Im Arbeits- und Schulleben ist die momentane Situation klar: Mittlerweile sind in fast allen Bundesländern die Sommerferien vorbei und der "normale Alltag" ist zurück. Übrigens auch im Leben eines Stock-Pickers ist der Kalender nach zwei Monaten mit weniger solcher Events nun wieder voll mit Konferenzen, Road Shows und Webcasts, wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann.
Ob die Märkte hingegen wieder in der normalen Spur sind, ist ungleich schwerer zu sagen. Hier ist der Sommer natürlich nicht von Strand und Erholung geprägt, aber bildlich gesprochen durchaus von plötzlichen Unwettern. Der im dritten Quartal so typische Einbruch fand auch 2024 statt, konkret Anfang August. Der Marktabschwung war durchaus intensiv und steil. Allerdings war er vom Ausmaß überschaubar und auch vergleichsweise schnell vorbei. Genau deshalb stellt sich die Frage, ob es das nun gewesen ist oder ob wir nur eine Art "Vorbeben" gesehen haben und uns etwa im traditionell ebenfalls sehr unruhigen September noch der eigentliche Einbruch bevorsteht.
Zwei Aspekte machen die Analyse der Situation diffus und komplex:
Erstens: Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die auf die Märkte einwirken, ohne dass einer davon sich als extrem relevant hervortut: die Zinswende, die US-Wahlen, die Konjunktur, die unklare Rolle Chinas in vielen Wettbewerbssituationen, die unverändert recht wirtschaftsfeindliche Politik in Europa, speziell Deutschland, die Geopolitik mit der Ukraine, Nahost und natürlich auch die Dauerbedrohung von Taiwan. Der Hype um KI-Werte sollte ebenso erwähnt sein wie die sich nun seit drei Jahren weitende Schere zwischen großen und kleinen Werten gemessen an der Performance.
Zweitens: Viele dieser Trends sind unklar in ihrer Fortführung und Auswirkung.
Beispiel Zinswende: Eingepreist dürfte sein, dass wir nun erste Senkungen in den USA und noch eine kurze Fortführung der Senkungen in "Euroland" sehen. Aber was folgt dann? Weitere deutliche Senkungen, weil die Konjunktur weiter erlahmt oder eine schnelle Rückkehr zu einer "hawkishen" Vorgehensweise, weil die Inflation etwa von Zweitrundeneffekten getrieben wird? Ursächlich könnten hier weitere hohe Lohnabschlüsse sein oder auch Preisdruck durch den Staat (sei es über Steuern oder andere Abgaben etwa mit der Motivation des Umweltschutzes).
Beispiel US-Wahlen: Nicht nur, dass das Duell zwischen Kamala Harris und Donald Trump durchaus noch offen scheint. Einen klaren Favoriten der Märkte wie bei der ersten Kandidatur des Immobilien-Tycoons 2016 scheint es nicht zu geben. Seinerzeit sorgte seine Wahl für einen Absturz der Märkte zur Eröffnung, was sich aber bereits im Tagesverlauf geglättet hat. Gerade in der (wohlgemerkt angekündigten) Wirtschaftspolitik sind die Unterschiede zwischen den Lagern nicht so groß, wie das krasse Schwarz-Weiß-Bild von den beiden etwa in der hiesigen Presse suggeriert.
Bei den Trends auf dem Parkett hin zu US-Werten, zu Großkonzernen und zu Big Tech ist zumindest die momentane Richtung noch recht klar. Aber gerade bei den sich weitenden Unterschieden in der Bewertung ähnlicher Unternehmen (von denen z.B. eins in Europa notiert ist und eins in den USA) wird mit jeder Vergrößerung des Ungleichgewichts die Wahrscheinlichkeit, dass es einen Mean-Reversion-Effekt gibt, immer größer. Indes: Solche Trendwenden, etwa bei einer anstehenden Bewertungsaufholung der Small Caps, werden seit Jahren (verfrüht) ausgerufen, aber es sagt nun mal auch niemand Bescheid, wenn es sich wirklich umkehrt.
Sicher ist: Es wird auch im Herbst 2024 nicht langweilig auf dem Parkett. Diese Unstetigkeit und Launigkeit der Märkte sind nun mal feste Bestandteile des Anlagedaseins. Daraus folgen aus meiner Sicht die Konsequenzen, sich einerseits gegenüber "Mr. Market" demütig zu geben und sich zudem idealerweise auf eine zyklusübergreifende Strategie zu fokussieren.