Dax-Anleger werden sich nach dem Abwenden eines Zahlungsausfalls der Vereinigten Staaten in der neuen Woche wieder auf Konjunkturdaten, Firmengewinne und Notenbank-Signale als Impulsgeber konzentrieren. Von ihnen wird abhängen, ob der deutsche Leitindex die psychologisch wichtige Marke von 16.000 Punkten nachhaltig hinter sich lassen kann.
Am Freitagnachmittag lag er knapp darüber, bewegte sich auf Wochensicht jedoch kaum. Die viel besser als erwartet ausgefallene Berichtssaison der deutschen Unternehmen zum ersten Quartal habe dem Aktienmarkt aber Rückenwind verliehen, der noch eine Weile anhalten dürfte, sagt Commerzbank-Stratege Markus Wallner. „Viele Ergebnisse lagen über den Erwartungen, und die negativen Überraschungen hielten sich sehr in Grenzen“, fasste der Experte zusammen. So hätten beim Dax 55 Prozent der Firmen besser abgeschnitten als gedacht, beim Nebenwerteindex MDax seien es 34 Prozent gewesen. „Dies ist für beide Indizes besser als der langfristige Durchschnitt und als der Durchschnitt für ein erstes Quartal.“ Auch für das zweite Quartal sei kein Einbruch zu erkennen. „Nichtsdestotrotz sollte die anhaltend restriktive Geldpolitik der EZB und der Fed weiter ihre Spuren hinterlassen.“
DEUTSCHE INDUSTRIEDATEN MÜSSEN MÄRZ-EINBRÜCHE WETTMACHEN
Nach den deutlichen Rückgängen im März muss die deutsche Wirtschaft mit den April-Daten nun zeigen, inwieweit Sonderfaktoren eine Rolle spielten oder ob es tatsächlich so schlecht um sie steht. Den Auftakt machen am Montag die Exportdaten für Deutschland. Wegen der schwächeren Nachfrage aus den USA, China und der EU waren die Ausfuhren im März überraschend stark eingebrochen, ebenso wie die Industrieaufträge, die am Dienstag anstehen. Zur Wochenmitte folgen dann die Produktionszahlen. Die deutschen Unternehmen hatten ihre Fertigung im Vormonat so stark heruntergefahren wie seit einem Jahr nicht mehr. Wichtig für die exportlastige deutsche Wirtschaft ist auch die Entwicklung in China. Dort werden am Mittwoch die Daten zum Außenhandel im Mai vorgelegt.
Als erfreulich gilt derzeit die rückläufige Inflation im Euro-Raum, die vor allem bei der Europäischen Zentralbank (EZB) für Erleichterung sorgen dürfte. Denn nicht erst seit den Turbulenzen im US-Bankensektor machen sich Investoren zunehmend Sorgen über die Nebenwirkungen der strafferen Geldpolitik. Noch immer sei die EZB weit von ihrem Zielwerte einer Inflation von zwei Prozent entfernt, warnen die Experten vom Bankhaus Marcard, Stein & Co. „Das Risiko, dass die vom Markt eingepreisten Zinserhöhungen noch nicht das Ende der Fahnenstange sind, ist also durchaus gegeben.“ Weitere Signale könnte es am Montag geben, wenn EZB-Präsidentin Christine Lagarde im Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) des EU-Parlaments in Brüssel den Abgeordneten Rede und Antwort zur Geldpolitik steht.
KONJUNKTURAUSSICHTEN ZWISCHEN HOFFEN UND BANGEN
In den USA hatten sich die Stimmungsindikatoren im Gegensatz zu Europa in einigen Bereichen zuletzt eingetrübt. „Für das zweite Halbjahr 2023 wird entscheidend sein, ob die Auswirkungen der Zinserhöhungen stärker in den USA oder in Europa zu spüren sein werden“, heißt es bei Marcard, Stein & Co.
Momentan stellt sich die Mehrheit der Marktteilnehmer auf eine Zinspause der Fed ein. Mehr Klarheit könnten weitere Konjunkturdaten bringen: am Montag werden Zahlen zum US-Auftragseingang und der ISM-Dienstleistungsindex erwartet. Am Mittwoch folgt die Handelsbilanz und am Donnerstag die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe. Sollte die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Leitzinsanhebung Mitte Juni doch wieder zunehmen, dürfte das vorerst weitere Aktienkursgewinne begrenzen, sagt Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel.
DAX-KANDIDAT LUFTHANSA STEHT PROFITABILITÄTSKRITERIUM IM WEG
Am Montag entscheidet die Deutsche Börse über die Zusammensetzung ihrer Auswahlindizes. Ein großes Stühlerücken erwarten Experten nicht. Zwar käme die Lufthansa und gemessen an ihrem Börsenwert als möglicher Dax-Kandidat in Frage. Die Airline sei aber aufgrund eines negativen Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebitda) im Jahr 2021 frühestens nach Vorlage der Bilanz 2023 wieder Dax-fähig, bemerkt Index-Experte Luca Thorißen von der Investmentbank Stifel. Die Deutsche Börse hat in ihrem Regelwerk festgelegt, dass Dax-Unternehmen mindestens zwei Jahre in Folge ein positives Ebitda aufweisen müssen.
Nach der verzögerten Vorlage des Geschäftsberichts für 2022 erwartet das Hamburger Biotech-Unternehmen Evotec die Rückkehr in den Nebenwerteindex MDax. Die Deutsche Börse hatte die Aktien vergangenen Monat herausgeworfen, nachdem Evotec den geprüften Geschäftsbericht nicht wie vorgeschrieben bis Ende April vorlegen konnte.