Geldanlage

„ETF-Gebühren - mitunter teurer als John Bogle erlaubt“

Lesezeit: 3 min
03.01.2024 16:37
ETFs sind günstig, und sie werden immer günstiger. Diese Binsenweisheit ist nicht falsch, aber manchmal eben doch. Einige ETF-Anbieter machen ein gutes Geschäft mit der Nachlässigkeit von Investoren. Gerade ältere ETF-Jahrgänge können erstaunlich teuer sein. Welche Fallstricke Anleger beachten müssen, weiß Ali Masarwah.
„ETF-Gebühren - mitunter teurer als John Bogle erlaubt“
ETFs sind ein kostengünstige Investment. Das gilt aber nicht für alle Anbieter. (Foto: iStock.com/nevarpp)
Foto: nevarpp

Von Ali Masarwah

ETFs gelten als Traum für die Geldanlage und als Musterbeispiel für effiziente Märkte - die ETF-Gebühren sind niedrig, und sie sinken mit zunehmendem Wettbewerb. Die ETF-Branche zeichnet sich durch einen harten Wettbewerb aus, und davon profitieren Anleger

Diese Binsenweisheit ist leider nicht ganz richtig. Es gibt pfiffige Hamster unter den ETF-Anbietern, die an der Nachlässigkeit vieler Anleger gut verdienen. Denn manche ETFs sind teurer, als der legendäre Gründer von Vanguard und Indexfonds-Evangelist Jack Bogle erlaubt hätte.

ETF-Gebühren: Die Anfänge waren teuer

Als die ETF-Branche noch jung war, ging es noch recht robust in Sachen Indexreplikation zu. Tracking Errors waren mitunter haarsträubend hoch, und auch bei den Gebühren langten ETF-Anbieter ordentlich zu. Auf der Aktienseite waren in den Nullerjahren, in der Sturm-und-Drang-Phase, Kosten von 0,5 Prozent für Standard-ETFs gang und gäbe. Mit zunehmendem Wettbewerb wurden ETFs ab 2010 immer günstiger. Etliche neue Anbieter - ComStage lässt grüßen - konnten sich nur durch Kampfkonditionen am Markt etablieren. Sie brachten neue ETF auf den Markt, die oft ein Bruchteil der Kosten existierender ETF aufwiesen.

Mehr dazu auf sciencedirect.com Interessanterweise reagierten die Platzhirsche nicht immer mit Preissenkungen. Sie brachte vielmehr neue, wettbewerbsfähige ETFs auf, ließen aber die Gebühren der bestehenden teuren ETFs oft unverändert. Wer heute genau hinsieht, stellt fest, dass manche ETFs auf Standard-Indizes noch immer 40, 50 Basispunkte oder mehr kosten.

Es hat sich die skurrile Situation entwickelt, dass mitunter derselbe Anbieter den identischen Index mit einem anderen ETF für deutlich niedrigere Gebühren anbietet. So kostet etwa der 2007 aufgelegte Amundi MSCI Emerging Markets ETF (FR0010429068) 0,55 Prozent an Gebühren pro Jahr. 2018 brachte Amundi den Amundi MSCI Emerging Markets für nur 0,20 Prozent an jährlichen Gebühren auf den Markt. Wer nun glaubt, dass der teure ETF ein Schattendasein fristen würde, staunt über das stolze Vermögen des teuren ETF: gut 800 Millionen Euro bringt er noch auf die Waage.

Dieses Beispiel ist kein Einzelfall: Der iShares MSCI World ETF (IE00B0M62Q58) wurde im Jahr 2005 als einer der ersten ETFs auf den MSCI World Index auf den Markt gebracht. Er kostete damals wie heute 0,5 Prozent an Gebühren pro Jahr. Auch dieser ETF ist mit einem Vermögen von 5,3 Milliarden Euro kein Zwerg. Einige dürften nicht gemerkt haben, dass iShares bereits seit 2014 einen MSCI World ETF für nur 0,2 Prozent pro Jahr anbietet. Anleger sollten auf das Wörtchen "Core" im Namen achten - oder aber sich die ISIN merken: IE00B4L5Y983.

Auch die Deutsche Bank hält an den Gebühren von den Legacy-Produkten fest. Der Xtrackers MSCI World Swap (LU0274208692), aufgelegt im Jahr 2006, kostet 0,45 Prozent pro Jahr und bringt es immer noch auf ein stolzes Vermögen von gut 4,2 Milliarden Euro. Derweil der 2014 aufgelegte Xtrackers MSCI World ETF (IE00BJ0KDQ92) nur Gebühren von 0,19 Prozent auf die Waage bringt.

Traue keinem ETF über 15

ETF-Anbieter hatten im Zuge des steigenden Wettbewerbs in Europa ab 2010 zwei Optionen: Entweder die Gebühren ihrer teuren ETFs zu senken, oder aber neue, günstige ETFs aufzulegen und die Kosten bei den Legacy-ETFs hoch zu halten. Die Wette auf die Trägheit der Anlegenden ist aufgegangen, wie die üppigen Vermögen der erstaunlich teuren ETFs zeigen. Das stabilisiert der Marge der Anbieter in einem ganz erheblichen Umfang.

Anlegerinnen und Anleger sollten also die Bleistifte spitzen und nachrechnen. Oftmals reicht schon für den ersten Anhaltspunkt ein Blick auf das Auflagejahr des ETFs. Hier gilt das Motto: traue keinem ETF über 15! Als Daumenregel sollte zudem bei Aktien-ETFs gelten: kein ETF auf einen Standard-Index (S&P 500, MSCI World, MSCI Emerging Markets usw.) muss mehr als 0,2 Prozent pro Jahr kosten.

Sie können ihre Kosten oftmals sogar drastisch senken, wenn sie nicht auf die Index-Brands achten. Manche ETFs für Standard-Märkte gibt es auch für nur vier oder fünf Basispunkte (0,04 bzw. 0,05 Prozent p.a.) zu haben. Diese tragen nicht die Kürzel MSCI oder S&P im Namen, sondern segeln unter weniger bekannten Namen wie Solactive.

Anleger sollten sich nicht der Illusion hergeben, dass bekannte Index-Brands die einzigen sind, die "gute" (im Sinne von effizienten) Indizes berechnen. Wer einen klassischen Index berechnet, verfährt nach dem Motto: Gewichte die (frei handelbaren) Aktien von Unternehmen an einem gegebenen Markt nach ihrem Börsenwert. Auf derartige Steinzeit-Algorithmen gibt es kein Copyright, wer der Indexanbieter dahinter ist, ist für Anleger Jacke wie Hose. Investoren sollten hier nach dem Motto des seligen Altkanzlers Helmut Kohl verfahren: Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Und Günstiges hat eine bessere Performance-Prognose als Teures.

Zur Person: Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor.de, eine der wenigen Fondsplattform, die Cashbacks auf Fonds-Vertriebsgebühren zahlt. Masarwah analysiert seit über 20 Jahren Märkte, Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar. Seine Expertise wird auch von zahlreichen Finanzmedien im deutschsprachigen Raum geschätzt.

***

Altersvorsorge-neu-gedacht.de ist eine Publikation von Bonnier Business Press Deutschland und ist Ratgeber zu den Themen Vorsorge und Geldanlage.

ANG
Vorsorge
Vorsorge Millionen Arbeitnehmer steuern auf niedrige Rente zu
04.09.2024

Wenn man Jahrzehnte in die Rentenkasse eingezahlt hat, sollte die Rente auskömmlich sein - so dürften viele hoffen. Doch die Realität...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Versicherten drohen höhere Kassenbeiträge 2025
04.09.2024

Im Bundestagswahljahr 2025 müssen Millionen Versicherte mit höheren Krankenkassen- und Pflegebeiträgen rechnen. Gesundheitsminister Karl...

ANG
Börse
Börse ​​​​​​​Aktien Frankfurt Eröffnung: Dax im Minus - Ifo ohne Impulse
26.08.2024

Trotz eines verbesserten Ifo-Geschäftsklimas startete der deutsche Aktienmarkt schwach in die Woche. Nach einer dreiwöchigen...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Ifo: Renten- und Steuereinschnitte würden gegen Fachkräftemangel helfen
21.08.2024

Höhere Rentenabschläge, längere Lebensarbeitszeit und Kürzungen bei Ehe-Vergünstigungen könnten laut einer Ifo-Studie den...

ANG
Geldanlage
Geldanlage Goldpreis steigt auf Rekord von 2.525 US-Dollar
20.08.2024

Der Goldpreis klettert aktuell steil nach oben. Das hat viel mit Hoffnungen auf sinkende Zinsen zu tun.

ANG
Vorsorge
Vorsorge Inflation: Gutes Drittel sorgt weniger für Ruhestand vor
21.08.2024

Mehr als ein Drittel der Deutschen sorgt aufgrund der großen Preissteigerungen der vergangenen Jahre weniger fürs Alter vor. Zu diesem...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Deutsche geben EU-weit am wenigsten für Lebensmittel aus
20.08.2024

Nur gut jeder vierte Euro des privaten Konsums fließt in Deutschland in den Einzelhandel, wie Marktforschungsdaten zeigen. Dass die...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Altersvorsorge in Gefahr: Versteckte Rentenkürzungen bringen Sparer in Bedrängnis
20.08.2024

Verluste in Höhe von mehreren Tausend Euro trotz jahrelanger Beiträge zur privaten Rentenversicherung? Leider keine Seltenheit: Viele...