Börse

Jerome Powells Drahtseilakt: Zeit für ein Ende der Finanzspritzen?

Lesezeit: 2 min
22.06.2021 13:27
Erst flutete die Fed die Märkte mit billigem Geld. Jetzt hat sich die Lage deutlich verändert. Die Fed manövriert sich durch die angespannte Situation wie zu besten Zeiten.
Jerome Powells Drahtseilakt: Zeit für ein Ende der Finanzspritzen?
Platzt bei der Fed bald der Knoten? (Foto: Pixabay)

Analyse von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE:

Es ist nun knapp über ein Jahr her, dass die Fed – konfrontiert mit einer in vielerlei Hinsicht beispiellosen Krise – den Markt mit Liquidität flutete. Kurz vor Beginn des Sommers versucht sich die Zentralbank nun jedoch in einem Drahtseilakt, um das Ende eines äußerst akkommodierenden Kurses mit Leitzinsen nahe 0 % und monatlichen Wertpapierkäufen in Höhe von 120 Milliarden Dollar (Quantitative Easing) bestmöglich zu bestimmen. Tatsächlich hat sich die Lage im Zuge der Impfkampagnen binnen weniger Monate drastisch verändert. Das Wirtschaftswachstum nimmt euphorische Ausmaße an, der Arbeitsmarkt normalisiert sich und die Inflation kehrt überraschend zurück, was bisher in erster Linie auf Einschränkungen auf der Angebotsseite zurückzuführen ist. Für die Fed scheint daher der Zeitpunkt günstig, um die Finanzmärkte allmählich auf das Ende der Finanzspritzen vorzubereiten – nun, da sich die US-Wirtschaft Stück für Stück von den Narben der Krise erholt.

Powell folgt Tradition der Notenbanker

Wie seine Vorgänger setzt Notenbankpräsident Powell auf dem Drahtseil unmerklich einen Fuß vor den anderen. Dabei tritt er exakt in die Fußstapfen, die ihm die Tradition der Notenbanker wie Alan Greenspan vorgibt. Er war berühmt für seine Aussage: „Falls Sie mich verstanden haben, liegt das zweifelsohne daran, dass ich mich schlecht ausgedrückt habe.“ Powell setzt daher ebenfalls auf einen Schlingerkurs. Um die Möglichkeit einer schrittweisen Beendigung der Finanzspritzen anzudeuten, spricht er davon, „eine Diskussion über kommende Diskussionen“ ins Auge zu fassen.

In der Tat ist dieses Thema nach dem sogenannten Taper Tantrum im Jahr 2013 ein Minenfeld: Indem sie ganz abrupt das Ende der quantitativen Lockerungen ankündigte, hatte die Fed die Märkte damals völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Einige Äußerungen des damaligen Fed-Präsidenten Ben Bernanke gehören mittlerweile zum Standardrepertoire der Notenbanker. So schlug er vor, „den Fuß ein wenig vom Gas zu nehmen, sobald das Auto beschleunigt, ohne jedoch auf die Bremse zu treten“. Auch eines der Fed-Mitglieder aus dieser Zeit, Jeffrey Lacker, ist mit einer Äußerung über das Zurückrudern vertreten: Die Fed „lässt die Bowle stehen, wird jedoch [den Alkoholgehalt] weiter anheben – allerdings mit schwächerer Dosierung“.

Märkte reagieren positiv auf jüngste Fed-Äußerungen

Auch wenn die Aussagen des Notenbankers den unkundigen Beobachter bisweilen verdutzt zurücklassen, scheint das Manöver der vergangenen Woche gelungen zu sein – trotz einer weniger eindrucksvollen Rede als erwartet und trotz der Erwartung eines früheren Beginns der Zinsanhebung. Die anschließende Reaktion der Märkte verdeutlicht dies. Nach einem Anstieg in den Stunden nach den Ankündigungen der Fed gaben die langfristigen Zinssätze am nächsten Tag schließlich wieder nach. Auch der US-Aktienmarkt, einschließlich seiner für Zinserhöhungen anfälligeren Segmente, nahm die Nachricht relativ gut auf. So stieg der Nasdaq am folgenden Handelstag auf ein neues Allzeithoch.

Der erste Schritt auf dem Drahtseil scheint Jerome Powell gelungen zu sein. Doch der Balanceakt ist noch lange nicht zu Ende. Der Weg könnte mit Hindernissen übersät sein, falls der Inflationsdruck andauert oder der Arbeitsmarkt sich rascher oder gleichmäßiger erholt als erwartet.

***

Altersvorsorge-neu-gedacht.de ist eine Publikation von Bonnier Business Press Deutschland und ist Ratgeber zu den Themen Vorsorge und Geldanlage.

ANG
Vorsorge
Vorsorge Mit ABC den Schmerz bekämpfen – Kongress berät Möglichkeiten
22.10.2024

Viele Menschen leiden unter chronischen Schmerzen, doch es gibt nur wenige Therapiemöglichkeiten. Welche Rolle könnte ABC spielen? Auf...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Finanzhaie im Gesundheitssystem: Private-Equity-Fonds auf dem Vormarsch
22.10.2024

Profit über Patientenwohl: Wie Investoren die Gesundheitsversorgung in Deutschland auf Kosten der Qualität umkrempeln – und was die...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Revolution im Krankenhaus: Lauterbachs Plan für die Kliniken
22.10.2024

Größte Reform seit 20 Jahren: Wie die Neuausrichtung des Gesundheitssystems Patienten und Kliniken verändern wird – und warum sie so...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Die SPD und die Reichensteuer: Neue Pläne zur Steuerreform und Vermögensabgabe
15.10.2024

Die SPD will sehr reiche Menschen stärker belasten, sowohl beim Einkommen als auch beim Vermögen. Dazu plant die Partei eine höhere...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Rentensinkflug in Deutschland? Warum die Rentenreform jetzt entscheidend ist
14.10.2024

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) warnt vor einem finanziellen Abstieg zukünftiger Rentnerinnen und Rentner, sollte die geplante...

ANG
Immobilien
Immobilien Immobilienbesitzer im Fokus: Umfrage zu Energiesanierungskosten und Förderungen
09.10.2024

Eine Umfrage zeigt, dass Immobilienbesitzer im Jahr 2024 durchschnittlich 37.000 Euro in Energiesanierungen investieren. Dies ist eine...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Krankenversicherung ins Grundgesetz? Peter Weiß fordert Verfassungsreform
07.10.2024

Peter Weiß, Bundesbeauftragter für die Sozialwahlen, fordert die Verankerung der Sozialversicherung im Grundgesetz. Er will, dass...

ANG
Geldanlage
Geldanlage Keine Panik bei sinkenden Zinsen: So bleiben Sie als Anleger auf Kurs
07.10.2024

Die großen Notenbanken senken die Zinsen: Die EZB reduzierte den Leitzins auf 3,5 Prozent, während die Fed den Zinskorridor auf 4,75 bis...