Als Elon Musk im Mai ankündigte, dass Tesla künftig keine Bitcoin mehr als Zahlungsmittel zulassen werde, war dies ein Schock für die Bitcoin-Gemeinde. Musk hatte zuvor noch regelmäßig Werbung für die Kryptowährung gemacht und sein Unternehmen war eines der ersten Großunternehmen, die Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptierten. Als Grund für den Sinneswandel nannte der Tesla-Gründer die schlechte Umweltbilanz der Kryptowährung, die im Widerspruch zur Produktion eines energieeffizienten Autos stehe.
„Wir sind besorgt über die schnell zunehmende Nutzung fossiler Brennstoffe für das Schürfen von Bitcoin – und die damit verbundenen Transaktionen“, sagte Musk auf Twitter. Besonders der Einsatz von Kohle zum Betreiben des Bitcoin-Mining bereite ihm Sorgen. Später legte Musk noch einmal nach und bezeichnete den Bitcoin-Energieverbrauch als „wahnsinnig“. Doch vor wenigen Tagen kam der scheinbare Sinneswandel: Bei der Branchenkonferenz „The B Word“ kündigte Musk an, dass der Autobauer Tesla Bitcoin wahrscheinlich wieder als Zahlungsmittel akzeptieren wird. „Tesla wird Bitcoin sehr wahrscheinlich wieder akzeptieren“, so Musk. Auch seine Raumfahrtfirma SpaceX besitze Bitcoins und habe nicht vor, diese zu verkaufen. Dennoch rückte Musk mit seinem Hin und Her das Thema Energieverbrauch in der Bitcoin-Debatte in den Fokus.
Wie viel Strom verbraucht Bitcoin?
Wie hoch der tatsächliche Stromverbrauch des Bitcoin-Netzwerks ist, lässt sich nur schätzen. Eine Untersuchung der Internationalen Energieagentur (IEA) in Zusammenarbeit mit der Universität Cambridge kommt zu dem Schluss, dass allein das Mining von Bitcoin jährlich 141 Terawattstunden (TWh) Strom verbraucht. Das entspricht in etwa dem jährlichen Stromverbrauch der Niederlande und macht bereits 0,5 Prozent des globalen Stromverbrauchs aus. Andere Schätzungen, die auch von der Bitcoin-Community nicht angezweifelt haben, kommen auf einen jährlichen Stromverbrauch zwischen 70 und 135 Terawattstunden.
Damit läge Bitcoin in punkto Stromverbrauch in der Größenordnung von Österreich (68 TWh) oder Schweden (133 TWh). Ein Atomkraftwerk produziert zum Vergleich pro Jahr etwa 11 Terawattstunden Strom. Das Bitcoin-Netzwerk benötige derzeit also etwa sechs bis zwölf Atomkraftwerke, um seinen Energiehunger zu decken. Ein Ende des Anstiegs des Energiebedarfs ist nicht in Sicht. Im April 2021 erschien im Wissenschaftsmagazin Nature eine Studie, die davon ausgeht, dass Bitcoin bis 2024 sogar 300 TWh Strom benötigen könnte. Das entspräche dem derzeitigen Verbrauch von Italien (296 TWh).
Da zurzeit etwa 70 Prozent aller Mining-Unternehmen ihren Sitz in China haben, wird der Großteil der Energie aus Kohle produziert – mit katastrophalen Folgen für die Umweltbilanz der Kryptowährung. Eine Studie im Wissenschaftsmagazin „Joule“ kommt zu dem Schluss, dass die Bitcoin-Miner jährlich 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen, also in etwa so viel wie Jordanien oder Sri Lanka. Eine einzige Bitcoin-Transaktion erzeugt damit einen so großen CO2-Ausstoß wie 1,8 Millionen Visa-Überweisungen. Da Kohlestrom in China vergleichsweise günstig ist, gebe es derzeit auch keinen Anreiz für die Unternehmen, ihre Produktion auf regenerative Energien umzustellen, so dass der ökologische Fußabdruck von Bitcoin sich kurzfristig nicht verkleinern wird.
Konstruktionsfehler führt zu hohem Stromverbrauch
Der Hauptgrund für den hohen Stromverbrauch liegt in der Konstruktionsweise von Bitcoin. Die Kryptowährung arbeitet mit einem „proof-of-work“-Ansatz. In dem dezentralen Netzwerk lösen Rechner komplizierte Verschlüsselungsaufgaben. Sie schaffen so neue Bitcoins und verifizieren Transaktionen. Dieser Ansatz garantiert zwar Sicherheit des Netzwerks, ist aber auch für den immensen Energieverbrauch verantwortlich. Denn die Verschlüsselungsaufgaben werden mit der Zeit immer komplizierter, sodass es immer mehr Rechenleistung und damit auch immer Strom benötigt, um sie zu lösen.
Zu Beginn der Kryptowährung im Jahr 2009 kostete die Herstellung eines Bitcoin etwa 7 US-Cents., denn das Netzwerk war noch klein und die kryptografischen Rätsel vergleichsweise simpel. Heutzutage liegt die jährliche Stromrechnung des Bitcoin-Netzwerks (bei einem Strompreis von 5 US-Cents pro kWh) zwischen 3,5 und 6,75 Milliarden Dollar, schätzt die Plattform Digiconomist des niederländischen Ökonomen Alex de Vries. Diese gigantische Stromrechnung zahlen derzeit noch die Mining-Unternehmen. Sie generieren ihre Einnahmen zu 90 Prozent aus neu geschaffenen Bitcoin, die sie als Belohnung für die Lösung der kryptografischen Rätsel erhalten, und zu 10 Prozent aus Transaktionsgebühren, die Nutzer des Bitcoin-Netzwerks pro Transaktion tätigen müssen.
Strompreis lässt Transaktionsgebühren explodieren
In den letzten Jahren lagen die Transaktionsgebühren im Schnitt zwischen 50 US-Cents und 1 US-Dollar. Während der starken Kursanstiege 2018 und 2020 stiegen sie jedoch sprunghaft an und lagen zwischenzeitlich bei 20 US-Dollar pro Transaktion. Dies hatte zur Folge, dass die Transaktionen um bis zu 50 Prozent zurückgingen. Dadurch bricht nicht nur den Minern eine wichtige Einnahmequelle weg. Es stellt das Bitcoin-Netzwerk auch vor ein existentielles Problem. Denn wenn Bitcoins nur noch gehalten, aber aufgrund steigender Transaktionskosten kaum noch gehandelt werden, erfüllt Bitcoin nicht länger die Funktion eines alternativen Zahlungsmittels und taugt für kleine Anleger nicht einmal mehr zum Spekulationsobjekt.
„Der Bitcoin-Crash ist vorprogrammiert“, schreibt der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Aalen, Christian Kreiß in einem heise-Beitrag. Seiner Argumentation zufolge lassen sie die steigenden Stromkosten nur dann decken, wenn auch der Bitcoin-Kurs immer weiter steigt. Wenn aber neue Anleger ausbleiben, könnte der Strom nicht mehr bezahlt werden und das Netzwerk würde zusammenbrechen. „Solange der Preis von Bitcoin steigt, funktioniert das Spiel. Da der Bitcoin-Kurs in der Vergangenheit exorbitant gestiegen ist, war das nie ein Problem. Er kann aber nur dann immer weiter steigen, wenn immer neue Anlegergelder nachfließen. Bricht der Strom von Neugeldern ab, endet das Ponzi-Schema. Dann funktioniert das bisherige Einnahmensystem nicht mehr.“
Kreiß sieht nur zwei Wege für Bitcoin, den hohen Stromverbrauch in den Griff zu bekommen. Eine Möglichkeit wäre es, den Arbeitsmodus des Netzwerks von „proof-of-work“ auf „proof-of-stake“ umzustellen. Dieser Ansatz wäre deutlich energieschonender. Nach diesem Prinzip arbeiten auch andere bekannte Kryptowährungen, darunter etwa Ethereum. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass Bitcoin in absehbarer Zeit auf „proof-of-stake“ umschwänkt. Die andere Möglichkeit wäre eine technische Lösung, die die Transaktionen wirtschaftlicher und effizienter macht. Eine solche Lösung stellt Bitcoin Lightning dar, doch Fachleute zweifeln daran, dass sich der Ansatz dauerhaft durchsetzt.