Vorsorge

Cannabis auf Rezept: Gegen diese Krankheiten wirkt die Heilpflanze

Lesezeit: 6 min
22.06.2021 17:41  Aktualisiert: 22.06.2021 17:41
Cannabis ist vielen nur als Droge bekannt. Dabei nutzen Menschen das Kraut seit Jahrtausenden auch als Heilpflanze. Seit 2017 können Patienten in Deutschland medizinisches Cannabis verschrieben bekommen. Doch wie wirkt es im Körper? Und gegen welche Krankheiten hilft Cannabis?
Cannabis auf Rezept: Gegen diese Krankheiten wirkt die Heilpflanze
Cannabis: Jahrtausendelang als Heilpflanze genutzt, dann verteufelt, jetzt neuentdeckt. (Foto: Pixabay)

Mit Cannabis verbinden viele Menschen noch immer einzig und allein ein Rauschmittel. Dabei handelt es sich bei Cannabis (lateinischer Begriff für Hanf) um eine der ältesten und vielfältigsten Kulturpflanzen der Welt. Menschen nutzen die Pflanze seit Jahrtausenden für alle möglichen Zwecke. So wurden etwa aus den Hanffasern verschiedene Textilien und Seile gefertigt, aus den Samen wurde Öl gepresst und es wurde zur Papierherstellung genutzt. Bereits 2.800 v. Chr. wurden in China die ersten Seile aus Hanffasern gedreht. Die ältesten bekannten Textilien aus Hanf datieren auf 1.000 v. Chr. und etwa 100 v. Chr. wurde aus Hanf das erste Papier hergestellt.

Aufgrund seiner vielfältigen Anwendung machte Karl der Große den Hanfanbau im fränkischen Reich um 900 n. Chr. für alle Bauern verpflichtend. Die Bauern konnten die anfallenden Steuern dabei sogar mit Hanfsamen bezahlen. Auch als Heilfplanze ist Cannabis bereits seit Jahrtausenden bekannt. Erstmals als Arzneimittel wurde es bereits 2.700 v. Chr. in China schriftlich erwähnt. Von dort aus gelangte die Pflanze dann um 800 v. Chr. nach Indien, wo sie ebenfalls als Heilmittel verwendet wurde. Auch die alten Ägypter wussten um die heilende Wirkung von Hanf. Sie setzten die Pflanze zum medizinischen Gebrauch bereits im 16. Jahrhundert v. Chr. ein.

Was ist medizinisches Cannabis?

Als medizinsches Cannabis bezeichnet man Hanfprodukte, die zur Heilung oder Linderung von Krankheiten eingesetzt werden. Im 19. Jahrhundert war Hanf – vorwiegend in Form von Hanfsamen – in europäischen Apotheken weit verbreitet. Die Europäer setzten große Hoffnungen auf die Heilfplanze zur Linderung der Symptome von Infektionskrankheiten wie Tollwut, Cholera und Starrkrampf. Firmen wie E. Merck aus Darmstadt oder Elli Lilly & Co. aus Indianapolis trugen dann maßgeblich dazu bei, dass Cannabispräparate vemehrt in Europa und den USA verfügbar waren.

Seinen Höhepunkt erreichte der Cannabis-Boom um 1900. Spätestens in den 1950er-Jahren verschwanden Cannabispräparate dann fast vollständig aus den Apotheken. Die Gründe dafür waren vielfältig. Zum einen wurden durch den medizinischen Fortschritt neue Arzneimittel entwickelt, die viele der Cannabispräparate verdrängten. Zum anderen wurde die Gesetzgebung weltweit immer restriktiver, sodass Anbau und Herstellung von medizinschem Cannabis immer schwieriger wurden. Erst durch die Entkriminalisierung in vielen Ländern erlebte medizinisches Cannabis seit den 2000er-Jahren sein Comeback.

Wie wirkt medizinisches Cannabis im Körper?

Die Wirkstoffe der Hanfpflanze werden als Cannabinoide bezeichnet. Bisher sind rund 100 Cannabinoide identifiziert worden. Die am häufigsten vorkommenden Wirkstoffe sind Cannabidiol (CBD) und Tetrahydrocannabidiol (THC). Zwar wurde Cannabis schon seit Tausenden von Jahren als Heilpflanze eingesetzt, seine genaue Wirkung im Körper blieb jedoch lange unklar. Erst in den 90er-Jahren entdeckten Wissenschaftler das körpereigene Cannabinoidsystem des Menschen. Die Forscher fanden heraus, dass der Körper über eigene Cannabinoide und entsprechende Rezeptoren verfügt, wo diese Wirkstoffe andocken und anschließend ihre Wirkung entfalten können.

Körpereigene Cannabinoide werden im Gehirn ebenso freigesetzt wie im Immunsystem, im Blut und im Gewebe und beeinflussen dort verschiedene Prozesse. Die Forscher vermuten, dass Cannabinoide sowohl bei der Regulation des Immunssystems als auch bei Bewegung, Lernprozessen und Schmerzlinderung eine wichtige Rolle spielen. Studien haben später gezeigt, dass pflanzliche und synthetische Cannabinoide eine ähnliche Wirkung entfalten wie körpereigene. Genau hier setzt die Behandlung mit medizinischem Cannabis an.

Wie wirkt THC im Körper? Der Hauptwirkstoff des Cannabis vermindert Angst, Schmerz, Muskeltonus und motorische Aktivität. Außerdem hat THC die Fähigkeit, überbordende Nervenaktivität und unangenehme Erinnerungen zu hemmen. Hinzu kommt eine Verminderung von Übelkeit und eine Steigerung des Appetits. Allerdings verfügt THC auch über eine berauschende Wirkung, was die Dosierung schwieriger macht als bei seinem Gegenpart CBD. Ab wann eine psychoaktive Wirkung eintritt, unterscheidet sich von Mensch zu Mensch.

Wie wirkt CBD im Körper? CBD erzeugt keine berauschende Wirkung und ist gut verträglich. Die WHO bescheinigt CBD, dass es „allgemein gut toleriert wird und ein gutes Sicherheitsprofil hat“. In hoher Dosierung kann es anti-epileptische, anti-entzündliche und anti-psychotische Effekte haben. Es gleicht damit die stark dämpfenden und halluzinatorischen Wirkungen des THC aus. Dazu verfügt CBD über eine hemmende Wirkung auf den Appetit.

Welche Nebenwirkungen haben die beiden Wirkstoffe? Zu den akuten Nebenwirkungen zählen Angstgefühle, Gedächtnisschwäche, Halluzinationen und ein Gefühl von Kontrollverlust, die alle vor allem auf den Wirkstoff THC zurückzuführen sind. Außerdem kann THC zu einer gestörten Wahrnehmung zeitlicher Abläufe sowie zu Herzrasen führen. CBD wiederum kann zu Appetitlosigkeit, Müdigkeit, Durchfall und Übelkeit führen. Außerdem kann eine Überdosierung CBD einen Blutdruckabfall und Schwindel auslösen. Über lebensbedrohliche Zwischenfälle oder Todesfälle nach dem Einsatz von medizinischem Cannabis ist dagegen nichts bekannt.

Welche Krankheiten werden in Deutschland mit Cannabis behandelt?

Seit 2017 wird Cannabis in Deutschland zu medizinischen Zwecken verschrieben. Der behandelnde Arzt kann je nach Diagnose auf extra zu diesem Zweck angebautes Cannabis als Arzneimittel sowie auf spezielle Cannabispräparate zurückgreifen. Die Patienten können diese dann mit Rezept in der Apotheke abholen. Eine Verabreichung sollte in jedem Fall ärztlich betreut werden. Äußerste Vorsicht ist vor frei verkäuflichen CBD-Ölen und Cannabispräparaten geboten.

Bei welchen Krankheiten wird medizinisches Cannabis eingesetzt? Die Techniker Krankenkasse verfügt über eine gute Auflistung der Indikationen, bei denen Cannabis als Arzneimittel zum Einsatz kommen kann. Dazu gehören: chronische Schmerzen, Spastizität bei Multipler Sklerose und Paraplegie, Epilepsie, Übelkeit und Erbrechen nach einer Chemo-Therapie bei Krebs-Patienten sowie Appetitsteigerung bei HIV-Patienten. Außerdem können Angststörungen, Schlafstörungen, Tourette-Syndrom und ADHS zu einer Verschreibung von Cannabis führen.

Darüber hinaus kann medizinisches Cannabis bei folgenden Erkrankungen zum Einsatz kommen: Asthma, Magersucht und Appetitlosigkeit, Blasenkrämpfe, Borreliose, Fibromyalgie, Migräne, Neurodermitis, Tinnitus, Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) und Borderline-Syndrom. Bei diesen Erkrankungen ist die Kostenübernahme durch die Krankenkasse in der Regel gewährleistet. In manchen Fällen führen die Kassen jedoch eine eingehende Prüfung durch. Eventuell müssen die Patienten die Kosten der Verschreibung vorab übernehmen und erhalten das Geld nach positivem Bescheid von der Krankenkasse zurück.

Unklar ist die Datenlage über die Wirksamkeit von Cannabis derzeit bei Depressionen und Schizophrenie. Hier scheint insbesondere der Einsatz von CBD-Produkten vielversprechend, da CBD anti-psychotische Wirkungen entfaltet. Aktuelle Studien legen eine Wirksamkeit bei Schizophrenie und Depressionen nahe. Cannabinoide zeigten in einigen Studien eine höhere Wirksamkeit als Placeobs. Doch das Feld ist noch zu wenig erforscht und die Ergebnisse daher noch nicht aussagekräftig genug. Ähnliches gilt für Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Reizdarmsyndrom sowie ADHS. Erste Studien zeigen eine Wirksamkeit von Cannabinoiden, doch ihre Aussagekraft ist derzeit noch zu gering.

                                                                            ***

André Jasch ist freier Wirtschafts- und Finanzjournalist und lebt in Berlin.  

ANG
Vorsorge
Vorsorge Rente mit 70? Arbeitgeber fordern flexibles Rentenalter – Gewerkschaften protestieren
07.02.2025

Arbeitgeber fordern Rentenreform zur Stabilisierung der Sozialsysteme.

ANG
Vorsorge
Vorsorge Zwischen Altersvorsorge und internationaler Sicherheit: Der Spagat im deutschen Haushalt
04.02.2025

In Deutschland sorgt derzeit eine hitzige Debatte für Schlagzeilen: Müssen Rentner wirklich Einschnitte in ihrer Altersversorgung...

ANG
Geldanlage
Geldanlage Glänzende Zeiten: Warum der Goldpreis aktuell neue Höhen erreicht
04.02.2025

Die jüngsten weltwirtschaftlichen Turbulenzen und politischen Entscheidungen haben einmal mehr bewiesen, dass Gold als krisenfeste Anlage...

ANG
Geldanlage
Geldanlage EZB: Banken verschärfen Kreditvergabestandards für Unternehmen weiter
31.01.2025

Die Europäische Zentralbank (EZB) meldet eine deutliche Verschärfung der Kreditvergaberichtlinien für Unternehmen in der Eurozone. Vor...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Private Altersvorsorge stärken: FDP setzt auf steuerliche Anreize für Aktien
28.01.2025

Die FDP hat eine "Aktien-Offensive in der Altersvorsorge" beschlossen. Ziel ist eine gesetzliche Aktienrente nach schwedischem Vorbild,...

ANG
Geldanlage
Geldanlage Vermögensarme Menschen und der Armutsnachteil bei Geldanlagen
28.01.2025

Eine neue Studie zeigt, wie strukturelle Nachteile Menschen mit wenig Vermögen bei Geldanlagen treffen. Geringe Startkapitalbeträge und...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Wahlkampf und Rente: Diese Rentenkonzepte schlagen die Parteien vor
24.01.2025

Vor der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 konkurrieren die Parteien mit verschiedenen Rentenkonzepten, die teils drastische Unterschiede...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Neue Trends bei der Altersvorsorge: Junge Generationen setzen auf Kryptowährungen
21.01.2025

Die Altersvorsorge junger Menschen verändert sich grundlegend: Eine neue Studie von Bitget Research zeigt, dass rund 20 Prozent der...