Vorsorge

Das machen andere Länder bei der Rente besser als Deutschland

Lesezeit: 9 min
07.07.2021 14:54
Das deutsche Rentensystem steht vor immensen Herausforderungen. Eine immer älter werdende Bevölkerung führt unweigerlich zu steigenden Kosten. Dazu können viele Rentner hierzulande nicht ausreichend von ihrer Rente leben. Was machen andere Länder besser als Deutschland?
Das machen andere Länder bei der Rente besser als Deutschland
Während in anderen Ländern die Rente voll genossen werden kann, ist Deutschland im internationalen Vergleich nur Mittelmaß. (Foto: iStock.com/anyaberkut)
Foto: anyaberkut

Der Generationenvertrag in Deutschland bröckelt. Jahrelang galt die Annahme, dass jeder, der in Deutschland 40 Jahre arbeitet, auch 20 Jahre Rente beziehen kann, als eines der Fundamente unserer Gesellschaft. Doch mit zunehmendem Alter der Bevölkerung geht diese Rechnung nicht mehr auf. Immer häufiger taucht in Debatten die Forderung nach einem höheren Rentenbeitrittsalter auf. Vor allem junge Menschen in Deutschland fragen sich daher: Wie sicher ist meine eigene Rente noch?

Klar ist vor allem: das deutsche Rentensystem hat dringenden Reformbedarf. Die Kosten werden in den kommenden Jahren sprunghaft ansteigen, da die Alterung der Bevölkerung zunimmt. Viele Babyboomer gehen in Rente und stellen das deutsche Rentensystem damit vor große Herausforderungen. Bis 2050 könnten durch diese demografischen Veränderungen bis zu 60 Prozent des Bundeshaushalts in die Stützung des Rentensystems fließen. Experten gehen deshalb davon aus, dass eine Erhöhung des Rentenbeitrittalters unvermeidbar ist.

70 Länder und ihre Rentensysteme im direkten Vergleich

Eine alternde Bevölkerung ist jedoch kein exklusiv deutsches Problem. Durch eine steigende weltweite Lebenserwartung geraten viele Pensionssysteme unter Druck. Dennoch gehen einige Länder besser damit um als andere. Wo steht das deutsche Rentensystem im internationalen Vergleich? Mit dieser Frage setzt sich unter anderem eine Untersuchung der Allianz Versicherung auseinander. Der Allianz Global Pension Report nimmt weltweit 70 Länder und ihre Rentensysteme unter die Lupe.

In die Bewertung flossen dabei verschiedene Faktoren ein. Wie alt ist die Bevölkerung eines Landes? Wie hoch ist die öffentliche Verschuldung? Die beiden Punkte werden unter dem Punkt „Finanzen und Demografie“ zusammengefasst und mit 20 Prozent gewichtet. Außerdem sah sich die Allianz an, wie robust die Rentensysteme mit Hinblick auf demografische Veränderungen sind (im Report aufgeführt unter dem Punkt „Nachhaltigkeit“ und mit 40 Prozent gewichtet). Und schließlich wurden die Rentensysteme dahingehend bewertet, ob sie Rentnern und Rentnerninnen einen adequaten Lebensstandard im Alter ermöglichen („Angemessenheit“, 40 Prozent Gewichtung).

In jeder Kategorie gibt es Länder, die besonders gut abschneiden. So stehen etwa afrikanische Länder in der Kategorie „Demografie und Finanzen“ gut da, weil sie im Gegensatz zu europäischen Ländern eine junge Bevölkerung und geringere Staatsverschuldung aufweisen. Beim Punkt „Nachhaltigkeit“ liegen Länder wie Bulgarien und Indonesien vorne, da sie erst kürzlich umfassende Rentenreformen auf den Weg gebracht haben, etwa in dem sie das Renteneintrittsalter angehoben haben. In der Kategorie „Angemessenheit“ liegen Länder vorn, die entweder großzügige staatliche Pensionen aufweisen (Österreich und Italien) oder neben robusten staatlichen Systemen zusätzlich auf kapitalbasierte Rentenfonds setzen (Neuseeland und Niederlande).

Deutsches Rentensystem nur Mittelmaß

Anschließend wurden die Wertungen der drei Kategorien zu einer Gesamtwertung zusammengefasst. Deutschland schneidet dabei nicht gut ab und landet nur auf Platz 26 – und damit noch hinter Ländern wie Lettland, Estland und Kasachstan. Der Gründe für das schlechte Abschneiden sind vielfältig.

Deutschland gehört zu den zehn Ländern, mit dem größten Anteil an Bürgern über 65 Jahren (22 Prozent) und gibt für diese Bevölkerungsgruppe vergleichsweise viele staatliche Mittel aus (10 Prozent des BIP). Hinzu kommt, dass der Staat weniger finanziellen Spielraum hat als andere Länder und das deutsche Rentensystem somit schlecht auf die stark alternde Bevölkerung vorbereitet ist. In der Kategorie „Finanzen und Demografie“ landet Deutschland deshalb im unteren Drittel des Ranking (Platz 56).

In punkto „Nachhaltigkeit“ landete das deutsche Rentensystem auf Platz 21. Ein Grund: Das derzeit gültige gesetzliche Rentenbeitrittsalter von 67 Jahren wird aller Voraussicht nach nicht ausreichen, um die Finanzierung auch in Zukunft zu sichern. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium plädierte erst kürzlich für eine Anhebung des Rentenalters auf 68 Jahre und warnte vor „schockartig steigende Finanzierungsproblemen in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 2025“.

Bei der „Angemessenheit“ der Rente landete Deutschland auf Platz 24 des Ranking. Hier wurde erst kürzlich nachgebessert, in dem die Grundrente auf den Weg gebracht wurde, die all jenen Rentnern helfen soll, die nicht von ihrer gesetzlichen Rente leben können. Schätzungen zufolge haben in Deutschland etwa 1,5 Millionen Rentner Anspruch auf die Grundrente. Ein weiterer Grund, warum Rentner in Deutschland nicht so gut von ihrer Rente leben können wie in anderen Ländern, sind die hohen Steuern. Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs, wonach Rentner hierzulande zu hoch besteuert werden, stelle das Finanzministerium nun Steuersenkungen für Rentner in Aussicht.

Die zehn Länder mit den besten Rentensystemen

Zu den bestehenden Herausforderungen der Rentensysteme kommt nun auch noch die Corona-Pandemie erschwerend hinzu. „Die Auswirkungen von Covid-19 auf die öffentlichen Rentensysteme sind weniger offensichtlich, aber sie sind ein schwerer Schlag“, so die Autoren der Studie. „Das liegt daran, dass die Pandemie eine Schockwelle an den Kapitalmärkten ausgelöst hat, und fallende Aktienmärkte und neue Zinssenkungsrunden haben das Vermögen der Pensionsfonds und die privaten Ersparnisse geschmälert.“

Welche Länder sind beim Thema Rente besser aufgestellt als Deutschland? Bei den vorderen Plätzen handelt es sich ausschließlich um westliche Industrienationen. Erst auf dem 11. Platz landet mit China der erste asiatische Staat. Die Top 10 des Allianz-Ranking in absteigender Reihenfolge lauten:

  1. Schweden
  2. Belgien
  3. Dänemark
  4. Neuseeland
  5. USA
  6. Australien
  7. Niederlande
  8. Norwegen
  9. Bulgarien
  10. Kanada

Was haben diese Länder Deutschland voraus? Werfen wir dazu einen exemplarischen Blick auf zwei Länder, die in verschiedenen Rankings immer wieder weit vorne landen: Die Niederlande und Dänemark.

Unsere Nachbarn als Paradebeispiel

In den Niederlanden steht jedem Bürger eine Basisrente zu, auch wenn er nie Beiträge in die Rentenkassen eingezahlt hat. Das Renteneintrittsalter liegt bei 67 Jahren und 3 Monaten. Um die Ansprüche geltend zu machen, müssen Arbeitnehmer lediglich in den Niederlanden gearbeitet oder gelebt haben. Für jedes Jahr Arbeit oder Aufenthalt bauen die Bürger einen Anspruch in Höhe von 2 Prozent auf. Um den vollen Rentenanspruch zu haben sind also 50 Jahre erforderlich. Die Mindestrente liegt bei 1.200 Euro brutto im Monat. Der niederländische Staat verzichtet auf eine Bedürftigkeitsprüfung. Finanziert wird das System aus Sozialabgaben der Arbeitnehmer sowie zum Teil aus Steuereinnahmen.

Ein weiterer Grund für das gute Abschneiden der Niederlande ist die betriebliche Altersvorsorge. Laut Europäischer Kommission bieten 90 Prozent aller Arbeitgeber die Möglichkeit für Arbeitnehmer an, auf diese Weise eine Zusatzrente aufzubauen. Zudem sind Angebote zur private Altersvorsorge in den Niederlanden weiter verbreitet als in Deutschland. Das alles führt dazu, dass das Nettorentenniveau (Rentenansprüche nach Steuern) in den Niederlanden bei mittleren Einkommen bei 100,6 Prozent des letzten Einkommens liegt. Zum Vergleich: In Deutschland liegt das Nettorentenniveau bei knapp 51 Prozent.

Dänemarks Rentensystem besteht ebenfalls aus mehreren Säulen. Die zentrale Säule bildet die sogenannte Volkspension, einer staatliche Altersrente, die jedem dänischen Staatsbürger zusteht. Die Rente besteht aus einem Grundbetrag von 847 Euro sowie einer möglichen Zulage, je nach den Vermögensverhältnissen des Rentners und je nachdem, ob der Rentner im eigenen Haus oder zur Miete wohnt. Um den vollen Rentenanspruch geltend zu machen, muss man mindestens 30 Jahre in Dänemark gewohnt haben. Das Renteneintrittsalter liegt derzeit bei 65 Jahren, soll jedoch schrittweise auf 68 Jahre angehoben werden. Finanziert wird die staatliche Altersrente über Steuereinnahmen, sodass keine Zusatzbeiträge für die Bürger anfallen.

Die zweite Säule des dänischen Rentensystems ist betriebliche Zusatzrente, die ab einem bestimmten Einkommen in Dänemark verpflichtend ist. Die Monatsbeiträge liegen hier bei umgerechnet 38 Euro, die zu zwei Dritteln vom Arbeitgeber gezahlt werden. Darüber hinaus sind in Dänemark tarifvertragliche Renten weit verbreitet. Der dänische Staat fördert diese Form der betrieblichen Altersvorsorge durch steuerliche Anreize. Die Beträge können steuerlich abgesetzt werden, doch dafür werden die Renten bei der Auszahlung als Einkommen versteuert. Dasselbe gilt für die private Altersvorsorge. In Dänemark kommen Renter damit auf ein Nettorentenniveau von rund 80 Prozent.

***

Altersvorsorge-neu-gedacht.de ist eine Publikation von Bonnier Business Press Deutschland und ist Ratgeber zu den Themen Vorsorge und Geldanlage.

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