Wichtige Weichenstellung für die rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner - aber vor allem für die jüngeren Menschen in Deutschland: Nach langem Ringen brachte das Bundeskabinett am Mittwoch das Rentenpaket II auf den Weg. Der Streit darüber, ob die Gleise richtig gelegt sind, dürfte mit den parlamentarischen Beratungen noch heftiger werden.
Was ist das Ziel der Reform?
„Die Bundesregierung sorgt mit dem Rentenpaket dafür, dass die gesetzliche Rente für alle Generationen stabil und verlässlich bleibt“, verspricht Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). „Fleißige Menschen bekommen auch in Zukunft nach einem Leben voller Arbeit eine stabile Rente.“ Konkret hat die Ampel mit dem Gesetz zwei Ziele: Die Renten sollen künftig weiter im Einklang mit den Löhnen steigen. Dafür soll das Rentenniveau von 48 Prozent gehalten werden. Zum anderen will die Regierung mit Bundesmitteln auf dem Aktienmarkt ein sogenanntes Generationenkapital anlegen.
Welcher Teil wird für die Rentner eher zu spüren sein?
Die Fixierung des Rentenniveaus. Es sagt aus, wie sich die Renten im Verhältnis zu den Einkommen entwickeln. Die Haltelinie für das Niveau soll bis 1. Juli 2039 in der Rentenanpassungsformel verankert werden und bis Mitte 2040 wirken. Eine künftige Regierung soll 2035 einen Bericht zur Frage des Rentenniveaus nach 2040 vorlegen. Laut Heils Ministerium fällt durch die Stabilisierung des Rentenniveaus eine Rente von 1500 Euro im Jahr 2040 um rund 100 Euro pro Monat höher aus - sechs Prozent mehr.
Wozu dient das Generationenkapital?
Die Rentenbeiträge sollen nicht so stark steigen. Heute liegt der Beitragssatz bei 18,6 Prozent des Einkommens. Ohne Reform soll er bis 2030 auf 20,2 und bis 2040 auf 21,3 Prozent steigen. Nur eine Sicherung des Rentenniveaus ohne Generationenkapital ließe den Satz laut Gesetz bis 2040 sogar auf 22,6 Prozent steigen. Mit den Zinsen des Generationenkapitals soll er bei 22,3 Prozent verharren.
Was ist das Generationenkapital genau?
„Es ist wirklich eine Zäsur in der deutschen Rentenpolitik, dass wir im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung nun auch in Wertpapieren anlegen werden, um die Beitragsentwicklung in der Zukunft zu begrenzen“, sagt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). FDP-Fraktionschef Christian Dürr sprach im rbb24 Inforadio von einer „Jahrhundertreform“. Die Regierung will dafür nicht auf die Schuldenbremse anzurechnende Schulden machen. 2024 sollen 12 Milliarden Euro, in den kommenden Jahren jeweils etwas mehr in den Kapitalstock fließen, auch aus Vermögenswerten des Bunds. Auf mindestens 200 Milliarden Euro soll die Anlage bis Mitte der 2030er Jahre wachsen. Ab 2036 sollen im Schnitt zehn Milliarden Euro jährlich an die Rentenkasse ausgeschüttet werden.
Wie geht es nach dem Kabinettsbeschluss weiter?
Damit das Generationenkapital noch 2024 eingerichtet werden kann, drückt die Regierung aufs Tempo. Per Brief bat das Kanzleramt die im Bundesrat versammelten Länder um Fristverkürzung bei den Beratungen: Die Länderkammer solle die Reform bereits am 5. Juli beraten können. Doch auch in der Koalition ist das letzte Wort nicht gesprochen. In der FDP zeigten sich vor den nun folgenden Bundestagsberatungen nicht alle zufrieden mit den Plänen.
Wackelt die FDP?
Den Liberalen sind die künftigen Beitragsbelastungen für die heute Jüngeren zu hoch. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Johannes Vogel, war in einem Interview vor Tagen vorgeprescht: Die Absicherung sei mit den Heil-Lindner-Plänen nicht generationengerecht. Lindner selbst sagt: „Und deshalb ist das Rentenpaket II von heute der Vorläufer des Rentenpakets III und des Rentenpakets IV, des Rentenpakets V, jedenfalls weiterer Anstrengungen, die Beiträge für die Bürgerinnen und Bürger in den 30er Jahren zu begrenzen.“ Doch jetzt sollen erst mal die Ampel-Pläne umgesetzt werden: Die Koalition habe schließlich „sehr viel von dem, was (...) in dieser Konstellation erreichbar ist“ besprochen.
Wer findet das Rentenpaket vor allem gut?
Sozialverbände und Gewerkschaften loben die Sicherung des Rentenniveaus - und fordern noch mehr. So sagte Anja Piel vom DGB-Vorstand der dpa, ein stabiles Rentenniveau bedeute „Entlastung, bessere Absicherung im Alter und weniger Aufwand für private Vorsorge“. DGB, Einzelgewerkschaften und Sozialverbände forderten aber ein höheres Niveau gegen Altersarmut. Auch der grüne Koalitionspartner gibt der Reform seinen Segen, nachdem er das Generationenkapital erst abgelehnt hatte. Die Reform garantiere für ältere Menschen „ein Leben in Würde statt Abrutschen in bittere Armut“, sagte Fraktionsvize Andreas Audretsch der dpa.
Wer hat die größten Bauchschmerzen mit den Plänen?
Deutschlands Arbeitgeber. Ihr Verband trommelt gegen „das teuerste Sozialgesetz dieses Jahrhunderts“: „Nachdem die Koalition bereits eine Anhebung des Rentenalters ausgeschlossen hat, gehen damit künftig alle Lasten aus der Alterung auf Kosten der Beitragszahler.“ Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger moniert: „Erneut werden Leistungen versprochen, die langfristig nicht finanzierbar sein werden.“ Deutschland komme so noch schwerer aus dem „wirtschaftlichen Stillstand“.
Kommen noch Reformschritte vor der Bundestagswahl?
So kündigten es Lindner und Heil an - bei der privaten und betrieblichen Vorsorge. Und in einem weiteren, einem dritten Rentenpaket werde die Regierung für eine bessere Altersabsicherung der Selbstständigen sorgen, so Heil. Das erste Rentenpaket der Ampel hatte bestimmte Erwerbsminderungsrentner bessergestellt. Heil kündigte für den Sommer zudem „sehr präzise Vorschläge“ für weitere Anreize an, im fortgeschrittenen Alter noch zu arbeiten. Einige gebe es. „Jetzt diskutieren wir, welche weiteren Baustellen es noch gibt.“ Heil verneinte aber die Frage, ob es bis zur Wahl über solche Schritte hinaus noch mehr in Sachen dauerhafte finanzielle Absicherung der Rente gebe.
Was kommt bei der privaten Altersvorsorge?
Vorschläge von Lindner soll es nach der Sommerpause auch für eine Reform der Riester-Rente geben. Bisher ist diese staatlich geförderte lebenslange private Rente kein Erfolgsmodell. Grundproblem sei die Beitragsgarantie, die zu risikoarmen Anlagen mit wenig Rendite führe, so der Finanzminister. Längerfristig sei mehr Risiko verantwortbar. Wer eine Riester-Rente abschließe, solle künftig auf Wunsch auf die Beitragsgarantie verzichten können - „im Interesse eben dann einer höheren langfristigen Verzinsung“. Ziel sei zudem ein Altersvorsorgedepot, in das mit den gleichen steuerlichen Vorteilen und Anreizen hineingespart werden könne.