Vorsorge

Rente mit 70? Arbeitgeber fordern flexibles Rentenalter – Gewerkschaften protestieren

Lesezeit: 2 min
07.02.2025 14:28
Arbeitgeber fordern Rentenreform zur Stabilisierung der Sozialsysteme.
Rente mit 70? Arbeitgeber fordern flexibles Rentenalter – Gewerkschaften protestieren
Wie lange müssen wir bald arbeiten? (Foto: dpa).
Foto: Tim Brakemeier

Kurz vor der Bundestagswahl fordern Deutschlands Arbeitgeberverbände eine Anhebung des Rentenalters in Abhängigkeit von der Lebenserwartung. „In den Wahlprogrammen und im Wahlkampf kommen die Sozialsysteme zu kurz“, kritisierte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger gegenüber der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Um die Rentenkassen langfristig zu stabilisieren, sei eine solide Einnahmebasis notwendig. „Deshalb brauchen wir eine Dynamisierung des Rentenalters“, betonte Dulger. Bereits in der Vergangenheit hatten ähnliche Forderungen zu heftigen Reaktionen geführt. Nach geltendem Recht wird das Renteneintrittsalter bis 2031 schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Seit 2024 steigt die Altersgrenze in Zwei-Monats-Schritten für die Geburtsjahrgänge ab 1959. Für alle ab dem Jahrgang 1964 gilt schließlich die Regelaltersgrenze von 67 Jahren.

Gewerkschaften warnen vor sozialen Härten und Altersarmut

Kritik an Dulgers Vorschlag kam umgehend vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und der SPD. „Wenn das im Ernst die großen Ideen der Arbeitgeber für ein zukunftsfähiges Deutschland sein sollen, dann wären die Aussichten zappenduster“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. „Auch Arbeitgeberpräsident Dulger muss endlich begreifen, was kluge Arbeitgeber längst wissen: Unternehmen gewinnen und halten Fachkräfte dort, wo gute Arbeitsbedingungen herrschen und Beschäftigte gesund bis zur Rente arbeiten können und wollen.“

Piel warnte, dass eine Erhöhung des Rentenalters automatisch Rentenkürzungen für viele bedeuten würde. „Und das trifft immer diejenigen am meisten, die lange Jahre hart gearbeitet haben.“

Auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, äußerte sich kritisch: „Ich finde es schade, dass den Arbeitgebern keine Alternativen zum Sozialabbau einfallen.“ Sie forderte stattdessen Impulse zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen: „Wo sind die Vorschläge, damit alle Menschen gesund bis zur Rente arbeiten können und sich Arbeit lohnt, indem Löhne steigen?“

Länger arbeiten? Arbeitgeber setzen auf Flexibilität statt starrem Renteneintritt

Dulger sprach sich dafür aus, mehr Anreize für ältere Menschen zu schaffen, auch über das Renteneintrittsalter hinaus erwerbstätig zu bleiben. „Viele würden gern länger arbeiten, auch weil sie den regelmäßigen Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen schätzen – etwa wenn die Kinder aus dem Haus sind.“

Dabei gehe es nicht um harte körperliche Arbeit bis ins hohe Alter. „Wer 40 Jahre lang Fliesen gelegt hat, kann vielleicht nicht mehr körperlich schwer arbeiten. Aber seine Erfahrung macht ihn ideal für die Arbeitsvorbereitung oder den Einkauf.“ Eine dynamische Altersgrenze sei daher eine Lösung, die den Menschen besser gerecht werde.

Dulger betonte zudem, dass es nicht um eine starre Erhöhung des Rentenalters gehe. „Ich will keine Diskussion darüber, dass es jetzt X, Y oder Z Jahre bis zum Renteneintritt sein sollen. Wir sollten uns ernsthaft damit auseinandersetzen, die Rente an die durchschnittliche Lebenserwartung zu koppeln.“ Eine breite gesellschaftliche Debatte sei notwendig.

Steigende Lohnnebenkosten: Weniger Netto vom Brutto als Gefahr für den Arbeitsmarkt?

Ein weiteres Problem sieht Dulger in den steigenden Lohnnebenkosten, die aus seiner Sicht zu weniger Netto vom Brutto für die Beschäftigten führen. „Unsere Sozialsysteme müssen dringend reformiert werden. Wir alle wissen, dass wir immer älter werden. Wir alle wissen, dass wir immer mehr Leistungsempfänger haben werden – und immer weniger Einzahlende.“

Die Lohnzusatzkosten seien bereits auf über 40 Prozent gestiegen und würden weiter steigen. „Arbeit macht nur dann Spaß, wenn sie gut bezahlt ist und die Beschäftigten auch mit ordentlich Netto vom Brutto nach Hause gehen“, so Dulger.

Auch das Pflegesystem müsse reformiert werden. „Jeder möchte sich im Alter in guten Händen wissen. Aber es muss auch bezahlbar bleiben – wir brauchen Generationengerechtigkeit.“

Ruf nach Reformen: Arbeitgeber pochen auf politische Debatte zur Sozialpolitik

Dulger fordert, dass sich die Politik intensiver mit der Zukunft der sozialen Sicherungssysteme befasst. „Ich wünsche mir einmal pro Jahr eine echte Debatte im Deutschen Bundestag über die Zukunftsfähigkeit unserer sozialen Sicherungssysteme.“

Er kritisierte, dass viele Politiker eine Rentenreform als „politischen Selbstmord“ betrachten würden. „Aber wir müssen da ran.“

Auch im Gesundheitssystem sieht er dringenden Reformbedarf, um es effizienter zu gestalten. Zudem müsse die Politik das erst 2023 eingeführte Bürgergeld nachbessern. „Arbeit muss sich immer deutlich mehr lohnen als Nicht-Arbeit.“ Es gebe Fälle, in denen Alleinerziehende mit mehreren Hilfsleistungen trotz Mehrarbeit kaum mehr Geld zur Verfügung hätten.

Dulger warnte, dass dies zu Frustration bei arbeitenden Menschen führe: „Viele Menschen, die zur Arbeit gehen und stolz darauf sind, sehen das so. Weite Teile der ehemaligen Arbeiterpartei SPD haben das immer noch nicht begriffen.“

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