Analyse von David Wehner, Senior Portfoliomanager bei Do Investment AG:
Uns wurde in den ersten Monaten dieses Jahres und seit der Finanzkrise noch nie so klar vor Augen geführt, inwieweit sich die Finanzwelt von der Realwirtschaft entfernt hat. Kleinanleger, die sich über Social-Media-Plattformen zusammenschließen und Hedge-Fonds unter Druck setzen, Mega-Caps, die mit ihren Bitcoin-Investitionen mehr verdienen als mit ihrem Kerngeschäft, unprofitable Unternehmen mit Rekordbewertungen, Börsentipps und Tesla-Analysen im SAT.1 Frühstücksfernsehen. Kurzum: Die Börse wurde in den vergangenen Monaten in einen Zirkus verwandelt.
Die Gründe für diese Entwicklung sind einfach – und erschreckend zugleich: Die extrem lockere Geldpolitik der letzten zwölf Monate und die anhaltend expansive Fiskalpolitik haben zu starken Überbewertungen oder sogar zu Blasen in einigen Sektoren geführt. Zudem wird diese Entwicklung von bekannten Persönlichkeiten, wie Elon Musk, befeuert, die sich einen Spaß daraus machen, Aktien oder Kryptowährungen durch eine Nennung bei Twitter nach oben zu treiben. Das Mantra lautet „Stonks only go up“
Extreme Fallhöhen, neue Hypes
Es ist richtig, dass die Aufwärtsphasen an den Kapitalmärkten weitaus länger andauern als die Abwärtsphasen. Darüber hinaus haben sich die Märkte daran gewöhnt, dass die Zentralbanken bei jeder Marktkorrektur intervenieren. Allerdings kommt es bei den Korrekturen auf die Fallhöhe an – und diese ist in einigen Segmenten extrem. Die unprofitablen Technologiewerte haben den „“S&P 500“-Aktienindex in den ersten sechs Wochen des laufenden Jahres um 30%-Punkte in der Performance übertroffen. Insgesamt 750 Unternehmen des breiten Aktienindex Russell 3000 haben eine Ein-Jahres-Performance von über 50 %. Dabei sind die Covid-19-bedingten Tiefstände aus März 2020 noch nicht in diesen Zahlen enthalten.
Zusätzlich hat sich ein neuer Hype um die sogenannten Special Purpose Acquisition Companies (SPACs) etabliert. Dabei nimmt eine Mantelgesellschaft, eine SPAC, über einen Börsengang Kapital auf, das sie anschließend in die Übernahme eines zuvor nicht spezifizierten anderen Unternehmens steckt. Jedem zweiten Unternehmen gelingt also ein Börsengang ohne Prospekt; der Investor kauft bei SPACs sprichwörtlich die Katze im Sack.
Die ersten Nebeneffekte dieser Übertreibungen sind mittlerweile zu erkennen. Aktien wie Gamestop und AMC Entertainment haben ihre Höchststände längst verlassen und sind um bis zu 90 % gefallen. Das Unternehmen Workhorse Group Inc, das elektrische Lieferwagen herstellt, mit einem Umsatz von 100.000 US-Dollar und kürzlich einer Bewertung von 1,5 Mrd. US-Dollar, hat sich von seinem Hochpunkt gedrittelt – nachdem es einen wichtigen Auftrag der US-Post nicht erhalten hat.
Zentralbanken: Rechts ist das Gas
Den Gesamtmarkt haben diese Ereignisse bislang nicht stark in Mitleidenschaft gezogen. Denn: Bis jetzt ist klar, dass die Zentralbanken – trotz einer besseren Konjunktur und einer steigenden Inflation – geldpolitisch das Gaspedal weiterhin durchdrücken werden. Zudem steht neues Helikoptergeld bereit. So wird die US-Regierung voraussichtlich im März ein neues Stimuluspaket in Höhe von 1,9 Billionen US-Dollar verabschieden. Ein Infrastrukturprogramm mit einem Volumen von 3,5 Billionen US-Dollar ist ebenfalls in der Pipeline. Die daraus resultierenden Inflationsimpulse werden die Zentralbanken mit neuen Maßnahmen wie der Zinsstrukturkurvenkontrolle eindämmen. Denn eins kann die Weltwirtschaft und der Aktienmarkt überhaupt nicht vertragen: steigende Zinsen.
„Old but gold“
Doch es gibt sie noch, die unterbewerteten „Boomer“-Aktien, die so herkömmliche Dinge machen wie einfach Waren zu produzieren. Es sind die Verlierer der vergangenen zehn Jahre, die von einer guten Konjunkturaussicht und steigender Inflation profitieren. Industriewerte, Chemie- und Rohstoffunternehmen als auch Automobilkonzerne werden zu den Gewinnern nach der Covid-19-Pandemie gehören. Gold wird ebenfalls von der steigenden Inflation und negativen Realzinsen profitieren und seine Konsolidierungsphase seit August 2020 beenden. Bei den Trends der vergangenen zwölf Monate sollte man hingegen zur Vorsicht neigen.
Die Do Investment AG ist Teil der Unternehmensgruppe von Silvius Dornier. Eingebunden in ein Netzwerk und in enger Verknüpfung mit dem Family Office der Familie Silvius Dornier werden Privatpersonen, mittelständische Unternehmerfamilien, konservative Institutionen und Stiftungen ganzheitlich in allen Fragen der Vermögensplanung und des Vermögensmanagements betreut.
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