Von Ali Masarwah
ETFs gelten als Traum für die Geldanlage und als Musterbeispiel für effiziente Märkte - die ETF-Gebühren sind niedrig, und sie sinken mit zunehmendem Wettbewerb. Die ETF-Branche zeichnet sich durch einen harten Wettbewerb aus, und davon profitieren Anleger
Diese Binsenweisheit ist leider nicht ganz richtig. Es gibt pfiffige Hamster unter den ETF-Anbietern, die an der Nachlässigkeit vieler Anleger gut verdienen. Denn manche ETFs sind teurer, als der legendäre Gründer von Vanguard und Indexfonds-Evangelist Jack Bogle erlaubt hätte.
ETF-Gebühren: Die Anfänge waren teuer
Als die ETF-Branche noch jung war, ging es noch recht robust in Sachen Indexreplikation zu. Tracking Errors waren mitunter haarsträubend hoch, und auch bei den Gebühren langten ETF-Anbieter ordentlich zu. Auf der Aktienseite waren in den Nullerjahren, in der Sturm-und-Drang-Phase, Kosten von 0,5 Prozent für Standard-ETFs gang und gäbe. Mit zunehmendem Wettbewerb wurden ETFs ab 2010 immer günstiger. Etliche neue Anbieter - ComStage lässt grüßen - konnten sich nur durch Kampfkonditionen am Markt etablieren. Sie brachten neue ETF auf den Markt, die oft ein Bruchteil der Kosten existierender ETF aufwiesen.
Mehr dazu auf sciencedirect.com Interessanterweise reagierten die Platzhirsche nicht immer mit Preissenkungen. Sie brachte vielmehr neue, wettbewerbsfähige ETFs auf, ließen aber die Gebühren der bestehenden teuren ETFs oft unverändert. Wer heute genau hinsieht, stellt fest, dass manche ETFs auf Standard-Indizes noch immer 40, 50 Basispunkte oder mehr kosten.
Es hat sich die skurrile Situation entwickelt, dass mitunter derselbe Anbieter den identischen Index mit einem anderen ETF für deutlich niedrigere Gebühren anbietet. So kostet etwa der 2007 aufgelegte Amundi MSCI Emerging Markets ETF (FR0010429068) 0,55 Prozent an Gebühren pro Jahr. 2018 brachte Amundi den Amundi MSCI Emerging Markets für nur 0,20 Prozent an jährlichen Gebühren auf den Markt. Wer nun glaubt, dass der teure ETF ein Schattendasein fristen würde, staunt über das stolze Vermögen des teuren ETF: gut 800 Millionen Euro bringt er noch auf die Waage.
Dieses Beispiel ist kein Einzelfall: Der iShares MSCI World ETF (IE00B0M62Q58) wurde im Jahr 2005 als einer der ersten ETFs auf den MSCI World Index auf den Markt gebracht. Er kostete damals wie heute 0,5 Prozent an Gebühren pro Jahr. Auch dieser ETF ist mit einem Vermögen von 5,3 Milliarden Euro kein Zwerg. Einige dürften nicht gemerkt haben, dass iShares bereits seit 2014 einen MSCI World ETF für nur 0,2 Prozent pro Jahr anbietet. Anleger sollten auf das Wörtchen "Core" im Namen achten - oder aber sich die ISIN merken: IE00B4L5Y983.
Auch die Deutsche Bank hält an den Gebühren von den Legacy-Produkten fest. Der Xtrackers MSCI World Swap (LU0274208692), aufgelegt im Jahr 2006, kostet 0,45 Prozent pro Jahr und bringt es immer noch auf ein stolzes Vermögen von gut 4,2 Milliarden Euro. Derweil der 2014 aufgelegte Xtrackers MSCI World ETF (IE00BJ0KDQ92) nur Gebühren von 0,19 Prozent auf die Waage bringt.
Traue keinem ETF über 15
ETF-Anbieter hatten im Zuge des steigenden Wettbewerbs in Europa ab 2010 zwei Optionen: Entweder die Gebühren ihrer teuren ETFs zu senken, oder aber neue, günstige ETFs aufzulegen und die Kosten bei den Legacy-ETFs hoch zu halten. Die Wette auf die Trägheit der Anlegenden ist aufgegangen, wie die üppigen Vermögen der erstaunlich teuren ETFs zeigen. Das stabilisiert der Marge der Anbieter in einem ganz erheblichen Umfang.
Anlegerinnen und Anleger sollten also die Bleistifte spitzen und nachrechnen. Oftmals reicht schon für den ersten Anhaltspunkt ein Blick auf das Auflagejahr des ETFs. Hier gilt das Motto: traue keinem ETF über 15! Als Daumenregel sollte zudem bei Aktien-ETFs gelten: kein ETF auf einen Standard-Index (S&P 500, MSCI World, MSCI Emerging Markets usw.) muss mehr als 0,2 Prozent pro Jahr kosten.
Sie können ihre Kosten oftmals sogar drastisch senken, wenn sie nicht auf die Index-Brands achten. Manche ETFs für Standard-Märkte gibt es auch für nur vier oder fünf Basispunkte (0,04 bzw. 0,05 Prozent p.a.) zu haben. Diese tragen nicht die Kürzel MSCI oder S&P im Namen, sondern segeln unter weniger bekannten Namen wie Solactive.
Anleger sollten sich nicht der Illusion hergeben, dass bekannte Index-Brands die einzigen sind, die "gute" (im Sinne von effizienten) Indizes berechnen. Wer einen klassischen Index berechnet, verfährt nach dem Motto: Gewichte die (frei handelbaren) Aktien von Unternehmen an einem gegebenen Markt nach ihrem Börsenwert. Auf derartige Steinzeit-Algorithmen gibt es kein Copyright, wer der Indexanbieter dahinter ist, ist für Anleger Jacke wie Hose. Investoren sollten hier nach dem Motto des seligen Altkanzlers Helmut Kohl verfahren: Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Und Günstiges hat eine bessere Performance-Prognose als Teures.
Zur Person: Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor.de, eine der wenigen Fondsplattform, die Cashbacks auf Fonds-Vertriebsgebühren zahlt. Masarwah analysiert seit über 20 Jahren Märkte, Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar. Seine Expertise wird auch von zahlreichen Finanzmedien im deutschsprachigen Raum geschätzt.