Der deutsche Staat steht vor gigantischen Mehrausgaben in den kommenden Jahren. Der VWL-Professor Bernd Raffelhüschen hat etwa berechnet, dass die Staatsschulden fast dreimal so hoch ausgewiesen werden müssten, wenn die Politik Rückstellungen für steigende Rentenkosten gebildet hätte. Christian Lindner plant allein in diesem Jahr mit einer Neuverschuldung von über 200 Milliarden Euro. Dazu kommen massive Kosten für den Umbau der Wirtschaft und der Energieversorgung, um die CO2-Ziele zu erreichen.
Viele Bürger fragen sich, wer das eigentlich alles bezahlen soll – gerade angesichts einer stagnierenden Wirtschaft im Zuge der Russland-Sanktionen und des Krieges. Spekulationen machen die Runde, dass massive Enteignungen bevorstehen könnten. Ist da was dran – und wie können sich Anleger schützen?
Was ist ein Lastenausgleich?
Lastenausgleich ist ein anderes Wort für eine Vermögensabgabe und meint eine einmalig erhobene Vermögenssteuer, die der Besteuerte über Raten oder einmalig abbezahlt. Der Besteuerte wird dabei zum Schuldner und kann sich der Vermögensabgabe nicht mehr nachträglich durch Auswandern entziehen.
Die bekannteste Vermögensabgabe ist im Lastenausgleichsgesetz von 1952 geregelt. Damals mussten die Deutschen bis zu 50 Prozent ihres Vermögens zum Stand 21. Juni 1948 abgeben. Das war der Tag der Währungsreform von 1948. Betroffen vom Lastenausgleich waren vor allem Immobilieneigentümer. Die Deutschen mussten die Steuer über 120 vierteljährliche Raten 30 Jahre lang abbezahlen.
Mit dem Gesetz wollte der Staat die Lasten des Krieges und der Währungsreform gleichmäßig über die Bevölkerung hinweg verteilen. Wer in Sachwerte wie Immobilien investiert war, hatte sein Vermögen durch den Krieg und die Währungsreform oftmals retten können. Kontoguthaben, Bargeld und Darlehensforderungen in Reichsmark waren durch die Währungsreform 1948 bereits weitgehend entwertet worden.
Aus den Einnahmen finanzierte der Staat eine Entschädigung für die Bürger, die im Zweiten Weltkrieg verletzt oder vertrieben worden waren beziehungsweise große Vermögensschäden erlitten hatten. Weil die Immobilienpreise im Jahr 1948 relativ gering waren und in den nachfolgenden Jahren deutlich stiegen, war der Lastenausgleich für die meisten Bürger keine sehr hohe Belastung.
Könnte ein Lastenausgleich wieder kommen?
Immer mehr Stimmen fordern derzeit einen Lastenausgleich. Etwa sprachen sich Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel und der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte für einen Corona-Lastenausgleich aus. Die DGB-Chefin Yasmin Fahimi forderte Ende April einen Ukraine-Lastenausgleich. „Wir müssen unsere eigene Wirtschaft stärken, riesige Summen sollen für Verteidigung ausgegeben werden, und der Ukraine müssen wir humanitär helfen. Das alles neben der Transformation und dem beschleunigten Umbau unserer Energieversorgung – es stellt sich die Frage, wer das alles bezahlt“, erklärte die SPD-Politikerin in einem Interview und fuhr fort: „Gerade angesichts der Folgen des Kriegs in der Ukraine ist es überfällig, in Deutschland einen gerechten Lastenausgleich zu schaffen.“
Selbst der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums griff in die Debatte ein. Die Wissenschaftler raten in einer Stellungnahme vom Mai 2021 klar von der Einführung ab. Diese würde „erhebliche wirtschaftliche Schäden“ verursachen, warnen sie. Außerdem gehe der Vergleich zum Zweiten Weltkrieg und dem Lastenausgleich fehl – angesichts von Millionen von Vertriebenen, exorbitanten Wiederaufbaukosten und einer massiven Wohnungsnot im Nachkriegsdeutschland.
Auch der Wissenschaftliche Dienst zweifelt in einem Gutachten, ob sich eine Corona-Vermögensabgabe verfassungsrechtlich begründen lasse. Zwar erlaube das Grundgesetz prinzipiell die Einführung einer Vermögensabgabe, aber bloß bei einer staatlichen Ausnahmelage, Zweckbindung der Einnahmen und Einmaligkeit der Abgabe, heißt es in dem Papier. Bei der Corona-Krise sei fraglich, ob diese als staatliche Ausnahmelage gelten könne. Bislang seien Vermögensabgaben bloß zur Bewältigung von Kriegsfolgen eingeführt worden, schreiben die Wissenschaftler.
Insgesamt erscheint eine Einführung derzeit also eher unwahrscheinlich. Die Öffentlichkeit steht einer Vermögensabgabe überwiegend ablehnend gegenüber. Das könnte sich im Falle einer großen Krise eventuell ändern, etwa einem Euro-Crash oder einem Blackout.
Was können Anleger tun?
Philipp von Wartburg und Ralf Huber von der Informationsplattform Asset Protection Club empfehlen vier Strategien. Erstens könnten Immobilieneigentümer ein Nießbrauchrecht eintragen lassen. Das mindere den Wert einer Immobilie, sodass man unter etwaige Freibeträge einer Vermögensabgabe fallen könnte. Zweitens raten die Experten zu einem Investment in Silber über ein ausländisches Zollfreilager. „Silber könnte als Industriemetall von einer Vermögensabgabe ausgenommen sein – etwa umfasst die EU-Machbarkeitsstudie über ein Vermögensregister bloß Gold und nicht Silber”, erklären Wartburg und Huber.
Drittens könnten Anleger in Edelsteine investieren. Diese seien wesentlich anonymer als Gold und Silber. Etwa seien Edelsteine bei Grenzübertritt nicht beim Zoll anmeldepflichtig – im Gegensatz zu Gold und Silber ab einem Wert von 10.000 Euro. In Deutschland und Österreich ließen sich Edelsteine bis zu einem Betrag von 9999,99 Euro anonym kaufen, ohne dass ein Verkäufer bei Barzahlung die Personalien aufnehmen muss. Bei Gold und Silber liegt die Grenze bei 1999,99 Euro. „Edelsteine würden womöglich nicht von einer Vermögensabgabe erfasst. Auch Kleinanleger können bereits mit einem Betrag von 5000 Euro einsteigen“, erklären Wartburg und Huber.
Viertens könnten Anleger eine fondsgebundene Lebensversicherung aus Liechtenstein abschließen. Hier zähle das Vermögen der Versicherung als Sondervermögen – im Gegensatz zu deutschen Lebensversicherungen. „Wir können uns gut vorstellen, dass Lebensversicherungen günstiger von einer Vermögensabgabe wegkämen, weil der Begünstigte keinen unmittelbaren Zugriff auf das Geld hat“, erklären Wartburg und Huber.
Was ist mit einer Familienstiftung im Ausland?
Eine andere Option ist, eine Familienstiftung im Ausland zu gründen und an diese einen großen Teil des Vermögens über ein Darlehen auszuleihen. Die Stiftung tilgt dann das Darlehen über regelmäßige Zahlungen an den Stifter oder Begünstigte aus der Familie. Möglich ist das etwa in Liechtenstein, Österreich, Malta und Luxemburg. Besonders Liechtenstein ist unter Vermögenden beliebt, weil das Fürstentum als rechtssicher gilt und steuerliche Vorteile bietet.
Eine Stiftung ist eine Organisation mit eigener Rechtspersönlichkeit. Das Vermögen befindet sich also nicht mehr im Eigentum des ursprünglichen Inhabers. Wenn es sich um liquides Vermögen wie Edelsteine, Edelmetalle, Aktien oder andere Wertpapiere handelt, das sich nicht in Deutschland befindet, kann es der Staat praktisch nicht enteignen. Es entfallen nämlich zwei Ansatzpunkte, bei denen eine Vermögensabgabe ansetzen kann: Die Identität des Eigentümers und der Sitz des Vermögens in Deutschland.
Gleichwohl lohnt sich eine Familienstiftung bloß für reiche Menschen. „Das lohnt sich erst für Vermögen ab fünf Millionen Euro“, erklären Wartburg und Huber. Grund sind die vergleichsweise hohen Errichtungskosten für etwa einen Notar plus die laufenden Kosten.
Was ist mit Auswandern?
Eine Auswanderung schützt bloß bedingt vor einer Vermögensabgabe. Wer etwa eine Immobilie oder Betriebsvermögen in Deutschland hat, könnte weiter enteignet werden. Wegzug ins Ausland schaffe als isolierte Maßnahme für die Eigentümer von Betriebsvermögen und Immobilien „keinen wirklichen Vorteil“, stellen denn auch die Vermögensberater Gerd Kommer und Olaf Gierhake in ihrem Buch „Souverän Vermögen schützen“ fest.