Der Bundesfinanzhof sieht in den kommenden Jahren eine überhöhte Steuerlast auf viele Rentner in Deutschland zukommen. Auf diese Gefahr weist der X. Senat in einem am 31. Mai verkündeten Urteil hin. Nach Einschätzung des höchsten deutschen Finanzgerichts dürfen weder der Grundfreibetrag noch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in die Berechnung des steuerfreien Anteils der Rente mit einbezogen werden.
Unmittelbare Auswirkungen hat dies nicht, in der Zukunft könnten diese jedoch groß sein. Denn der Bundesfinanzhof legt dem Bundesfinanzministerium damit eine Änderung der bisherigen Praxis bei der Rentenbesteuerung nahe. Der Grundfreibetrag diene der Absicherung des Existenzminimums und dürfe nicht noch ein zweites Mal als steuerfreier Rentenbezug herangezogen werden. „Unsere Antwort lautet nein,“ sagte die Senatsvorsitzende Förster zu dieser Frage, die unter Steuerrechtlerin seit bald 20 Jahren diskutiert wird.
Seit 2005 läuft eine schrittweise Umstellung der Rentenbesteuerung, die erst 2040 abgeschlossen sein soll. Vor 2005 wurden „vorgelagert“ die Rentenbeiträge der Arbeitnehmer besteuert, seither läuft die Umstellung auf eine „nachgelagerte“ Besteuerung der ausgezahlten Rente, analog zu den Beamtenpensionen. Daran hat der Bundesfinanzhof nichts Grundsätzliches auszusetzen: „Die Übergangsregelung verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz“, sagte Förster dazu.
Strittige Übergangsphase
Strittig ist jedoch die konkrete Ausgestaltung der 35-jährigen Übergangsphase. In dieser Hinsicht hat der Bundesfinanzhof nun steuerliches Neuland betreten. In dieser Zeit steigt schrittweise die Besteuerung der ausgezahlten Rente, während die Steuerlast der Rentenbeiträge während des Arbeitslebens sinkt. Diese werden ab 2025 vollständig steuerbefreit sein, die ausbezahlten Renten müssen ab 2040 voll versteuert werden.
Doch die Beiträge werden zuvor nur 15 Jahre lang voll absetzbar sein. Da ein Arbeitsleben normalerweise sehr viel länger dauert als 15 Jahre, argumentieren Kritiker seit Jahren, dass sich allein aus dieser Tatsache eine verbotene doppelte Besteuerung von Renten und Beiträgen ergebe.
Das vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Verbot der doppelten Besteuerung bedeutet, dass jeder Rentner mindestens so viel Rente steuerfrei erhalten muss wie er zuvor an Beiträgen aus versteuertem Einkommen eingezahlt hat. Und nach den Berechnungsparametern des Bundesfinanzhofs wird das künftig für viele Rentner nicht mehr gewährleistet sein, wie die Senatsvorsitzende Förster erläuterte.
Zwei Klagen scheiterten
Gleich zwei Klagen wurden im Gegenzug vom Bundesfinanzhof abgewiesen: Im konkreten Einzelfall zum Verfahren scheiterte der Kläger, ein ehemaliger Steuerberater aus Baden-Württemberg. Ihn persönlich trifft nach Einschätzung des BFH keine doppelte Besteuerung.
Im anderen Fall hatten ein ehemaliger Zahnarzt aus Hessen und seine Frau geklagt. Sie warfen dem Fiskus eine rechtswidrige doppelte Besteuerung ihrer Renten vor. Die Gefahr einer doppelten Besteuerung in nennenswertem Umfang sieht der BFH nicht bei den Klägern, die seit über einem Jahrzehnt in Rente sind, sondern in der Zukunft. Die Kläger würden in ihren Rechten nicht verletzt, entschied der X. Senat.