Vorsorge

COVID-19: Mehr Lohngefälle – und was Frauen helfen kann

Lesezeit: 6 min
15.03.2021 10:45  Aktualisiert: 15.03.2021 10:45
Die weltweite Pandemie setzt Frauen besonders unter Druck und sorgt für mehr Lohngefälle zwischen den Geschlechtern. Das beeinflusst Bezahlung und Altersvorsorge. 
COVID-19: Mehr Lohngefälle – und was Frauen helfen kann
Zwischen Home Office und Homeschooling: Frauen müssen während der Pandemie viele Aufgaben übernehmen. (Foto: iStock.com/Prostock-Studio)
Foto: Prostock-Studio

Kommentar von James Ashley, Head of the International Market Strategy Team, Strategic Advisory Solutions, Goldman Sachs Asset Management:

Der Women’s History Month März ist eine gute Gelegenheit, über Fortschritte nachzudenken, die weltweit bei der Gleichstellung der Geschlechter erzielt wurden. Zum ersten Mal sitzt im Vorstand eines jeden S&P-500-Unternehmens mindestens eine Frau. Weibliche CEOs gibt es in den USA in allen Wirtschaftszweigen – in der Automobilbranche, im Gesundheitswesen, in der Informationstechnologie, im Energie- und im Finanzsektor. Und weltweit stellen Länder, in denen die Erwerbsbeteiligung von Frauen mindestens 50 % beträgt, 62 % des Welt-BIPs – was die Möglichkeiten unterstreicht, wie Frauen in der Wirtschaft auch weiterhin einen deutlichen Einfluss ausüben.

Es gibt jedoch noch eine Menge zu tun. Gemäß globaler Maßstäbe der Geschlechtergleichstellung in vier Kategorien – Wirtschaft, Bildung, Politik und Gesundheit – erreichte das Medianland 70 von 100 Zählern auf dem Global Gender Gap Index. Die USA lagen mit 72 Zählern nur zwei Punkte vor dem Medianland. Häufig ist es auch so, dass Frauen mehr Verantwortung für die Kinderbetreuung und den Haushalt übernehmen, dass die Wahrscheinlichkeit bei Frauen geringer ist, eine Führungsposition zu erreichen, und dass Frauen in Dienstleistungsberufen stärker vertreten sind. Gerade während der COVID-19-Pandemie haben sich einige dieser Probleme wie die Beschäftigungslücke und das Lohngefälle noch verschlimmert.

Beschäftigungslücke zwischen den Geschlechtern wächst

Unter Umständen hat COVID-19 die wirtschaftlichen Ungleichheiten in vielerlei Hinsicht verschlimmert. Weltweit beträgt der Anteil von Frauen an der Erwerbsbevölkerung 39 %. Aber: Ihr Anteil an den Stellenverlusten auf dem Höhepunkt der Pandemie lag bei 54 %. Beispiel USA: Frauen verloren im vergangenen Jahr 5,4 Millionen Arbeitsplätze. Diese ungleichen Auswirkungen lassen sich zum Teil dadurch erklären, dass Frauen mehr Berufe in den Dienstleistungsbranchen, die am sensibelsten auf das Virus reagiert haben, ausüben. Dazu zählen Restaurants, die Hotelbranche und Pflegeberufe.

Solange sich die Beschäftigungszahlen noch nicht ganz erholt haben, leiden Frauen auch unter den fehlenden traditionellen Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Tatsächlich mussten zwei Drittel aller berufstätigen Eltern in den USA ihre Kinderbetreuung wegen COVID-19 anders regeln. Die Mehrzahl davon hat bisher noch keine Dauerlösung gefunden. Die bestehenden Kinderbetreuungsstätten kämpfen indes immer noch mit den erdrückenden finanziellen Folgen des Lockdowns, was es ihnen erschwert, den Betrieb unter Einhaltung der Kapazitätsbeschränkungen fortzuführen. Die Kombination aus begrenztem Präsenzunterricht und knappen Betreuungsmöglichkeiten könnte letztendlich bedeuten, dass Mütter dem Arbeitsmarkt länger nicht zur Verfügung stehen.

Wie aus Grafik 1 hervorgeht, verließen Frauen mit Kindern in den USA die Erwerbsbevölkerung von März bis September 2020 schneller (+1,8 Prozentpunkte) als Männer mit Kindern. Das deutet darauf hin, dass Frauen mehr Verantwortung für die Kinderbetreuung übernehmen.

Geschlechtergefälle beeinflusst Bezahlung und Altersvorsorge

Einkommensunterschiede sind ein weiteres Hindernis für die Geschlechtergleichstellung. Laut aktueller Einkommenszahlen der US-Statistikbehörde Census Bureau verdienen Frauen in den USA 82 Cent für jeden Dollar, den Männer verdienen. Ein Teil dieser Einkommenslücke lässt sich zwar auf Unterschiede in Branchen, bei Bildungsabschlüssen und Berufsjahren zurückführen. Doch: Für den Rest der Lücke, schätzungsweise 90 % der Gesamtlücke, gibt es keine Erklärung. Vielleicht sind unbewusste Vorurteile, „Unconscious Bias“ genannt, daran schuld, die möglicherweise überwunden werden können.

Über Zeiträume von mehreren Jahren kann durch diese Einkommenslücke ein Ersparnisproblem für Frauen entstehen, gerade weil sie in der Regel länger leben als Männer. Wenn man von 45 Berufsjahren mit stetigem Lohnwachstum und einem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2020 ausgeht, hätte eine Frau bis zu ihrem 70. Lebensjahr potenziell ein Vermögen von 6,3 Millionen USD angespart. Damit wäre ihre Altersvorsorge aber immer noch um 15 % (etwa 1,1 Millionen USD) niedriger als die Ersparnisse, die ihr männlicher Kollege akkumuliert hätte. Um diese Lücke zu schließen, hätte diese Frau acht Jahre länger berufstätig sein müssen.

Lücke schließen: Mögliche Auswirkungen auf Wirtschaft und Märkte

Ein Fokus auf die Reduzierung der Arbeits- und Lohnungleichstellungen von Frauen könnte das Wachstumspotenzial in den USA beträchtlich steigern, wie aus Grafik 2 hervorgeht. Derzeit besteht in der Erwerbsbevölkerung eine Lücke von 11,3 % im Verhältnis von Frauen zu Männern. Um diese Beschäftigungslücke zu schließen, müsste die Erwerbsbeteiligung von Frauen um 15 Millionen steigen, was wiederum die Arbeitseinkommen um 5,5 % steigern würde. Würde sich auch das bestehende Lohngefälle schließen, könnten die Arbeitseinkommen noch einmal um 6,6 % steigen, sodass die Einkommen sich insgesamt um 12,1 % verbessern würden. Geht man davon aus, dass der Anteil des Faktors Arbeit am BIP bei 60 % bleibt und das Einkommen dem Grenzprodukt aus der Arbeit einer Erwerbsperson entspricht, würde diese Schätzung nahelegen, dass eine Gleichstellung am Arbeitsmarkt das US-BIP pro Jahr um 7,3 % oder 1,5 Billionen USD steigern könnte.

Fazit

Unserer Ansicht nach kann es sich schon bezahlt machen, wenn nur ein Teil der Lücke geschlossen wird – was uns im Hinblick auf die Zukunft weiterhin optimistisch stimmt. Wenn die Erwerbsbeteiligung, Lohnunterschiede und Diversität weiter im Fokus stehen, kann das zu besseren wirtschaftlichen Ergebnissen für alle führen. Wir sind überzeugt, dass jede Maßnahme zählt, denn – wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte – es ist nicht nur richtig, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll, Frauen zu fördern.

Mehr zum Thema lesen Sie hier:

„Frauen kommen oft nicht freiwillig in die Finanzberatung“

Warren Buffett: 7 Investment-Tipps des Börsen-Gurus

Vermeiden Sie diese 7 Fehler beim Aktienkauf

Interview: „Die Abneigung gegen Aktien wurde den Deutschen antrainiert

***

Altersvorsorge-neu-gedacht.de ist eine Publikation von Bonnier Business Press Deutschland und ist Ratgeber zu den Themen Vorsorge und Geldanlage.

ANG
Börse
Börse Dax knackt nächsten Rekord - erstmals über 20.000 Punkten
03.12.2024

Inmitten globaler Krisen erobert der Leitindex die nächste Rekordmarke, auch Bitcoin und Gold sind begehrt. Wie passt die Euphorie...

ANG
Geldanlage
Geldanlage EZB-Direktorin Schnabel warnt vor zu starken Zinssenkungen in der Eurozone
29.11.2024

Isabel Schnabel, Direktorin der Europäischen Zentralbank (EZB), warnt vor zu drastischen Zinssenkungen in der Eurozone. Sie fordert, die...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Später in Rente: Bundesbank-Chef Nagel fordert längere Lebensarbeitszeit
26.11.2024

Bundesbank-Chef Joachim Nagel fordert Reformen angesichts der schwachen deutschen Wirtschaft. Er spricht sich für ein höheres...

ANG
Geldanlage
Geldanlage Finanzen 2025 meistern: 7 einfache Schritte für mehr finanzielle Sicherheit
20.11.2024

Die ständig wachsenden Lebenshaltungskosten – von Miete über Energie bis hin zu Lebensmitteln und Kfz-Versicherungen – setzen viele...

ANG
Geldanlage
Geldanlage Europas Sparer profitieren: Trade Republic gibt vollen EZB-Zins weiter
19.11.2024

Trade Republic erweitert sein Angebot: Mit der schrittweisen Einführung der Girokontofunktion können Kunden künftig Geld überweisen,...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Altersarmut auf Rekordniveau: Millionen Senioren betroffen
19.11.2024

Altersarmut erreicht ein Rekordniveau: Über 3,2 Millionen Menschen ab 65 Jahren leben mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens....

ANG
Geldanlage
Geldanlage Reichtum erlangen: Fünf Wege, wie Ihr Geld für Sie arbeiten kann
12.11.2024

Reichtum allein durch Arbeit? Das ist selten. Dieser Artikel beleuchtet fünf Wege, wie Wohlstand aufgebaut werden kann – von Erbschaften...

ANG
Börse
Börse Goldpreis verliert nach US-Wahl an Boden - dennoch mehr Goldinvestoren
06.11.2024

Nach den turbulenten Wochen rund um die US-Wahl verzeichnet der Goldpreis am Mittwoch Verluste – das Interesse in Europa an...