Häuser mit Öl- oder Gasheizung werden sich nach Einschätzung von Ökonomen, Maklern und Immobilienfachleuten in den kommenden Jahren nur noch mit wachsenden Preisabschlägen verkaufen lassen. Schon derzeit sind unsanierte Häuser und Wohnungen günstiger als energieeffiziente Wohnimmobilien, das Preisgefälle wird sich nach verbreiteter Einschätzung in der Branche weiter vergrößern.
Nach den teilweise kräftigen Preisrückgängen im vergangenen Jahr sind Wohnhäuser und Immobilien in diesem Jahr wieder teurer geworden. "Bei den Immobilienpreisen sehen wir seit Jahresbeginn 2024 über alle Gebäudeklassen hinweg Preissteigerungen", sagt Oliver Adler, der Immobilienexperte der Bausparkasse Schwäbisch Hall - im Schnitt um 2,4 Prozent.
Lage ist nicht mehr alles - die Heizung ist zählt
Doch die überlieferte Lehrmeinung, dass der Preis einer Wohnimmobilie hauptsächlich von deren Lage abhängt, gilt offenkundig nicht mehr. "Die Preise schwanken abhängig vom Alter, der Lage und zunehmend auch der Energieeffizienzklasse der Immobilie", sagt Adler. "Bei energetisch unsanierten Immobilien mit einer Energieeffizienzklasse von D oder schlechter ist mittel- bis langfristig mit Preisabschlägen von 20 bis 30 Prozent zu rechnen."
Ältere Immobilien haben stärker an Wert verloren
Laut Preisindex des Münchner Finanzierungsvermittlers Interhyp sanken die Preise für ältere Immobilien mit Baujahr vor 1990 im Zuge der Zinswende im Jahr 2022 um knapp zehn Prozent. Neuere Immobilien mit Baujahr nach 2010 verloren laut Interhyp-Index ledig 5 Prozent ihres Werts. "Seitdem steigen die Preise für beide Immobilienklassen jedoch in einem ähnlichen Tempo", sagt Vertriebsvorständin Mirjam Mohr. "Plus 4 Prozent bei älteren Immobilien, plus 3,4 % bei Immobilien, die nach 2010 gebaut wurden."
Schwer verkäuflich: schlechte Energieeffizienzklassen
Auf der Webseite Immoscout 24 jedoch ignorieren etliche Interessentinnen und Interessenten mittlerweile von vornherein Angebote in den schlechteren Energieeffizienzklassen E bis H. "Viele Kunden filtern mit Energieklasse D oder besser", sagte Geschäftsführerin Gesa Crockford bei einer Veranstaltung des Frankfurter Maklerhauses von Poll Immobilien.
"Mieter stellen diese Frage nicht, aber für Käufer ist das fast existenziell", sagt Stephan Kippes, der Marktforscher des Immobilienverbands Deutschland Süd. Die Käufer hätten ohnehin schon hohe Finanzierungskosten zu tragen, die Energiekosten jedoch würden in den nächsten Jahren voraussichtlich kräftig steigen.
Erdgasversorgung immer teurer
In den Städten wird in den nächsten dreißig Jahren eine steigende Zahl von Wärmepumpen und Fernwärmeanschlüssen allmählich alte Gas- oder Ölheizungen ersetzen. Je weniger Haushalte ans Gasnetz angeschlossen sind, desto teurer wird der Betrieb für Stadtwerke und Energieversorger. Die Kosten werden in Form der Gas-Netzentgelte auf die angeschlossenen Haushalte umgelegt. Schon im nächsten Jahr stehen kräftige Steigerungen in Aussicht. Hinzu kommt die CO2-Abgabe, die ebenfalls steigen werden wird. In Mannheim peilt der Energieversorger MVV eine Abschaltung des dortigen Gasnetzes schon für das Jahr 2035 an. Ähnliche Überlegungen gibt es in vielen anderen Städten.
Der Einfluss des Klimawandels
Das "Network for the Greening of the FInancial System" - eine internationale Arbeitsgemeinschaft von Zentralbanken und Aufsichtsbehörden - geht davon aus, dass der Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten in vielen Ländern einen großen Effekt auf die Immobilienpreise haben könnte. Im ungünstigsten Fall für Eigentümer könnten die Immobilienpreise demnach bis 2050 kräftig fallen - in Deutschland um fast ein Viertel.
Die Volkswirte des Versicherungskonzerns Allianz haben diese Einschätzung in der jüngsten Ausgabe ihres jährlichen "Global Wealth Report" aufgegriffen. "Das sind keine Prognosen, sondern Szenarien", sagt der Ökonom Arne Holzhausen. "Geopolitische Risiken und andere Faktoren, die die Entwicklung beeinflussen könnten, sind darin nicht enthalten."
Verspätetes Handeln könnte teuer werden
Dennoch gilt auch nach Einschätzung des größten deutschen Versicherers: "Insgesamt sehen wir die Gefahr, dass halbherzige oder verzögerte Klimapolitik den gesamten Immobilienmarkt nach unten ziehen könnte. Die Häuser, die energetisch nicht Schritt halten, werden am Markt bestraft werden", sagt Holzhausen. "Wenn man sich nicht rechtzeitig vorbereitet, wird die Rechnung am Ende meistens teurer."
Das Preisgefälle zwischen energetisch effizienten und unsanierten Immobilien ist jedoch regional unterschiedlich. "In regionalen Märkten mit höherer Leerstandsquote dürfte eine weitere Steigerung der Preisabschläge wahrscheinlich sein", erwartet Sören Gröbel, Leiter der Wohnungsmarktforschung des Immobiliendienstleisters JLL in Deutschland.
Größeres Preisgefälle auf dem Land
In Regionen mit höheren Leerstandsquoten waren Wohnimmobilien der beiden schlechten Kategorien G und H demnach im ersten Quartal bereits um über die Hälfte billiger als diejenigen der besten Effizienzklassen A und A+. "Eigentümer energetisch schlechter Immobilien werden in Zukunft immer größere Schwierigkeiten bei der Vermietung, beim Verkauf und auch bei der Finanzierung ihrer Immobilien bekommen", sagt Gröbel.
Im nächsten Jahr Anstieg der Durchschnittspreise zu erwarten
Im nächsten Jahr sind nach Einschätzung der meisten Fachleute im Schnitt keine weiter sinkenden Immobilienpreise zu erwarten. "Der Wunsch der Menschen nach den eigenen vier Wänden ist ungebrochen groß - auch, weil der Mietmarkt zunehmend unattraktiver wird", sagt Interhyp-Vorstandschef Jörg Utecht zu den schier unaufhaltsam steigenden Mieten. "Wegen der ungebrochen großen Nachfrage sowie des begrenzten Angebots aufgrund des lahmenden Neubaus gehen wir davon aus, dass die Immobilienpreise auch im kommenden Jahr weiter steigen werden."