Vorsorge

„Mehr Netto vom Brutto“: Sogar Arbeitgeberpräsident kritisiert Steuersystem

Lesezeit: 4 min
13.09.2021 17:49  Aktualisiert: 13.09.2021 17:49
Normalverdienern bleibe zu wenig vom Lohn übrig, kritisiert der Arbeitgeberpräsident. Auch das Steuersystem müsse leistungsgerechter gestaltet werden.
„Mehr Netto vom Brutto“: Sogar Arbeitgeberpräsident kritisiert Steuersystem
Der Lohn aus harter Arbeit dürfe nicht vom Steuertarif aufgefressen werden, so der Arbeitgeberpräsident. (Foto: Pixabay)

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hat grundlegende Reformen in Deutschland gefordert. Er nannte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur etwa die Steuer- und Sozialpolitik. Außerdem müssten Baugenehmigungen beschleunigt werden. In vielen Bereichen sei ein „Mentalitätswechsel“ notwendig.

Zur Steuerpolitik sagte der Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: „Es muss vor allem auch für Normalverdiener in Zukunft mehr Netto vom Brutto übrig bleiben. Das Steuersystem muss leistungsgerechter gestaltet werden. Die hohe Last der Einkommenssteuer schwächt die Wirtschaft insgesamt.“

Die Arbeitgeber forderten daher die Anhebung des Grundfreibetrags und eine Verschiebung des Tarifverlaufs. „Die Kalte Progression und der ,Mittelstandsknick‘ sind uns ein Dorn im Auge. Wir sind der Meinung, dass der Lohn aus harter Arbeit nicht vom Steuertarif aufgefressen werden darf.“

Reform der Unternehmensbesteuerung

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sprach sich für eine umfassende Reform der Unternehmensbesteuerung vor. „Unternehmen brauchen attraktivere Rahmenbedingungen, um wieder stärker zu investieren“, sagt DIHK-Präsident Peter Adrian dem Handelsblatt. Die nächste Bundesregierung sollte nach vielen Jahren mit wenig Bewegung bei den Steuern durch eine kluge Steuerpolitik für eine „Aufbruchstimmung“ sorgen. In einem Papier, das auch der dpa vorlag, fordert der DIHK etwa die Abschaffung der Gewerbesteuer. Die Belastung schwanke stark. Die Gewerbesteuer solle deshalb einer gewinnabhängigen Kommunalsteuer weichen. Außerdem fordert der DIHK dauerhafte Möglichkeit zu einer beschleunigten Abschreibung von Investitionsgütern.

Arbeitgeberpräsident Dulger sieht Reformbedarf auch bei den Sozialversicherungen. „Wer die Sozialversicherungen erhalten will, der muss sie reformieren. Wer vorgaukelt, es könne alles und noch mehr versprochen werden, der zerschlägt das Fundament der beitragsfinanzierten Versicherungen und nimmt Kurs auf ein Sozialsystem, das staatsgeleitet und steuerfinanziert von Kassenlage und politischen Opportunitäten abhängig ist.“ Das sei weder nachhaltig noch generationengerecht, sondern zukunftsfern. „Daher treten wir Arbeitgeber für sensible, aber konsequente Reformen in allen sozialen Sicherungssystemen ein. Wir wollen, dass die Menschen weiter in dieses System vertrauen können.“

Baugenehmigungen dauern zu lange

Dulger kritisierte außerdem, Baugenehmigungen dauerten inzwischen bis zu zwei Jahre und in großen Städten noch viel länger. „Das muss künftig in ein paar Monaten klappen. So wie es im Moment läuft, ist es nicht nur unattraktiv, es ist schon fast eine Katastrophe. Ich glaube, Verwaltungsreform ist dafür der falsche Begriff. Wir brauchen hier einen Mentalitätswechsel.“ Das gelte auch für das Thema Bürokratieabbau. „Wir brauchen hier weniger Zettel und mehr Wirtschaft.“

Bei der Abkehr von Kohle-Energie erlebe die Wirtschaft einen enormen Wandel. „Das ist für uns als Industrienation eine gewaltige Aufgabe. Ich erwarte von einer zukünftigen Bundesregierung, dass sie Spaß am Gestalten hat, dass sie Freiraum für Erfinder lässt und nicht nur Verbote erlässt.“

Bildung ist „Battleground“

Als ein zentrales Thema nannte Dulger die Bildung. „Bildung ist der Battleground (dt.: das Schlachtfeld) der Zukunft. Wir müssen die jungen Menschen gut ausbilden und sie an die Herausforderungen dieser globalisierten Welt heranführen.“ Es rücke eine enorm gut ausgebildete, leistungsfähige junge Generation nach. „Die müssen wir aber auch machen lassen. Die dürfen wir nicht durch Verbote oder falsche Ideologien einschränken – sie müssen sich entfalten können. Die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes entscheidet sich doch vor allem an den Fragen: Welche Talente können wir in unseren Unternehmen fördern? Wie agil reagieren wir auf die digitalen Transformationen unserer Zeit? Mit der Erstausbildung ist es jedenfalls nicht getan. Berufliche Weiterbildung und lebenslanges Lernen sind unser Ticket zum Wohlstand von morgen. Unsere Kinder sind die Köpfe von morgen, und Bildung ist doch die eigentliche soziale Frage.“

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