Vorsorge

Wegen Corona: Wirtschaftsexperten raten zu späterer Rente

Lesezeit: 3 min
15.04.2021 17:00
Das Rententhema wird eines der wichtigsten im kommenden Bundestagswahlkampf. Führende Wirtschaftsinstitute raten jetzt zu einem höheren Eintrittsalter für die Rente. Als Grund wird das Corona-bedingte Haushaltsdefizit genannt.
Wegen Corona: Wirtschaftsexperten raten zu späterer Rente
Länger arbeiten wegen Corona? Gute Idee, finden führende Wirtschaftsexperten. (Foto: Pixabay)

Die Corona-Krise reißt ein tiefes Loch in den Staatshaushalt, gleichzeitig gibt es wegen der älter werdenden Bevölkerung bald immer weniger Erwerbstätige. Deshalb raten die führenden Wirtschaftsinstitute zu einem späteren Beginn der Rente. Es werde eine Herausforderung, die Staatsfinanzen nach der Pandemie wieder auf eine solide Basis zu stellen, so die. Vor allem die perspektivisch steigenden Ausgaben für die Rentenversicherung spielten dabei eine große Rolle.

„Die eleganteste Lösung wäre eine langsame, schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters“, sagte Oliver Holtemöller vom Institut für Wirtschaftsforschung (IWH). Ein höheres Rentenalter könne die Staatsfinanzen stützen, ohne bei wichtigen Zukunftsinvestitionen auf die Bremse treten zu müssen. Ebenfalls helfen könnte aus Sicht der Wirtschaftsforscher eine stärkere Zuwanderung auf dem Arbeitsmarkt.

Wegen der dritten Infektionswelle trifft die Corona-Pandemie die Wirtschaft härter als noch im Herbst angenommen. Die Experten rechnen damit, dass die Wirtschaftslage noch bis zum Ende des Lockdowns vor allem im Dienstleistungssektor schwierig bleibt. Eine Lockerung der Maßnahmen sei erst gegen Mitte des Jahres zu erwarten. Dann aber werde sich das wirtschaftliche Geschehen in vielen Bereichen rasch normalisieren. Bis Jahresende könne der Aufholprozess abgeschlossen sein.

Woher kommt die Zuversicht aus der Politik?

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zeigte sich zuversichtlich: „Wir können in diesem Jahr den Wirtschaftseinbruch nicht nur stoppen, sondern umkehren und im nächsten Jahr wieder alte Stärke erreichen.“ Trotz des langen und schweren Pandemieverlaufs sei die Wirtschaft in einer robusten Verfassung. Schon ab Mitte des zweiten Quartals werde der Erholungsprozess durch den fortschreitenden Impfprozess einen Schub bekommen, so Altmaier.

Trotz dieser Aussichten korrigierten die Institute ihre Prognose nach unten. Sie erwarten, dass die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 3,7 Prozent zulegt – noch im Herbst hatten sie mit 4,7 Prozent gerechnet. Die Bundesregierung hatte ihre eigene Prognose unter dem Eindruck der zweiten Corona-Welle zuletzt auf 3,0 Prozent gesenkt. Am 27. April will sie die sogenannte Frühjahrsprojektion vorstellen, in die auch Prognosen der Institute einfließen soll. Altmaier geht davon aus, dass der Wert dann wegen der Hilfsmaßnahmen und der guten Industrieentwicklung „deutlich über den bisherigen Prognosen der Bundesregierung liegt“.

Dienstleistungssektor steht still

Besonders die Industrie sei robust, sagte der Wirtschaftsminister. Das hänge damit zusammen, dass internationale Lieferketten in der zweiten Welle nicht zerbrochen seien. Die Industrie profitiert vor allem von der Nachfrage aus China und den USA, wo sich die Wirtschaft zuletzt besser entwickelte als in Europa. Diese beiden Länder seien auch die „Zugpferde für die Weltwirtschaft“, sagte Klaus Weyerstrass vom Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien.

Der Dienstleistungssektor steht in Deutschland hingegen weitgehend still. Viele Bürger verzichteten gerade aufs Geldausgeben, auch um sich vor Infektionen zu schützen. Der erhoffte Aufschwung im zweiten Halbjahr dürfte nach Einschätzung der Institute vor allem stark vom Erfolg der Impfkampagne und damit verbundenen Lockerungen der Corona-Regeln abhängen.

Nicht alle blicken so positiv wie Altmaier auf die Diagnose. „Dass die Konjunkturprognose nach unten korrigiert werden musste, zeigt deutlich: Die Bundesregierung muss endlich die Weichen für mehr Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze stellen“, sagte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer. Es stünden vor allem im Dienstleistungssektor abertausende Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Reiche werden verschont

Altmaier wandte sich vor diesem Hintergrund auch gegen Steuererhöhungen für Vermögende. Es sei „Gift für die wirtschaftliche Entwicklung und damit für die Arbeitsplätze“, wenn mitten in der Krise neue Belastungen für Unternehmen hinzukämen. „Ich bin sehr dafür, dass wir in dieser akuten Phase der Pandemie Bekämpfung keine neuen Verunsicherungen wecken“, betonte er.

Sobald die staatlichen Hilfsmaßnahmen für Unternehmen auslaufen, wird nach Erwartung der Institute auch die Zahl der Insolvenzen ansteigen. Eine Pleitewelle sei aber nicht zu erwarten – auch wenn die bisher niedrigen Insolvenzzahlen vor allem auf die staatlichen Hilfen und das Aussetzen der Anmeldepflicht zurückzuführen seien. In der Corona-Pandemie sei die Zahl der Insolvenzen sogar ungewöhnlich zurückgegangen, sagte Oliver Holtemöller vom IWH. „Das spricht dafür, dass Unternehmen gerettet worden sind, die es ohne die Krise gar nicht mehr gegeben hätte.“ Die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, ist unter bestimmten Voraussetzungen noch bis Ende April ausgesetzt.

Die sogenannte Gemeinschaftsdiagnose der Institute wird zweimal im Jahr im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt, im Frühjahr sowie im Herbst.

Mehr zum Thema lesen Sie hier:

Riester-Rente droht das Aus

So viel Geld brauchen Sie im Alter

Rentenerhöhung fällt für Millionen Bürger aus

Gewerkschaften warnen vor „Rentenkürzung durch die Hintertür“

Von wegen Ruhestand: Gewonnene Lebensjahre werden mit Arbeit verbracht

Parteien streiten nach CDU-Vorstoß zur Streichung des einheitlichen Rentenalters

***

Altersvorsorge-neu-gedacht.de ist eine Publikation von Bonnier Business Press Deutschland und ist Ratgeber zu den Themen Vorsorge und Geldanlage.

ANG
Geldanlage
Geldanlage Börse Frankfurt-News: ETFs: Jetzt "America first"
01.07.2025

Lieber europäische als US-amerikanische Aktien? Das ist vorbei. Im Moment kommen US-Werte besser an. Außerdem bleiben Rüstungs-ETFs...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Experten fordern: Ältere Menschen besser vor Hitze schützen
01.07.2025

Ältere Menschen sind bei starker Hitze besonders gefährdet. Beim Schutz dieser Gruppe hat Deutschland einer Analyse zufolge deutlichen...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Koste

ANG
Immobilien
Immobilien Wohnen bleibt Luxus: Immobilienpreise steigen weiter deutlich
30.06.2025

Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland sind erneut gestiegen. Laut dem Statistischen Bundesamt lagen die Kaufpreise für Häuser und...

ANG
Börse
Börse Northvolt-Insolvenz: Staatliche Förderung im Fokus des Haushaltsausschusses
24.06.2025

Die Insolvenz des schwedischen Batterieherstellers Northvolt hat nun auch politische Konsequenzen auf Bundesebene: Am Mittwoch befasst sich...

ANG
Geldanlage
Geldanlage Deutschlands herrenlose Konten: Bundesregierung will auf Gelder von Privatkonten zugreifen
24.06.2025

Union und SPD möchten jetzt an die Ersparnisse ran: Guthaben von inaktiven Konten sollen dem Staat zugeschlagen werden, um einen Fonds...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Neuer Tarifvertrag stärkt Altersvorsorge für Filmschaffende
23.06.2025

Nach jahrelangen Verhandlungen wurde nun ein entscheidender Fortschritt erzielt: Die Gewerkschaft Verdi, die Schauspielergewerkschaft BFFS...

ANG
Geldanlage
Geldanlage 10.000 Euro investieren: Wie man mit Strategie ein stabiles Anlageportfolio aufbaut
17.06.2025

Mit 10.000 Euro Vermögen starten? Experten raten zu Diversifikation, ETF-Strategien, Anleihen und Zukunftsthemen wie KI, Verteidigung,...