Vorsorge

Hunderttausende Anträge auf Rente wegen Berufsunfähigkeit abgelehnt

Lesezeit: 2 min
08.07.2021 19:43  Aktualisiert: 08.07.2021 19:43
Wer aufgrund von Krankheit nicht mehr arbeiten kann, für den ist die Erwerbsminderungsrente gedacht. Doch fast die Hälfte aller Anträge scheitert. Nun ist das Bundessozialgericht am Zug, eine Musterklage wird vorbereitet.
Hunderttausende Anträge auf Rente wegen Berufsunfähigkeit abgelehnt
Mehr als ein Drittel aller Betroffenen beantragt die Erwerbsminderungsrente wegen psychischer Probleme. (Foto: Pixabay)

Mehr als 42 Prozent der Menschen, die wegen Berufsunfähigkeit in Rente wollten, sind im vergangenen Jahr mit ihrem Antrag gescheitert. Der Anteil der Ablehnungen sank seit 2001 nie unter 42, mitunter kletterte er seither auf bis zu 45 Prozent. Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt.

Die Zahl der abgelehnten Anträge stieg von rund 143.000 im Jahr 2019 auf 154.000 im vergangenen Jahr. 185.000 Neuanträge wurden bewilligt, wie die Rentenversicherung am Montag in Berlin ergänzte. 26.000 Anträge wurden auf sonstige Weise erledigt, etwa durch Rücknahme des Antrages.

Eine Ablehnung kann mehrere Gründe haben. Eine sogenannte EM-Rente bekommt nur, wer mindestens fünf Jahre in der Rentenversicherung versichert ist, davon die letzten drei mit Pflichtbeiträgen. Oft herrscht bei der Beurteilung der gesundheitlichen Verfassung der Antragsteller kein Einvernehmen mit der Rentenversicherung. Am Ende zählt die Meinung eines Amtsarztes, in der Regel nach einem Besuch dort.

Bürokratische Hürden

Bei Ablehnung eines Rentenantrags können Versicherte innerhalb von vier Wochen Widerspruch einlegen – was Zehntausende Menschen jedes Jahr tun. Die Zahl der behandelten Widersprüche sank laut Rentenversicherung seit 2013 um rund 13.000 auf rund 70.500 im vergangenen Jahr. In nur 641 Fällen hatte ein Widerspruch offiziell Erfolg. In fast 17.000 Fällen ging das Verfahren aber erst noch einmal weiter, etwa indem Unterlagen nachgereicht wurden. In der Regel endeten solche Fälle positiv für den Antragsteller.

In die Höhe gegangen sind in den vergangenen Jahren die bei der EM-Rente (Erwerbsminderungsrente) gezahlten Summen - seit 2013 um fast 45 Prozent. Die durchschnittlichen Zahlbeträge wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Rentenzugang lagen 2020 bei 882 Euro. 524 Euro waren es bei teilweiser, 936 Euro bei voller Erwerbsminderung im Schnitt. 2019 waren es noch 806 Euro im Schnitt insgesamt, im Jahr davor 735 Euro. 2013 lagen die Erwerbsminderungsrenten im Schnitt noch bei 613 Euro.

Verbesserte Berechnung

Die EM-Rente war in den vergangenen Jahren immer wieder verbessert worden. So werden Erwerbsminderungsrentner erst seit 2019 bei der Rentenberechnung so behandelt, als wenn sie bis zum aktuellen Rentenalter gearbeitet hätten. Ein Sprecher der Rentenversicherung sagte: „Die Zahlen machen deutlich, dass die Reformen bei den Erwerbsminderungsrenten gewirkt haben und die Renten dadurch deutlich gestiegen sind.“ Mehr als ein Drittel aller Betroffenen beantragt die EM-Rente wegen psychischer Probleme.

Die Linken-Abgeordneten Sabine Zimmermann, die die Anfrage gestellt hatte, sagte hingegen, die Reformen seien „nicht ausreichend“. „Erwerbsminderungsrenten müssen endlich armutsfest werden.“ Der Zugang zu EM-Renten müsse leichter werden. „Menschen, die sich kaputt gearbeitet haben, müssen abgesichert aus dem Erwerbsleben ausscheiden können“, sagte Zimmermann. Der Präsident des Sozialverbandes Deutschland, Adolf Bauer, sagte: „Arbeit scheint immer mehr Menschen krank zu machen.“ Laut Rentenversicherung ist das Risiko der Altersarmut bei Erwerbsminderungsrentnern generell deutlich höher als bei anderen Rentnern.

Der Rentenanspruch wurde auch nur für Neurentner höher. Alle, die vor 2019 eine EM-Rente beantragt haben, müssen dauerhaft mit etwas niedrigerer Rente auskommen. Wie es mit diesen Erwerbsminderungsrentnern weitergeht, soll nach Angaben des Sozialverbands Deutschland vor Gericht geklärt werden. Der Verband beteilige sich an einer Musterklage vorm Bundessozialgericht.

***

Altersvorsorge-neu-gedacht.de ist eine Publikation von Bonnier Business Press Deutschland und ist Ratgeber zu den Themen Vorsorge und Geldanlage.

ANG
Vorsorge
Vorsorge Rentenerhöhung ab Juli: 3,74 % mehr für über 21 Mio. Bezieher
06.05.2025

Gut 21 Mio. Rentnerinnen und Rentner in Deutschland bekommen ab dem 1. Juli 2025 höhere Bezüge: Die Pensionen werden um 3,74 Prozent...

ANG
Immobilien
Immobilien ImmoScout24-Mutter profitiert weiter vom Wohnraumboom
06.05.2025

Scout24 hat im ersten Quartal erneut von der hohen Nachfrage nach Wohnimmobilien profitiert: Der Umsatz stieg um 16 % auf knapp 158 Mio....

ANG
Geldanlage
Geldanlage Letzte Zuflucht Gold: Das Ende der Dollar-Dominanz?
29.04.2025

Das Vertrauen in den US-Dollar bröckelt – und Gold erlebt eine neue Blüte. Inmitten wachsender Zweifel an der Stabilität von...

ANG
Immobilien
Immobilien Haus am Meer: Diese Küstenorte bieten noch Chancen
29.04.2025

Die Immobilienpreise an der deutschen Nord- und Ostseeküste ziehen vielerorts wieder an. Ein Haus auf Sylt oder Norderney dürften sich...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Krankenkassen: Für Reformen nicht auf Kommission warten
28.04.2025

Die gesetzlichen Krankenkassen fordern von der künftigen Bundesregierung umgehende Maßnahmen gegen steigende Sozialbeiträge. Der...

ANG
Börse
Börse DAX-Ausblick: Hält die Erholung an?
28.04.2025

Der weltweite Zollstreit dürfte auch in der kommenden Woche das Geschehen am deutschen Aktienmarkt prägen. "Aktuell ist alles an der...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Geldvermögen auf Rekordniveau – aber ungleich verteilt
28.04.2025

Zum Jahresende 2024 erreichte das Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland laut Bundesbank rund 9.050 Milliarden Euro, ein...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Fast die Hälfte für den Staat – und was bleibt für deine Rente?
28.04.2025

Die sogenannte Staatsquote gibt an, wie viel Geld der Staat im Verhältnis zur gesamten Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt, kurz...