Die Schere zwischen Gering- und Topverdienern in Deutschland hat sich wegen der deutlichen Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns verringert. Besserverdienende erhielten im April 2023 im Schnitt das 2,98-Fache des Bruttostundenverdienstes von Geringverdienenden, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Im April 2022 war es noch das 3,28-Fache. Zuvor hatte sich der Abstand zwischen 2018 und 2022 kaum verändert. So bekamen Besserverdienende im April 2018 das 3,27-Fache.
„Treiber für diese Entwicklung war der vergleichsweise starke Verdienstzuwachs bei den Geringverdienenden aufgrund des gestiegenen Mindestlohns“, erklärten die Statistiker den Rückgang der sogenannten Lohnspreizung. Die Lohnuntergrenze ist von April 2022 bis April 2023 von 9,82 Euro auf 12 Euro die Stunde heraufgesetzt worden. Dadurch erhöhten sich die Verdienste der untersten Gruppe um 12,4 Prozent, die der oberen dagegen nur um 1,9 Prozent. Dabei zählte eine Person im April vergangenen Jahres bis zu einem Stundenverdienst von 12,25 Euro zu den Geringverdienern, gehörte also zu den unteren zehn Prozent der Lohnskala. Wer mindestens 36,48 Euro Stundenlohn bekam, zählte zu den Besserverdienern und damit zu den oberen zehn Prozent.
„DER BESTE WEG IST GUTE BILDUNG“
Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) sieht in einer sinkenden Lohnspreizung einen Beitrag zur Verringerung der Einkommensunterschiede, was der gesellschaftlichen Spaltung entgegenwirken könne. „Der beste Weg dahin sind gute Bildungs- und Qualifikationschancen sowie eine geringe Arbeitslosigkeit“, sagte IW-Experte Christoph Schröder. Kritisch zu sehen sei dagegen eine zu starke künstliche Stauchung, etwa durch einen zu hohen Mindestlohn. „Werden dadurch beispielsweise die Lohnunterschiede zwischen unqualifizierten Aushilfskräften und qualifizierteren und berufserfahrenen Stammkräften zu weit reduziert, kann dies zu Unmut in der Belegschaft führen und dazu, dass die Lohnverteilung nicht mehr als leistungsgerecht wahr genommen wird“, sagte Schröder. Dadurch könne sich ein Unternehmen gezwungen sehen, die gesamte Lohnstruktur nach oben anzupassen. Hierdurch würde die Gefahr einer Lohnpreisspirale zunehmen. „Das könnte wiederum eine Lockerung der Geldpolitik erschweren und die Konjunktur belasten“, sagte der IW-Experte.
In West- und Ostdeutschland fielen die Veränderungen beim Lohngefälle zuletzt ähnlich aus. Sowohl im Westen wie im Osten sank der Verdienstabstand. Dennoch bleibt das Lohngefälle im Westen deutlich größer als im Osten: So erhielten Besserverdienende in Westdeutschland im April 2023 den 3,04-fachen Bruttostundenverdienst von Geringverdienenden, während sie in Ostdeutschland den 2,49-fachen Verdienst erzielten. Im April 2022 lag der Verdienstabstand im Westen bei 3,34 und im Osten beim Faktor 2,8, so das Statistische Bundesamt.