Europas Währungshüter heben ihre mehrjährigen Arbeiten an einem digitalen Euro auf die nächste Stufe: Die Europäische Zentralbank (EZB) beschloss am Mittwoch, in eine 24 Monate dauernde Untersuchungsphase für eine solche Digitalwährung einzutreten, in der es um Aspekte wie Technologie und Datenschutz gehen soll.
Ob eine digitale Version der europäischen Gemeinschaftswährung ergänzend zu Schein und Münze kommen wird, ist damit aber noch nicht entschieden. „Wir werden (...) erst zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, ob ein digitaler Euro eingeführt wird oder nicht“, erklärte EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta. „In jedem Fall würde ein digitaler Euro das Bargeld nur ergänzen und nicht ersetzen.“
Bis zur möglichen Einführung eines digitalen Euro wird es somit noch dauern, wie Panetta bekräftigte: Nach Ablauf der zweijährigen Untersuchungsphase wolle die EZB bereit sein, mit der Entwicklung eines digitalen Euro zu beginnen. „Dies könnte rund drei Jahre dauern.“ Panetta hatte bereits im Mai gesagt, frühestens im Jahr 2026 sei mit der Einführung eines digitalen Euro zu rechnen.
Private könnten Geld bei der EZB hinterlegen
Ein digitaler Euro könnte es Privatleuten erlauben, Geld direkt bei der Zentralbank zu hinterlegen. Diese Möglichkeit steht normalerweise nur gewerblichen Kreditgebern wie Banken, Regierungen und anderen Zentralbanken offen. Theoretisch denkbar wäre, dass Bürger ein Konto bei der EZB eröffnen. Für wahrscheinlicher halten Experten jedoch, dass elektronische Geldbörsen, sogenannte Wallets, von Geschäftsbanken oder anderen Finanzdienstleistern in Verbindung mit einem herkömmlichen Konto angeboten würden. Die Notenbank selbst lässt sich einstweilen technisch und vom Konzept her weitgehend alle Möglichkeiten offen.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nannte die Weichenstellung der EZB „wegweisend“: „Wir müssen den Euro fit machen für das digitale Zeitalter, nur so können wir unsere währungspolitische Souveränität erhalten und stärken. Bei den weiteren Arbeiten müssten die Mitgliedstaaten eingebunden werden.“
Befeuert werden die Anstrengungen der Euro-Notenbanken von der zunehmenden Nutzung digitaler Bezahlmöglichkeiten. Schon vor der Corona-Krise hatte sich der Trend zum Bezahlen ohne Scheine und Münzen in Deutschland und im Euroraum verstetigt. Zudem will die EZB eine Antwort geben auf den steilen Aufstieg von Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether. Der große Unterschied: Im Gegensatz dazu stünde ein digitaler Euro unter Aufsicht einer Zentralbank, die die Stabilität der Währung sichert.
„Private Lösungen für digitale und Online-Zahlungen bieten wichtige Vorteile wie Komfort Geschwindigkeit und Effizienz. Sie sind jedoch auch mit Risiken verbunden, was Datenschutz, Sicherheit und Zugänglichkeit betrifft“, erklärte Panetta. Auch andere Notenbanken weltweit beschäftigen sich mit digitalem Zentralbankgeld. China beispielsweise ist schon deutlich weiter als das Eurosystem.
„Gang höher schalten“
Die EZB hatte Anfang Oktober bekanntgemacht, dass sie ihre Arbeiten an einem digitalen Euro vorantreibt. Bürger wie Fachleute aus Wissenschaft und Finanzsektor konnten sich zum Für und Wider äußern. Nun sei es an der Zeit „einen Gang höher zu schalten und das Projekt des digitalen Euro zu starten“, teilte EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach der Entscheidung des EZB-Rates vom Mittwoch mit. „Mit unserer Arbeit wollen wir sicherstellen, dass Bürger und Unternehmen auch im digitalen Zeitalter Zugang zur sichersten Form des Geldes, dem Zentralbankgeld, haben.“
Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) als Dachverband der fünf großen Bankenverbände in Deutschland hatte kürzlich in einem Grundsatzpapier ihre Vorstellungen für einen digitalen Euro festgehalten. Demnach soll das Digitalgeld drei wesentliche Ausgestaltungen haben: ein digitaler Euro für den Alltagsgebrauch der Bürger als Ergänzung zum Bargeld, eine spezielle Form für die Kapitalmärkte und den Interbankenverkehr sowie sogenannte Giralgeldtoken für den Einsatz in der Industrie.
„Ein digitaler Euro ist wesentlich für die Wettbewerbsfähigkeit Europas und seiner Unternehmen in einer immer stärker digitalisierten Geschäftswelt“, befand am Mittwoch Joachim Schmalzl, Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), der derzeit DK-Federführer ist. Wichtig sei jedoch, dass die EZB alle drei von der Kreditwirtschaft genannten Möglichkeiten einbeziehe.
Unternehmen offen für digitalen Euro
Der Digitalverband Bitkom berichtete anhand einer Umfrage unter 652 Unternehmen in Deutschland von großer Zustimmung für einen digitalen Euro: Gut drei Viertel (78 Prozent) der befragten Unternehmen ab 50 Beschäftigten wollten, dass die EZB einen digitalen Euro einführe. Nur jedes Fünfte (20 Prozent) halte nichts von solchen Plänen. Die Befürworter versprechen sich demnach eine neue technische Möglichkeit zur nahtlosen Abwicklung von Zahlungsvorgängen.
Technisch können digitale Währungen zum Beispiel auf Basis einer sogenannten Blockchain funktionieren, also über eine Kette von Datenblöcken, die sich mit jeder Transaktion ausbaut. Nach Einschätzung des Fondsverbandes BVI könnten Marktteilnehmer Finanztransaktionen „schneller und sicherer durchführen, wenn sowohl Finanzinstrumente als auch der Euro blockchainfähig werden“. (dpa)