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Im Rausch des Booms: Was Anleger über Cannabis-Aktien wissen sollten

Lesezeit: 8 min
31.05.2021 17:14  Aktualisiert: 31.05.2021 17:14
Cannabis als Anlageobjekt: Was bis vor einigen Jahren noch völlig abwegig wirkte, ist heute im Mainstream angekommen. Anleger wurden seit 2018 auf der Suche nach renditeträchtigen Anlageobjekten immer häufiger mit Cannabis-Aktien konfrontiert. Doch auf die erste Goldgräberstimmung folgte der Kater. Lohnt sich ein Investment heute noch?
Im Rausch des Booms: Was Anleger über Cannabis-Aktien wissen sollten
In immer mehr Ländern wird Cannabis legalisiert. (Foto: iStock.com/viennetta)
Foto: viennetta

Cannabis hat es in den letzten Jahren immer wieder in die Schlagzeilen der Wirtschafts- und Finanzpresse geschafft. Grund war eine Welle der Entkriminalisierung in vielen Ländern. Damit ging eine regelrechte Goldgräberstimmung einher. Unternehmen, die sich auf den Anbau und Vertrieb der Nutz- und Heilpflanze spezialisiert haben, schossen wie Pilze aus dem Boden. Die Aktien dieser Unternehmen konnten zum Teil auch an der Börse gehandelt werden und bescherten Anlegern der ersten Stunde hohe Gewinne.

Legalisierung von Cannabis führte 2018 zu Börsenrally

Der Boom begann in Kanada. Dort wurde Cannabis bereits 2001 für medizinische Zwecke legalisiert. Schmerzpatienten konnten seitdem per Rezept an staatlich kontrollierten Ausgabestellen auf die Heilpflanze zurückgreifen. 2018 hat Kanada dann auch den privaten Gebrauch von Cannabis entkriminalisiert. Damit war Kanada die erste Industrienation (und nach Uruguay das zweite Land überhaupt), das Cannabis vollständig legalisiert hat.

Es folgte eine Legalisierungswelle in den USA. In den meisten US-Bundesstaaten ist Cannabis inzwischen zu medizinischen Zwecken erlaubt. Darüber hinaus haben 16 US-Bundesstaaten Cannabis als Rauschmittel zum privaten Konsum für Bürger über 21 Jahren legalisiert. Auch in Deutschland folgte 2017 eine Teillegalisierung. Seitdem dürfen Ärzte Cannabis zu medizinischen Zwecken an Patienten verschreiben.

Die Erwartungen der Finanzindustrie an die junge Branche waren hoch. Die Aktien der Cannabis-Produzenten standen 2018 hoch im Kurs und lösten einen regelrechten Boom aus. Sie gehörten mit teilweise dreistelligen Gewinnzuwächsen zu den Überfliegern am Börsenparkett. Zudem wurden hohe Erwartungen an die medizinische Nutzung der Heilpflanze gestellt. Die Hoffnung der Investoren war, dass bald pharmazeutische Produkte auf Cannabis-Basis für den Markt entwickelt und freigegeben würden.

Auch die Lebensmittel- und Getränkeindustrie sprang auf den Cannabis-Zug auf. Getränkehersteller wie Molson Coors und Heineken verkündeten Pläne für die Entwicklung von Lifestyle-Getränken auf Cannabis-Basis und taten sich dafür mit großen Produzenten zusammen. Sogar Coca-Cola kündigte ein Produkt an, dass den Cannabis-Wirkstoff Cannabidiol (CBD) enthalten sollte. Der Wirkstoff CBD wirkt beruhigend und entfaltet im Gegensatz zum anderen Hauptbestandteil von Cannabis, Tetrahydrocannabinol (THC), keine berauschende Wirkung.

Auf die Goldgräberstimmung der ersten Tage folgte der Kater

Doch auf den ersten Hype folgte die Ernüchterung. 2019 brach der Markt für Cannabis-Aktien stark ein. Einige Wertpapiere verloren zwei Drittel und mehr ihres Wertes. Einer der Hauptgründe hinter dem Einbruch waren die übertriebenen Erwartungen der Anleger. Am Beispiel Kanada lässt sich das gut verdeutlichen. Die junge Branche kämpft dort noch immer mit Problemen. Es gibt dort beispielsweise noch immer zu wenige lizenzierte Verkaufsstellen, was zu Überkapazitäten und hohen Lagerbeständen führte.

Das wiederum reduzierte die Margen und erhöhte zugleich die Lagerkosten der Produzenten, was mit erheblichen Gewinneinbußen verbunden war. Auch der nach wie vor bestehende Schwarzmarkt ist für die Branche ein Problem. Laut offiziellen Statistiken konnte bisher erst rund ein Fünftel des illegalen Handels in staatlich kontrollierte Kanäle gelenkt werden. Dadurch stellten sich viele anfangs aufgestellte Gewinnerwartungen als übertrieben heraus.

Dazu kommt die Tatsache, dass der Cannabis-Markt nach wie vor sehr abhängig von politischen Entscheidungen ist. So mussten die Getränkehersteller etwa viele ihrer ursprünglichen Pläne wieder auf Eis legen, weil die regulatorischen Anforderungen unklar sind. Die Politik fordert hier strenge Auflagen, blieb die konkrete Ausarbeitung derselbigen aber bislang schuldig. Auch bei der Vergabe der lizenzierten Verkaufsstellen hinkt die Politik dem Markt hinterher.

US-Wahl befeuerte Hoffnungen auf eine baldige Erholung des Marktes

Und schließlich führte noch ein generelles Überangebot zum Preiseinbruch der Cannabis-Aktien. Durch den anfänglichen Boom drängten zu viele Unternehmen auf den jungen Markt und erzeugten ein Überangebot, dass auf zu wenig Nachfrage stieß. Experten gehen davon aus, dass es noch Jahre dauern könnte, bis sich Angebot und Nachfrage auf ein stabiles Maß eingepegelt haben. Der Kater an Börse war also in gewisser Hinsicht auch die notwendige Konsolidierung des Marktes. Viele Unternehmen werden pleitegehen, doch einige wenige werden den Markt unter sich aufteilen.

Nach der Katerstimmung 2019 folgte mit der Wahl Joe Bidens neue Hoffnung. Denn die Demokraten kündigten zuvor an, sich für eine Legalisierung von Cannabis auf Bundesebene einsetzen zu wollen. Entsprechend reagierten Cannabis-Aktien. Nach der Wahl stiegen die Kurse stark an, doch Anfang 2021 ging es bei vielen Titeln wieder in die gegenteilige Richtung. Nichtsdestotrotz sieht die Zukunft der Branche rosig aus, zumindest wenn man diversen Börsenexperten glauben schenkt. Die Analysten von Morning Star etwa prognostizieren, dass sich der Markt bis 2030 verzehnfachen wird. Für Anleger bietet dies die Möglichkeit vom nächsten Cannabis-Boom zu profitieren.

Diese Cannabis-Aktien sollten Sie im Blick behalten

Weltweit sind derzeit 160 verschiedene Cannabis-Aktien an der Börse handelbar. In Deutschland können Anleger aus rund 60 verschiedenen Aktien wählen. Wir stellen Ihnen vier Cannabis-Aktien bekannter Unternehmen vor, die sie auf Ihrer Watchlist haben sollten. Alle hier vorgestellten Aktien sind der Kategorie Wachstumsaktien zuzuordnen und damit mit einem moderaten bis hohen Risiko verbunden. Sie sollten also nur als Beimischung zum bestehenden Portfolio verwendet werden.

Canopy Growth (ISIN: CA1380351009)

Die Canopy Growth Corporation aus Smith Falls, Ontario, ist eine kanadische Firma in der Branche medizinisches Cannabis. Canopy Growth ist weltweit der größte Cannabis-Produzent und betreibt zehn lizenzierte Produktionsstätten. Dazu verkauft Canopy Growth Cannbis sowohl für medizinische Zwecke als auch für den privaten Konsum. Das kanadische Unternehmen ist größtenteils in Nordamerika und Europa aktiv, aber auch in Australien, Brasilien, Chile und Jamaika. Im Geschäftsjahr 2019/20 konnte Canopy Growth seinen Umsatz um 76 Prozent auf 399 Millionen kanadische Dollar (CAD) steigern. Demgegenüber stand allerdings auch ein Verlust von 1,3 Milliarden CAD, was maßgeblich auf hohe Investitionen und Restrukturierung zurückzuführen war. Die Finanzierung con Canopy Growth sollte aber mittelfristig gesichert sein, denn zu den Großaktionären zählt Constellation Brands. Der Weltmarktführer bei alkoholischen Getränken hält 38 Prozent der Anteile. Zwischen Juni 2020 und Juni 2021 legte die Aktie insgesamt 6,6 Prozent zu. Aktuell notiert sie bei 21,02 Euro. Eine ausführliche Analyse zur Canopy Growth Aktie finden Sie hier.

Aurora Cannabis (ISIN: CA05156X8843)

Aurora Cannabis ist ein weiteres kanadisches Unternehmen. Das 2013 gegründete Unternehmen aus Edmonton hat sich auf die Herstellung von medizinischen Cannabis spezialisiert. Aurora ist mittlerweile in 24 Ländern auf 5 Kontinenten aktiv. Im März 2019 erhielt Aurora den Zuschlag für den Anbau von medizinischem Cannabis in Deutschland. Ab Oktober 2020 wird das Unternehmen in Leuna eine Tonne Cannabis pro Jahr für deutsche Kunden produzieren. Aurora wurde für seine aggressive Übernahmestrategie bekannt. Das Unternehmen schluckte neun Wettbewerber und zahlte hierfür teilweise Höchstpreise. Seitdem ist die Aurora-Aktie ist unter Druck geraten. Auf die Höhenflüge der Aktie im Jahr 2018 – der Preis versechsfachte sich zwischenzeitlich – folgte die Ernüchterung. Die vielen Übernahmen belasten die Bilanz. So stand im Geschäftsjahr 2019/20 dem Umsatz von 279 Millionen US-Dollar stand ein Verlust von 3,28 Milliarden (!) US-Dollar gegenüber. Der Staranalyst Gordon Johnson von GLJ Research, der schon den Crash der Solarbranche voraussagte, sieht daher schwarz für Aurora. Der Grund: Das Unternehmen erwirtschaftet noch keine Gewinne und die vielen Übernahmen führen zu gigantischen Abschreibungen, die das Unternehmen in die Insolvenz führen könnten. Über das gesamte letzte Jahr verlor die Aktie 46,6 Prozent und notiert aktuell bei 7,41 Euro.

Aphria (ISIN: CA03765K1049)

Aphria Inc. ist ein kanadischer Produzent von medizinischem Cannabis mit Sitz in Leamington, Ontario. Das Unternehmen wurde 2013 gegründet und betreibt mehrere Aufzuchtanlagen sowie Forschungsstandorte weltweit. Aphria betreibt auch eine deutsche Tochtergesellschaft, die im August 2019 die bundesweit erste Cannabis-Produktionsstätte in Neumünster einweihte. Dort soll Cannabis für den medizinischen Bedarf deutscher Patienten angebaut werden. Auf dem Höhepunkt des Cannabis-Booms gehörte Aphria mit einer Marktkapitalisierung von 3,8 Milliarden US-Dollar zu den größten Cannabis-Produzenten der Welt. Den Höhenflug der eigenen Aktie nutzte das Management für Zukäufe auf dem Markt. So kaufte sich das Unternehmen bei der Konkurrenz von Broken Coast Cannabis ein und wickelte den Kauf klugerweise größtenteils in eigenen Aktien ab. Dazu gab das Unternehmen am 3. Mai offiziell die Fusion mit dem Konkurrenten Tilray bekannt, an dem zu Beginn auch Paypal-Gründer Peter Thiel beteiligt war. Das passt in die Strategie des Managements, das davon überzeugt ist, dass am Ende nur einige wenige den Cannabis-Markt übernehmen werden. Die Aphria-Aktie entwickelte sich im letzten Jahr überaus positiv und gehört mit einem Wertzuwachs von rund 230 (!) Prozent zu den Überperformern am Cannabis-Markt. Aktuell notiert sie bei 15,38 US-Dollar.

GrowGeneration (ISIN: US39986L1098)

Die GrowGeneration, Corp. ist ein US-amerikanisches Unternehmen für landwirtschaftliche Produkte. Das Unternehmen besitzt und betreibt Einzelhandelsgeschäfte, in denen es Cannabis-Züchtern die nötigen Hydrokultursystem für den Anbau verkauft. Diese Systeme bestehen aus Pumpen, Tropfsystemen und anderen Komponenten, die den Landwirten den platzsparenden Cannabis-Anbau erleichtern. Zum Höhepunkt des Cannabis-Booms 2018 nutzte auch GrowGeneration die Gunst der Stunde für Zukäufe auf dem Markt. So gab das Unternehmen im Februar die Übernahme von San Diego Hydroponics & Organics bekannt. Damit verfügt GrowGeneration nun über 50 Gartengeschäfte in den USA, darunter 17 in Kalifornien, dem größten Cannabis-Markt im Land. Der Umsatz lag 2020 bei 192 Millionen US-Dollar, was einem Anstieg im Vergleich zum Vorjahr von 140 Prozent entspricht. Dementsprechend positiv entwickelte sich die Aktie. Im letzten Jahr legte sie um 551 (!) Prozent zu und gehört damit zu den absoluten Überfliegern unter den hier aufgelisteten Aktien. Aktuell notiert das Wertpapier bei 41,93 US-Dollar.

Disclaimer: Alle Aktienkurse wurden mit finanzen.net ermittelt (Stand: 28. Mai 2021)

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Altersvorsorge-neu-gedacht.de ist eine Publikation von Bonnier Business Press Deutschland und ist Ratgeber zu den Themen Vorsorge und Geldanlage.

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