italien, der Schweiz und in den Benelux-Ländern vertreten und verwaltet zum 31.12.2019 Vermögen in Höhe von rund 10 Milliarden Euro.

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