Jahrelang haben Experten prophezeit, dass Deutschland endlich zum Land der Anleger und Investoren werden würde. Erst im letzten Jahr scheint dieser Trend nun endlich an Fahrt zu gewinnen, denn nach Jahren steigender Sparquoten haben die Deutschen scheinbar den Finanzmarkt für sich entdeckt. Laut des Umfrageunternehmens Civey haben 2020 zwischen 4 und 7,5 Millionen Deutsche erstmals in Aktien, ETFs oder Fonds investiert.
Das ist grundsätzlich erstmal eine erfreuliche Nachricht. Doch gerade Privatanleger, die zum ersten Mal in Aktien investieren, begehen oftmals vermeidbare Fehler. Damit sie sich durch dieses Handeln keine blauen Flecken holen und sich gleich wieder vom Finanzmarkt verabschieden, haben wir ihnen die häufigsten Fehler beim Aktienkauf aufgelistet – und wie sie sich vermeiden lassen.
Fehler Nr. 1: Keine Grundkenntnisse
Der größte Fehler von Aktienanfängern ist es, vollkommen ohne Basiswissen in den Finanzmarkt einzusteigen. Man muss nicht Betriebswirtschaft studiert haben, um Aktien zu handeln, aber gewisse Grundkenntnisse über Wirtschaft und Finanzen sind unerlässlich, um langfristig Erfolg am Aktienmarkt zu haben. So neigen Anfänger dazu, überteuerte Preise für Aktien zu bezahlen, nur weil sie gerade im Trend liegen. Damit werden sie zum sprichwörtlichen „greater fool“ – dem „größeren Narr“ – den es an der Börse aus Sicht von Profis zu finden gilt, damit er einem das überteuerte Wertpapier abnimmt. Daher sollten sich Anfänger vor einem Einstieg in den Aktienmarkt erst einmal mit den Grundlagen auseinandersetzen: Wie funktioniert die Börse? Wie kommen Aktienpreise zustande? Wie berechne ich als Privatanleger meine reale Rendite (also abzüglich aller Kosten)? Erst wenn man sich bei der Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen sicher fühlt, sollte man den Sprung an die Börse ins Auge fassen.
Fehler Nr. 2: Fehlende Risikostreuung
Der zweite Fehler, den Laien gern begehen, ist die sprichwörtlichen Eier alle in einen Korb zu legen. Wenn sie einmal ein interessantes Unternehmen identifiziert haben, das eine Investition lohnt, risikieren sie gleich den Großteil ihres frei verfügbaren Kapitals. Das Stichwort hier lautet Diversifikation (Risikostreuung). Wenn Aktienanleger ihre Investitionen zu wenig streuen, riskieren sie sogenannte Klumpenrisiken. Sollte die Börse eine Zeit fallender Kurse erleben, fällt das gesamte Depot in den roten Bereich. Eine Untersuchung von Finanztest kam zu dem Schluss, dass Direktbankkunden im Schnitt nur 12 Aktien in ihrem Depot haben – zu wenige, um Klumpenrisiken zu vermeiden. Diese Risiken lassen sich etwas senken, in dem man als Privatanleger in Unternehmen aus verschiedenen Sektoren investiert und idealerweise sogar Investitionen identifiziert, die sich gegeinander aufwiegen. Experten sprechen vom „hedging“ (daher der Begriff Hedgefonds). Fällt der eine Aktienkurs im Portfolio, steigt der andere. Natürlich soll am Ende kein Nullsummenspiel daraus werden, sondern idealerweise steigen beide Werte langfristig an. Ein weiterer Weg, um einfach die Risikostreuung zu erhöhen, können ETFs sein.
Fehler Nr. 3: Keine Risikoprüfung
Der dritte Fehler von Privatanlegern besteht darin, blind irgendwelchen Kaufempfehlungen zu folgen. Doch auch als Privatanleger sollte man vor jeder Investition immer eine Risikoprüfung durchführen und das Unternehmen einmal auf Herz und Nieren abklopfen. Zu allererst sollte immer die Frage stehen, was das Unternehmen als Geschäftsmodell betreibt. Wie erwirtschaftet das Unternehmen Umsätze? Hierbei gilt: Wenn man als Privatanleger nicht versteht, wie ein Unternehmen Geld verdient, sollte man die Finger von der Investition lassen. Besonders als Aktienamateur sollte man nur in Unternehmen investieren, deren Zweck man einfach nachvollziehen kann. Ein weiterer Ansatz für eine Risikoprüfung können Einschätzungen von Analysten zu einer Aktie sein. Dabei sollte man sich ebenfalls nicht auf eine Einzelmeinung verlassen, sondern sich ein breites Bild verschaffen. Und schließlich – je nach Kenntnisstand des Privatanlegers – kann der Blick in die Bilanzen bei einer Risikoprüfung sehr aufschlussreich sein. Dort finden sich die Risiken der Investition, seien es rückläufige Cashflows, stagnierende Umsätze oder aufgeblähte Kostenstrukturen.
Fehler Nr. 4: Ohne Stoppkurse arbeiten
Ein weiterer klassischer Anfängerfehler ist der Aktienhandel ohne Stoppkurse. Ein Stoppkurs bezeichnet den Aktienpreis, bis zu dem die Aktie gehalten werden soll. Ist der Stoppkurs erreicht, wird die Aktie automatisch verkauft (so sich denn ein Käufer findet), um weitere Verluste zu vermeiden. Der Stoppkurs bildet also so etwas wie die Schmerzgrenze des Anlegers. Bei jedem modernen Broker kann man als Privatanleger Stoppkurse für seine Aktientitel festsetzen. Und von dieser Möglichkeit machen leider noch zu wenige Anleger Gebrauch. Wer als Aktieninvestor nicht ständig sein Depot im Auge behalten und stattdessen ruhiger schlafen möchte, der legt für jede Aktie einen Stoppkurs fest. Die Stoppkurse sollten immer mal wieder überprüft und gegebenenfalls nachjustiert werden. Steigt die Aktie im Wert, sollte auch der Stoppkurs nach oben korrigiert werden.
Fehler Nr. 5: Aktien auf Kredit kaufen
Der nächste Fehler sollte eigentlich selbstverständlich sein, doch er wird leider noch zu häufig von Privatanlegern begangen. Beim Aktienhandel sollte man nur Geld investieren, auf das man im Zweifelsfall verzichten kann. Wer kein frei verfügbares Kapital zum Investieren hat, sollte sich als Anfänger kein Geld zum Investieren leihen. Aktienkäufe auf Kredit sind ein hochriskantes Mittel für Profis. Sie nehmen einen Kredit für Aktiengeschäfte auf, in der Hoffnung, mit den Gewinnen den Kredit abzulösen und noch einen Profit dabei zu machen. Für Beginner im Aktienhandel ist das allerdings ein Rezept für Desaster. Denn wenn die Kurse wider Erwarten nicht steigen, sondern fallen, fordert die Bank den Anleger zur Nachschusspflicht auf („Margin Call“). Je nach Kursverlauf kann der Verlust dann den ursprünglichen Einsatz um ein Vielfaches übersteigen und im schlimmsten Fall zur Privatinsolvenz führen.
Fehler Nr. 6: Aktienoptionen handeln
Ähnliches gilt für den Handel mit Aktienoptionen. Aktienoptionen erlauben es, ein Wertpapier zu einem festgelegten Preis zu kaufen oder zu verkaufen. Mit Aktienoptionen kann man auch auf steigende (Call-Option) oder fallende (Put-Option) Kurse wetten. Optionen sind an den Kurs einer Aktie gebunden, sie gehören daher zu den sogenannten Derivaten (abgeleitete Wertpapiere). Optionsscheine sind aufgrund ihrer Hebelwirkung besonders risikoreich. Denn Privatanleger können hierbei im schlechtesten Fall mehr Geld verlieren als sie eingesetzt haben. Hat ein Privatanleger eine Option gekauft – also das Recht, eine Aktie zu einem festgelegten Preis zu erwerben – liegt das schlechteste Szenario im Verfall der Option, egal wie sich der Aktienkurs entwickelt. Denn als Käufer kann man selbst entscheiden, ob man die Option zum Kauf der Aktie nutzt oder nicht. Ist man allerdings Verkäufer einer Option, können sich die Verluste schnell hochschaukeln. Verkauft man beispielsweise eine Option für eine Aktie zu einem Preis von 100 Euro und der Kurs der Aktie steigt auf 200 Euro, hat man nicht nur Verlust mit dem Handel der Option gemacht, man muss dem Käufer auch noch das Wertpapier zum halben Preis überlassen.
Fehler Nr. 7: Kurzfristig und emotional handeln
Der häufigste Fehler, den Aktienneulinge begehen, ist kurzfristig zu handeln und sich dabei von Emotionen lenken zu lassen. Das lässt sich gut anhand einer Studie zeigen, die im Auftrag von Finanztest durchgeführt wurde. Die Forscher untersuchten die Aktiendepots von 40.000 Direktbankkunden zwischen 2005 und 2015. Die durchschnittliche Rendite lag bei 3,1 Prozent und damit deutlich unter der Marktrendite in diesem Zeitraum von 8,7 Prozent. Den Privatanlegern der Direktbanken waren also die große Gewinne dieser Zeit entgangen. Den Forschern zufolge lag das nicht etwa an mangelndem Börsenwissen, sondern an kurzfristigem Handeln und blindem Aktionismus. Denn Privatanlegern fehlt oft die Ruhe und Nervenstärke auch in Zeiten fallender Kurse an den Wertpapieren festzuhalten. Andersrum neigen sie dazu, in Zeiten steigender Kurse zu früh zu verkaufen. Und schließlich handelten die Privatanleger ihre Aktien zu häufig, was die Transaktionskosten erhöhte und die Rendite schmälerte. Stattdessen sollten sich Privatanleger eine mittel- bis langfristige Strategie zulegen und sich von kurzzeitigen Marktturbulenzen nicht aus der Fassung bringen lassen.
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