Mehr als 42 Prozent der Menschen, die wegen Berufsunfähigkeit in Rente wollten, sind im vergangenen Jahr mit ihrem Antrag gescheitert. Der Anteil der Ablehnungen sank seit 2001 nie unter 42, mitunter kletterte er seither auf bis zu 45 Prozent. Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt.
Die Zahl der abgelehnten Anträge stieg von rund 143.000 im Jahr 2019 auf 154.000 im vergangenen Jahr. 185.000 Neuanträge wurden bewilligt, wie die Rentenversicherung am Montag in Berlin ergänzte. 26.000 Anträge wurden auf sonstige Weise erledigt, etwa durch Rücknahme des Antrages.
Eine Ablehnung kann mehrere Gründe haben. Eine sogenannte EM-Rente bekommt nur, wer mindestens fünf Jahre in der Rentenversicherung versichert ist, davon die letzten drei mit Pflichtbeiträgen. Oft herrscht bei der Beurteilung der gesundheitlichen Verfassung der Antragsteller kein Einvernehmen mit der Rentenversicherung. Am Ende zählt die Meinung eines Amtsarztes, in der Regel nach einem Besuch dort.
Bürokratische Hürden
Bei Ablehnung eines Rentenantrags können Versicherte innerhalb von vier Wochen Widerspruch einlegen – was Zehntausende Menschen jedes Jahr tun. Die Zahl der behandelten Widersprüche sank laut Rentenversicherung seit 2013 um rund 13.000 auf rund 70.500 im vergangenen Jahr. In nur 641 Fällen hatte ein Widerspruch offiziell Erfolg. In fast 17.000 Fällen ging das Verfahren aber erst noch einmal weiter, etwa indem Unterlagen nachgereicht wurden. In der Regel endeten solche Fälle positiv für den Antragsteller.
In die Höhe gegangen sind in den vergangenen Jahren die bei der EM-Rente (Erwerbsminderungsrente) gezahlten Summen - seit 2013 um fast 45 Prozent. Die durchschnittlichen Zahlbeträge wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Rentenzugang lagen 2020 bei 882 Euro. 524 Euro waren es bei teilweiser, 936 Euro bei voller Erwerbsminderung im Schnitt. 2019 waren es noch 806 Euro im Schnitt insgesamt, im Jahr davor 735 Euro. 2013 lagen die Erwerbsminderungsrenten im Schnitt noch bei 613 Euro.
Verbesserte Berechnung
Die EM-Rente war in den vergangenen Jahren immer wieder verbessert worden. So werden Erwerbsminderungsrentner erst seit 2019 bei der Rentenberechnung so behandelt, als wenn sie bis zum aktuellen Rentenalter gearbeitet hätten. Ein Sprecher der Rentenversicherung sagte: „Die Zahlen machen deutlich, dass die Reformen bei den Erwerbsminderungsrenten gewirkt haben und die Renten dadurch deutlich gestiegen sind.“ Mehr als ein Drittel aller Betroffenen beantragt die EM-Rente wegen psychischer Probleme.
Die Linken-Abgeordneten Sabine Zimmermann, die die Anfrage gestellt hatte, sagte hingegen, die Reformen seien „nicht ausreichend“. „Erwerbsminderungsrenten müssen endlich armutsfest werden.“ Der Zugang zu EM-Renten müsse leichter werden. „Menschen, die sich kaputt gearbeitet haben, müssen abgesichert aus dem Erwerbsleben ausscheiden können“, sagte Zimmermann. Der Präsident des Sozialverbandes Deutschland, Adolf Bauer, sagte: „Arbeit scheint immer mehr Menschen krank zu machen.“ Laut Rentenversicherung ist das Risiko der Altersarmut bei Erwerbsminderungsrentnern generell deutlich höher als bei anderen Rentnern.
Der Rentenanspruch wurde auch nur für Neurentner höher. Alle, die vor 2019 eine EM-Rente beantragt haben, müssen dauerhaft mit etwas niedrigerer Rente auskommen. Wie es mit diesen Erwerbsminderungsrentnern weitergeht, soll nach Angaben des Sozialverbands Deutschland vor Gericht geklärt werden. Der Verband beteilige sich an einer Musterklage vorm Bundessozialgericht.