von Ned Naylor-Leyland, Head of Gold & Silver bei Jupiter Asset Management:
Wenn wir von Währungsmetallen sprechen, meinen wir Silber und Gold. Gold und Silber sind sozusagen Geschwister, haben aber unterschiedliche Persönlichkeiten. Früher hieß es, Gold sei das Geld der Könige, Silber das der Edelmänner und -frauen. Ich möchte hinzufügen, dass Silber zeitweise auch das bevorzugte gesetzliche Zahlungsmittel einer etwas weniger gesellschaftsfähigen Bevölkerungsgruppe war. Durch seine relative Erschwinglichkeit im Vergleich zu Gold hat Silber seine Wurzeln im gemeinen Volk. Im Volksglauben wurden Silber auch mystische Kräfte zugeschrieben. Zum Beispiel soll eine aus Silber gegossene Kugel die einzig wirksame Waffe gegen einen Werwolf oder eine Hexe seien – weshalb „Wunderwaffe“ im Englischen auch „silver bullet“ heißt.
Die traditionelle Rolle von Silber als echtes Zahlungsmittel zeigt sich in den weltweit im Umlauf befindlichen Silbermünzen und im britischen Pfund Sterling (die ersten englischen Silberpennies wurden aus Sterlingsilber geprägt). Normale Menschen kaufen Dinge mit Silber, nicht Gold. Es ist erschwinglich und ein natürlicher Wertspeicher. Wie Gold wird auch Silber schon immer zur Absicherung gegen die Inflation genutzt.
Übrigens ist Silber tendenziell volatiler als Gold – was die Wertschwankungen angeht, ist Silber so etwas wie Gold auf Steroiden. Wenn die Edelmetallpreise steigen, verteuert sich Silber in der Regel schneller als Gold. Umgekehrt verliert es auch schneller an Wert, wenn die Preise sinken.
Populismus und Blasen: Silber-Squeeze wird sich fortsetzen
Manche bezeichnen Silber auch als das populistische Metall – ein Ruf, den das Metall über die Jahrhunderte erworben hat. Meiner Ansicht nach leben wir in einer Ära des Populismus. Das macht die Aussichten für dieses populistische Metall also besonders spannend.
Populismus zeigt sich in der Führung einiger Länder – ein prominentes Beispiel ist der ehemalige US-Präsident Donald Trump. Für mich sind auch der Run auf Kryptowährungen, Spekulationsblasen, das digitale Finanzwesen und die fortschreitende Dezentralisierung des globalen Finanzsystems Ausdruck eines zunehmenden Populismus. In diesen Entwicklungen wird die Überzeugung deutlich, dass wir traditionelle vertrauenswürdige Dritte wie Banken oder globale Reservewährungen wie den Dollar heute nicht mehr brauchen.
Das dramatischste jüngste Beispiel für die populistischen Züge des Silbermarktes war der Nachfrageboom Ende Januar und Anfang Februar, als sich Privatanleger über die Plattform Reddit auf das populistische Metall stürzten. Wir rechnen mit einer Fortsetzung des Silber-Squeeze. Was im Januar geschah, war nur ein erster sichtbarer Schritt.
Fundamentales Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage
Natürlich ist Silber nicht nur ein Währungsmetall. Es ist auch ein gefragtes Industriemetall – und ein wichtiger Inputfaktor für die grüne Wirtschaft. Jedes Elektrofahrzeug enthält rund drei Unzen Silber. Auch in Solarzellen, 5G-Infrastruktur und Medizintechnik kommt das weiße Metall zum Einsatz. Doch das Silberangebot in London ist begrenzt. In einem Bericht im März wies die unabhängige Edelmetallbehörde LBMA darauf hin, dass die Londoner Bestände an physischem Silber innerhalb weniger Wochen erschöpft gewesen wären, wenn die hohe Nachfrage nach physischem Silber im Januar und Februar angehalten hätte.
Ich bin schon lange der Meinung, dass es auf dem physischen Silbermarkt ein fundamentales Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage gibt und dass das Angebot viel knapper ist, als einige Branchenanalysten behaupten. Der Reddit-Hype hat das sehr deutlich gemacht. Die Silberförderung ist auf rund 800 Mio. Unzen pro Jahr begrenzt, wovon etwa 70-80 Prozent in die industrielle Nutzung gehen. Wenn die Anleger- und Industrienachfrage weiter steigt, kann ich mir daher nur schwer vorstellen, dass der Silberpreis nicht ebenfalls steigt.
Makroökonomisches Umfeld stützt Silber
Das makroökonomische Umfeld ist meiner Ansicht nach ebenfalls günstig für Silber. Angesichts der enormen Liquiditäts- und Stimulusmaßnahmen, mit denen Regierungen und Zentralbanken der kränkelnden Weltwirtschaft unter die Arme greifen, halte ich sinkende Renditen für unvermeidlich. Wenn die realen Renditen zurückgehen, verteuern sich Silber und Gold häufig, weil Währungsmetalle als Anlagen angesehen werden, mit denen man sich gegen Kaufkraftverluste absichern kann. Zudem notiert Silber fast 80 Prozent unter seinem inflationsbereinigten Allzeithoch von 120 US-Dollar je Unze aus dem Jahr 1980.
Ich sehe mehrere Faktoren, die den Silberpreis nach oben treiben könnten, darunter die Nachfrage von professionellen und privaten Anlegern, Investitionen in eine grünere Wirtschaft und das begrenzte Angebot. Daher dürfte das populistische Metall noch deutlich populärer werden.
Jupiter ist ein spezialisierter Vermögensverwalter mit einem aktiven Ansatz. Angefangen mit der Gründung im Jahr 1985 bietet Jupiter heute eine Reihe von aktiv verwalteten Strategien für britische und internationale Kunden, darunter Aktien-, Anleihen-, Multi-Asset- und alternative Strategien. Jupiter ist Mitglied des FTSE 250 Index und verfügt über ein verwaltetes Vermögen von 65,7 Mrd. Euro (Stand: 31.12.2020).