Tante Mira hatte zu Lebzeiten alles, was sie brauchte. Ihr Einfamilienhaus hielt die hochbetagte alleinstehende Dame stets in Schuss, die Wohnungen in den Mietshäusern spielten kontinuierlich Mieterträge ein und ihr Geldvermögen auf der Bank florierte dank Zinseszins-Effekt. Und obgleich Tante Mira noch mit ihren 90 Jahren alles selbst regelte, geriet bei ihren Verwandten nach ihrem Tod plötzlich alles aus den Fugen. Doch was war geschehen? Tante Mira hielt sich zu Lebzeiten stets bedeckt, was ihr Testament anbelangte, um keine ungewünschten Diskussionen „vom Zaun zu brechen“, wie sie stets zu sagen pflegte. Welche Fallstricke das Thema „Vererben“ jedoch mit sich bringt, soll in den nachfolgenden Abschnitten genauer erklärt werden.
Tante Mira hatte eigentlich fast alles richtig gemacht. Ihr Organisationsgeschick machte sie schon zu Lebzeiten zu einer ehrenhaften Person. Da sie sich bereits früh mit ihrem „eigenen Ende“ auseinandersetzte, machte sie auch nicht den Kardinalfehler, den die meisten begehen, wenn es um das Tabuthema „Sterben“ geht:
Oh Schreck: Es gibt kein Testament!
Es mag trivial klingen, aber in der Tat nimmt jeder, der kein Testament oder Erbvertrag verfasst hat, billigend nach seinem Ableben in Kauf, dass über sein Vermögen das Bürgerliche Gesetzbuch, also die gesetzliche Erbfolge, entscheidet. Und diese Regeln entsprechen in den allermeisten Fällen nicht den Wünschen des Verstorbenen. Insbesondere kinderlose Paare ohne Trauschein haben das Nachsehen, da ohne Testament keine gesetzliche Erbfolge eintritt. Der überlebende Partner geht in diesem konkreten Fall immer leer aus; das Erbe wird stattdessen an die Eltern des Verstorbenen oder – wenn diese nicht mehr leben sollten – an etwaige Geschwister ausgezahlt. Auch bei kinderlosen verheirateten Paaren zeigt sich ein ähnliches Dilemma. Ohne Testament wird auch hier das Vermögen nicht ausschließlich an den länger lebenden Ehepartner ausgezahlt. Eltern und Verwandte des Verstorbenen hätten hier ebenfalls ein Anrecht auf einen Teil des Erbes und würden mit der Witwe / dem Witwer gemeinsam eine Erbengemeinschaft eingehen (d. h. nur alle gemeinsam könnten über das Erbe entscheiden!). Dass in diesen Fällen der Ärger oft vorprogrammiert ist, verwundert daher nicht. Auch Singles ohne Lebenspartner(in) sollten ihren Nachlass rechtzeitig regeln, denn ohne Benennung eines nahestehenden Vertrauten oder einer gemeinnützigen Einrichtung wird das Vermögen dem deutschen Staat zuteil.
Tante Mira wusste es schon immer – Hollywood lügt!
In vielen Filmszenen wird oft der letzte Wille per Videobotschaft übermittelt. Was in der heutigen digitalen Welt mit einem Smartphone so einfach umsetzbar wäre, erweist sich im Falle eines Testaments als absolutes „No-Go“! Zwar muss für die Verschriftlichung eines Testaments nicht unbedingt ein Notar zurate gezogen werden, aber damit das Testament auch vor Gericht standhält, muss es einer bestimmten Form genügen. Hierzu ist es unbedingt notwendig, das Testament handschriftlich zu verfassen und auf alle anderen digitalen Hilfsmittel (Computer, Smartphone, Videobotschaft oder ähnliches) zu verzichten! Des Weiteren sollte das Schriftstück als Testament benannt werden und neben dem Ort und dem Datum auch mit der persönlichen Unterschrift versehen sein.
Tante Miras einziger Fehler
Tante Mira liebte das Suchen von Ostereiern – vielleicht war auch deswegen ihr Testament in den ersten Tagen unauffindbar und hielt die Hinterbliebenen regelrecht auf Trab. Natürlich ist es ratsam, das Testament nicht achtlos und für jedermann zugänglich herumliegen zu lassen, aber zumindest eine Vertrauensperson hätte Tante Mira in ihre Versteckspiele einweihen müssen. Experten raten daher immer dazu, Testamente beim Nachlassgericht zu hinterlegen; handelt es sich um ein notarielles Testament wird es ohnehin dort verwahrt.
Schulden vererben? Darüber konnte Tante Mira nur lachen!
Einer Sache konnten sich die Verwandten ganz gewiss sein – Tante Mira würde keinen Schuldenberg hinterlassen! Aber natürlich ist das Erbe nicht immer mit einem Geldsegen verbunden, auch das Gegenteil kann eintreten und die Erben in die Schuldenfalle treiben. Damit dies nicht passiert, haben die Hinterbliebenen jedoch die Möglichkeit, das Erbe innerhalb von sechs Wochen auszuschlagen. Wer sich vorher noch über die Vermögensstruktur des Verstorbenen auf der Bank kundig machen möchte, dem sollte allerdings dieser „Pferdefuß“ bekannt sein: Mit der Aushändigung des Erbscheins durch das Nachlassgericht wird eine Annahme des Erbes seitens der Hinterbliebenen vorausgesetzt. Ein potenzieller Erbe sollte sich daher frühzeitig über etwaige Vermögensverhältnisse kundig machen.
Dr. Conradt hätte Tante Mira weiterhelfen können
Als ortsansässiger Notar wäre es Dr. Conradt ein Leichtes gewesen, Tante Mira bezüglich ihrer Wünsche in puncto Testament zu beraten und dieses im Nachgang entsprechend anzupassen. Für die Hinterbliebenen wäre dies insofern von Vorteil gewesen, dass sie bei Vorliegen eines notariellen Testaments keinen Erbschein benötigt und somit Zeit sowie Geld eingespart hätten. Auch Dr. Hilles, der Kompagnon von Dr. Conradt hätte als Steuerberater mit seiner Expertise zurate gezogen werden können, um Tante Mira hinsichtlich der Erbschaftssteuer aufzuklären. Ergo: Auf fachlichen Rat sollte aus Kostengründen nicht verzichtet werden, zumal viele verfasste Testamente unklar formuliert oder aufgrund anderer formaler Fehler schlichtweg unwirksam sind. Aber auch beim Testament gilt: Nichts ist bekanntlich für die Ewigkeit bestimmt! Daher sollte jeder sein Testament in regelmäßigen Abständen überprüfen, ob es noch den eigenen Wünschen und den gesetzlichen Gegebenheiten entspricht und nicht in Aufwand scheuen, bereits verfasste Testamente nachträglich anzupassen.