Börse

Coinbase geht an die Börse: Krypto-Party an der Wall Street

Lesezeit: 4 min
14.04.2021 14:59
Mit dem Börsengang von Coinbase erreicht auch der Bitcoin ein neues Rekordhoch. Die Premiere an der Tech-Börse Nasdaq dürfte gewaltige Dimensionen erreichen: Analysten trauen Coinbase eine Bewertung von mehr als 100 Milliarden Dollar zu.
Coinbase geht an die Börse: Krypto-Party an der Wall Street
Wie lange werden die Anleger was zu feiern haben? (Foto: iStock.com/Melpomenem)
Foto: Melpomenem

Der Zeitpunkt könnte kaum günstiger sein: Inmitten der aktuellen Bitcoin-Rekordjagd geht mit Coinbase ein Schwergewicht der Krypto-Branche an die Börse. Von Mittwoch an kann die größte US-Handelsplattform für digitale Währungen selbst als Aktie gekauft werden. Die Finanzmärkte fiebern seit Wochen auf das Debüt hin. Für die boomende, aber lange als abenteuerliche Randerscheinung der Finanzwelt abgetane Nische der Cyberdevisen ist es ein Meilenstein auf dem Weg in den Wall-Street-Mainstream. Am Mittwoch wurde ein Bitcoin auf der Plattform Bitstamp zeitweise mit 64.895 US-Dollar gehandelt und damit so hoch wie nie. Seit Beginn des Jahres befindet sich der Bitcoin in einem Höhenflug.

Die Premiere an der Tech-Börse Nasdaq dürfte gewaltige Dimensionen erreichen: Analysten trauen Coinbase eine Bewertung von mehr als 100 Milliarden Dollar zu. Damit wäre der Krypto-Handelsplatz mehr wert als jeder traditionelle Börsenbetreiber weltweit. Zum Vergleich: Die Nasdaq, an der Coinbase seine Aktien per Direktplatzierung – also ohne teure Begleitung durch Investmentbanken und ein vorheriges Preisbildungsverfahren – listen lässt, hat derzeit einen Börsenwert von 26 Milliarden Dollar.

Die Nasdaq setzte am Dienstag (Ortszeit) einen Referenzpreis von 250 Dollar für die Coinbase-Aktien an. Damit liegt die Richtschnur deutlich unter den letzten außerbörslichen Transaktionen, bei denen die Papiere in diesem Jahr im Schnitt für 343,58 Dollar den Besitzer gewechselt hatten, was eine Bewertung von mindestens 67,6 Milliarden Dollar bedeutete. Da Coinbase allerdings keinen klassischen Börsengang durchführt, sondern eine Direktplatzierung ohne Preisbildungsverfahren, ist der Referenzpreis kein Angebotspreis und somit auch zuverlässiger Indikator für den Aktienkurs und die Marktkapitalisierung.

„Die Krypto-Ökonomie beginnt gerade erst“, verspricht Coinbase-Mitgründer und Vorstandschef Brian Armstrong Anlegern vor dem Börsengang. Tatsächlich befindet sich sein Unternehmen auf der größten Erfolgswelle seit der Gründung im Jahr 2012. Allein im ersten Quartal dürfte der Nettogewinn zwischen 730 Millionen und 800 Millionen Dollar gelegen haben, wie Coinbase kürzlich mitteilte. Das wäre mehr als doppelt so viel wie im gesamten vergangenen Jahr.

Aktueller Höhenflug

Beim Umsatz rechnet Coinbase für die drei Monate bis Ende März mit 1,8 Milliarden Dollar, auch dieser Wert würde das Gesamtergebnis von 1,3 Milliarden aus dem Vorjahr deutlich übertreffen. Die Nutzerzahlen stiegen während der jüngsten Krypto-Rally kräftig und lagen zuletzt bei 56 Millionen. Mit dem Quartalsbericht gelang es Coinbase, vor dem Börsengang ein beeindruckendes Ausrufezeichen zu setzen. Aber wie steht es um die langfristigen Erfolgsaussichten?

Coinbase-Chef Armstrong selbst macht keinen Hehl daraus, dass der aktuelle Höhenflug keine besonders zuverlässigen Aussagen über die Zukunft zulässt. Die Profitabilität des Unternehmens steht und fällt mit den Kursen und Handelsvolumen von Krypto-Währungen wie Bitcoin, da es in erster Linie an Gebühren verdient. So gesehen gebe es eine „immanente Unberechenbarkeit“, wie Coinbase selbst einräumt. In der Vergangenheit war das Geschäft extremen Schwankungen unterworfen.

Während des Krypto-Crashes im Jahr 2018 etwa, als der Bitcoin-Preis um über 70 Prozent abstürzte und der anderer Cyber-Währungen wie Ethereum noch stärker, brach auch das Geschäft von Coinbase ein. Auch das Folgejahr 2019, als die meisten Krypto-Anlagen vor sich hindümpelten, war für Coinbase wenig lukrativ und wurde mit einem Minus von 30,4 Millionen Dollar abgeschlossen. 2020 setzte dann die große Rally ein, und die Transaktionserlöse stiegen um 137 Prozent.

„Wir könnten Geld verlieren“

Armstrong ist sich der Risiken bewusst: „Wir könnten Geld verlieren“, warnt er Investoren. Ziel des Unternehmens sei es derzeit, in etwa am „break even“ zu operieren, also an der Gewinnschwelle. Coinbase habe sich jedoch immer schon langfristig orientiert und gehe davon aus, dass die Krypto-Branche ihr Potenzial erst in Zukunft voll entfalte. „Wir suchen nach langfristigen Investoren, die an unsere Mission glauben“, erklärt Armstrong.

Experten sehen jedoch nicht nur die heftigen Schwankungen bei Krypto-Kursen und Handelsvolumen mit Bedenken. Anleger müssen sich auch über regulatorische Risiken im Klaren sein. Jesse Powell, der Chef des Coinbase-Rivalen Kraken, warnte kürzlich im Finanzsender CNBC vor einem „Durchgreifen“ von Regierungen gegen digitale Währungen. Überraschend käme dies in der Tat nicht – Bitcoins geraten immer wieder durch illegale Verwendungen in die Kritik und gelten nicht nur in den USA schon lange als aufsichtsrechtliche Baustelle.

Coinbase hat allerdings noch andere Probleme, die im aktuellen Hype leicht untergehen. So steht das Unternehmen, das „ein offenes Finanzsystem für die Welt zu schaffen“ als Mission und „mehr wirtschaftliche Freiheit für jede Person und Firma“ als Vision beschreibt, immer wieder wegen seines Kundenservices in der Kritik. In Foren auf der Diskussionsplattform Reddit etwa klagten etliche Kunden, dass ihre Accounts ohne erklärten Grund eingefroren worden seien. Zudem gibt es Berichte über gekaperte Nutzerkonten.

Die Anschuldigungen haben schon zu mindestens einer Sammelklage geführt. Coinbase rechtfertigt sich mit dem Ansturm von Kunden. Die hohe Nachfrage führe zu einzigartigen Herausforderungen. Das Unternehmen habe aber schon 2000 zusätzliche Mitarbeiter im Kundenservice angestellt. Coinbase betont zudem, noch nie gehackt worden zu sein. Cyber-Angriffe und technische Pannen sind für Krypto-Börsen ein sensibles Thema, nicht zuletzt wegen des Zusammenbruchs des einst mit Abstand größten Handelsplatzes Mt. Gox. Die Insolvenz hatte den Bitcoin-Markt 2014 in eine tiefe Krise gestürzt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Hoffnung auf Bitcoin-ETF treibt Kryptowährung Richtung Allzeithoch

Bitcoin: Lohnt sich der Einstieg noch oder ist es zu spät?

Welche Kryptowährungen werden Bitcoin dieses Jahr den Rang ablaufen?

Wann ist die Börsenparty vorbei?

Das sind die Vor- und Nachteile von ETFs

***

Altersvorsorge-neu-gedacht.de ist eine Publikation von Bonnier Business Press Deutschland und ist Ratgeber zu den Themen Vorsorge und Geldanlage.

ANG
Geldanlage
Geldanlage Umfrage: 46 Prozent zweifeln an Sicherheit der Spareinlagen

Gerade mal jeder zweite hierzulande glaubt, dass seine Bankeinlagen im Ernstfall tatsächlich sicher sind.

ANG
Börse
Börse Aktien Europa: Ruhiger Wochenstart mit Gewinnen - Doch Bankensorgen bleiben

Die Angst vor einer neuerlichen Bankenkrise bleibt an den Märkten präsent.

ANG
Karriere
Karriere Vermögen: „Deutschland könnte mehr Ungleichheit vertragen“

Medien, Gewerkschaften und Politiker prangern die hohe Vermögenskonzentration in Deutschland an. Doch ist Ungleichheit tatsächlich...

ANG
Börse
Börse Deutsche Börse mit Niederlage im Streit um Milliarden aus dem Iran

Die Deutsche Börse muss sich derzeit mit alten Rechtsstreitigkeiten herumschlagen.

ANG
Geldanlage
Geldanlage Neobroker - eine gute Sache für Privatanleger?

In den zurückliegenden Jahren hat sich das Angebot an Online-Brokern regelrecht vervielfacht. Doch worin genau liegen die Vorteile der...

ANG
Börse
Börse Finanzmärkte stabilisieren sich nach Not-Übernahme der Credit Suisse

Mit der Notübernahme der Credit Suisse durch die Schweizer Großbank UBS konnten die heftigen Bankenturbulenzen zunächst eingedämmt...

ANG
Börse
Börse Höhere Rendite: Lohnen sich Unternehmensanleihen?

Unternehmensanleihen bringen mehr Rendite als Staatsanleihen, sind aber auch ausfallgefährdeter. Lohnt sich der Kauf?

ANG
Börse
Börse EZB entschlossen im Kampf gegen Inflation trotz Bank-Turbulenzen

Die Europäische Zentralbank erhöht zum sechsten Mal in Folge die Zinsen. Trotz der jüngsten Unsicherheiten in der Bankenbranche hält...