Geldanlage

Wie der US-Dollar über 90 Prozent seiner Kaufkraft verlor

Lesezeit: 6 min
01.10.2021 18:42  Aktualisiert: 01.10.2021 18:42
Der US-Dollar ist noch immer die wichtigste Währung der Welt. Der heutige Dollar ist jedoch nur noch einen Bruchteil dessen wert, was er noch vor 100 Jahren bedeutet hat. Wie kam es zu diesem immensen Kaufkraftverlust? Der tiefe Fall des US-Dollars begann mit der Gründung der Zentralbank.
Wie der US-Dollar über 90 Prozent seiner Kaufkraft verlor
Der Dollar hat in den vergangenen hundert Jahren massiv an Wert verloren. (Foto: iStock.com/Konoplytska)
Foto: Konoplytska

Wenn Sie im Jahr 1913 durch die Straßen von New York City gelaufen wären, in der Hosentasche nur einen einzigen Dollar, was hätten Sie damit in einem Laden kaufen können? Nicht viel, denken Sie vielleicht und lägen weit daneben. Ihr Dollar hätte damals ausgereicht, um damit 30 Tafeln Schokolade des Herstellers Hershey zu erwerben. Heute können Sie sich glücklich schätzen, mit einem Dollar einen Becher Kaffee bei McDonald's zu kaufen. Warum hat der Dollar so sehr an Kaufkraft verloren?

Die Kaufkraft einer Währung gibt an, welche Menge an Gütern und Dienstleistungen mit dieser Währung gekauft werden können. So lässt sich beobachten, wie sich die Kaufkraft einer Währung über die Jahre entwickelt hat. Da die Preise von Waren und Dienstleistungen jedoch jährlichen Schwankungen unterworfen sind (z.B. durch Inflation), zieht man in der Analyse eine repräsentative Sammlung bestimmter Waren heran, um die Kaufkraft einer Währung über die Dauer zu messen.

Man spricht dabei vom Verbraucherpreisindex (Englisch: „Consumer Price Index“ – CPI), also einem Warenkorb mit Produkten, wie sie von einem typischen Haushalt erworben werden. Der US-Dollar hat in den letzten 100 Jahren massiv an Kaufkraft eingebüßt. Ein Dollar von 1913 hatte dieselbe Kaufkraft wie 26 Dollar in 2020. Der Dollar hat also rapide an Kaufkraft verloren, während zugleich die Preise für Waren und Dienstleistungen anstiegen. Doch wie kam es zu diesem Wertverfall?

Der tiefe Fall des US-Dollar begann mit der Gründung der Zentralbank

Die Webseite Visual Capitalist hat den Verfall der Dollar-Kaufkraft mit einer Infografik verdeutlicht. Seinen Anfang nahm die Talfahrt des Dollars demnach mit der Verabschiedung des Federal Reserve Act, der die Gründung der amerikanischen Zentralbank beschrieb. Den Amerikanern steckte noch die Börsenpanik von 1907 in den Knochen, bei der die Kurse an der New Yorker Börse binnen eines Tages um die Hälfte einbrachen. Infolgedessen bildeten sich lange Schlangen vor den Banken, weil die Bürger ihr Erspartes vor Wertverfall retten wollten. Denn es hatte sich herumgesprochen, dass die Banken nicht mehr über ausreichende Liquidität verfügten.

In den Jahren nach dieser Finanzkrise ließen sich die Amerikaner und ihre Volksvertreter von führenden Bankiers dazu überreden, dass nur die Schaffung einer Zentralbank – also einer Institution, die die Geldmenge kontrolliert – künftigen Krise vorbeugen könne. Die Gründung der Federal Reserve einen Tag vor Weihnachten im Jahr 1913 führte jedoch nicht zum Verschwinden von Finanzkrisen – ganz im Gegenteil. Die folgende Ausweitung der Geldmenge ließ Boom- und Bust-Zyklen vielmehr in immer kürzeren Abständen entstehen. Zusätzlich verlor der Dollar über die nächsten Jahrzehnte massiv an Wert.

Als 1929 die Weltwirtschaftskrise ausbrach lag der Verbraucherpreisindex (CPI) um 73 Prozent höher als 1913. Die Preise für Waren des täglichen Bedarfs waren also deutlich gestiegen. Zugleich hatte der Dollar deutlich an Kaufkraft eingebüßt. Statt 30 Tafeln Schokolade bekam man für seinen Dollar nun nur noch 10 Rollen Toilettenpapier. Zwar war ein Dollar von 1929 immer noch so viel Wert wie rund 15 Dollar heute. Doch in nur 16 Jahren hatte die US-Währung schon 58 Prozent ihrer Kaufkraft verloren.

Der Dollar wird zur Weltleitwährung … und verliert weiter an Wert

In den Jahren nach der Großen Depression erholte sich die Währung wieder etwas. 1933 war ein Dollar so viel wert wie 20 Dollar heute. Das reichte aus, um in den Straßen von New York City 10 Flaschen Bier damit zu kaufen. Auslöser für den kurzen Auftrieb der Kaufkraft war eine deflationäre Phase, in der die Preise des Verbraucherpreisindex fielen, sowie eine Schrumpfung der Geldmenge um 31 Prozent. Doch auf die kurze Erholungsphase folgt der nächste Absturz der Dollar-Kaufkraft.

Kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges im Juli 1944 wurde auf der Konferenz von Bretton Woods die internationale Währungsordnung für die Nachkriegszeit beschlossen. Die Finanzminister und Zentralbankchefs aus 44 Ländern der Siegermächte einigten sich darauf, dass der US-Dollar künftig Weltleitwährung werden solle. Es war zugleich die Begründung des Goldstandards, denn der Dollar wurde an einen festen Gold-Wechselkurs gebunden (35 Dollar für eine Feinunze Gold). Der Kaufkraft des Dollar half das jedoch nur wenig, denn die US-Zentralbank weitete die Geldmenge massiv aus, um das durch den Zweiten Weltkrieg sowie die Kriege in Korea und später Vietnam zu finanzieren.

Der Goldstandard wird abgeschafft … und der Dollar verliert endgültig seine Kraft

Die Folge diese Ausweitung der Geldmenge führte zu einem weiteren Verfall des Dollar. Lag die Dollar-Kaufkraft bei Abschluss des Bretton-Woods-Abkommens 1944 noch bei heutigen 14,71 Dollar, waren es am Ende des Korea-Krieges 1953 bereits nur noch 9,69 Dollar. Oder anders ausgedrückt: 1944 bekam man für einen Dollar noch 20 Flaschen Coca-Cola. Neun Jahre später dagegen schon nur noch 10 Packungen Bretzeln. Und wiederum ein Jahrzehnt später, zum Höhepunkt des Vietnamkrieges 1964, lag die Kaufkraft der US-Währung nur noch bei 8,35 Dollar, dem Äquivalent einer Eintrittskarte fürs Autokino.

Der Todesstoß für den US-Dollar folgte schließlich 1971. In diesem Jahr schaffte der damalige US-Präsident Richard Nixon den auf Bretton-Woods eingeführten Goldstandard wieder ab. Fortan war der Dollar nicht mehr an einen festen Goldwechselkurs gebunden. In diesem Jahr lag die Kaufkraft noch bei heutigen 6,39 Dollar, wofür man als Normalbürger immerhin noch 17 Orangen kaufen konnte. 16 Jahre nach Abschaffung des Goldstandards, als der „Schwarze Montag“ die US-Börsen erschütterte, lag die Dollar-Kaufkraft schon nur noch bei 2,28 Dollar, gerade genug um zwei Packungen Kreide im Schreibwarenhandel zu erwerben.

Seitdem haben zahlreiche weitere Finanzkrisen die Welt erschüttert und zu ihrer Bekämpfung hat die US-Zentralbank das gemacht, was sie am besten kann: sie hat mehr Geld geschaffen und damit die angeschlagene Finanzindustrie vor dem Kollaps bewahrt. Die Folge war eine weitere Abwertung des US-Dollar. Zur Asienfinanzkrise 1997 lag die Dollar-Kaufkraft bei 1,61 Dollar (vier Grapefruits) und bei Ausbruch der Finanzkrise 2008 nur noch bei 1,20 Dollar (zwei Zitronen). Seitdem wurde die Geldmenge kontinuierlich und in nie dagewesenem Ausmaß ausgedehnt.

Als Folge dessen sind wir 2020 schließlich bei der heutigen Dollar-Kaufkraft von einem Becher Kaffee bei McDonald's angekommen. Das entspricht einem Kaufkraftverlust von mehr als 96 Prozent seit 1913.

                                                                            ***

André Jasch ist freier Wirtschafts- und Finanzjournalist und lebt in Berlin.  

ANG
Geldanlage
Geldanlage Deka verfehlt Gewinnziel und erwartet Ergebniseinbruch
26.03.2024

Die Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka verfehlt ihr Gewinnziel aufgrund einer drastischen Erhöhung der Risikovorsorge im vergangenen Jahr....

ANG
Vorsorge
Vorsorge Renten steigen zum 1. Juli um 4,57 Prozent
25.03.2024

Kräftiges Plus für Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland: Ihre Bezüge steigen im Sommer deutlicher als erwartet. Doch die...

ANG
Börse
Börse Altersvorsorge an der Börse - so geht's!
25.03.2024

81 Milliarden Euro aus Steuergeldern fließen 2022 in die Rentenkasse. Der demografische Wandel verschärft die Situation, daher gewinnt...

ANG
Geldanlage
Geldanlage Investition in Edelmetalle - wichtige Punkte beim Kauf von Gold, Silber und Platin
25.03.2024

In Edelmetalle wie Gold, Silber und Platin zu investieren ist eine vernünftige Option, um das Portfolio zu diversifizieren und sich vor...

ANG
Karriere
Karriere Babyboomer-Generation verlässt den Arbeitsmarkt - welchen Einfluss hat es auf das Rentensystem?
25.03.2024

Die bevorstehende Pensionierung der Babyboomer-Generation stellt Unternehmen und das Rentensystem in Deutschland vor neue...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Rente: Gemessen an der Wirtschaftskraft gehen die Kosten zurück
25.03.2024

Die Ausgaben für die gesetzliche Rente erreichen immer höhere Milliardenbeträge, der Bund schießt viel Steuergeld zu. Das...

ANG
Geldanlage
Geldanlage Bitcoin weiter auf Rekordhoch - Der Gesamtwert übertrifft den Wert aller Silberbestände
11.03.2024

Die Rallye von Bitcoin setzt sich fort, erreicht ein neues Rekordhoch von 72.259 Dollar und legt seit Jahresbeginn um 70 Prozent zu. Der...