„Der Interessierte veräußert einen ideellen Anteil der Immobilie zwischen zehn und 50 Prozent an einen Anbieter“, erklärt Alexander Krolzik von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Der Aufkäufer zieht nicht mit ein, sondern erlaubt dem Anleger, dort weiterhin alleine zu wohnen“, so der Abteilungsleiter Immobilienfinanzierung, Bau- und Kaufvertrag der Einrichtung im Gespräch mit ANG. „Doch da diesen jetzt nicht mehr alles gehört, zahlt er dem Aufkäufer eine Art Miete, die auch Nutzungsentgelt genannt wird – und zwar für den Teil, der einem nicht mehr gehört“, führt der Fachmann weiter aus.
So beschreibt Krolzik den Teilverkauf von Immobilien – ein relativ neues Finanzprodukt, das auch in der Altersvorsorge eingesetzt werden kann. Wenn jemand schnelles Geld braucht, eine Bank aber keinen Kredit gewährt, dann kann es eine Möglichkeit sein, Teile seines Eigentums an einen Spezial-Anbieter zu veräußern. Die Höhe des Nutzungsentgelts liegt in der Regel pro Jahr zwischen 2,4 und 3,8 Prozent der erhaltenden Summe – je nachdem, für wie viele Jahre der Interessierte die Konditionen vereinbart hat.
Eine Rechnung dafür kann folgendermaßen aussehen: Wenn ein Teilverkäufer auf eine Summe von 100.000 Euro ein Nutzungsentgelt von 2,9 Prozent entrichtet und die Laufzeit auf zehn Jahre festgelegt ist, dann zahlt er pro Monat 242 Euro.
In den vergangenen Jahren hat diese Art der Finanzierung bei den Konsumentinnen und Konsumenten immer mehr Interesse gefunden. Die Pandemie hat bei vielen einen Einschnitt im Leben bewirkt. Zusätzlich hat der Ausbruch des Krieges in der Ukraine die allgemeine Verunsicherung, die derzeit in Deutschland herrscht, noch einmal verstärkt. Deswegen überlegen sich nun viele, wie sie ihre Finanzen neu strukturieren. „Ich habe genauso so viele Kunden in der Beratung, die Geldnöte haben, wie es welche gibt, die einfach nur zusätzliches Geld haben möchten“, erklärt Krolzik.
Hintergrund: Erst im Jahr 2018 haben Firmen professionell damit begonnen, den Teilverkauf von Immobilien als Produkt zu organisieren. Allerdings hat es dies früher schon immer gegeben, dass jemand privat ein Angebot gemacht hat, einen Teil der Immobilie abzukaufen. Neu ist die Form eines institutionellen Aufkaufs eines ideellen Immobilienanteils.
Produkt für Kunden mit akutem Finanzbedarf
Dabei ist die Dynamik des neuen Marktes groß: Im vergangenen Jahr dürfte es pro Anbieter ein paar hundert Transaktionen gegeben haben. Der Verbraucherzentrale in Hamburg sind vier überregionale Akteure bekannt. Ob manche Unternehmen nur regional tätig sind, ist den Fachleuten zufolge noch nicht absehbar. Der konkrete Kundenmarkt dürfte im dreistelligen Millionen-Bereich liegen. Der potenzielle Markt für das Thema „Wie bekomme ich Liquidität aus meiner Immobilie im Alter“ wird Schätzungen zufolge wohl hundert Milliarden Euro und sogar noch mehr betragen.
„Bei uns haben wir 2021 mehr Anteile an Immobilien angekauft als in den drei Vorjahren zusammen, bis Ende 2020 haben wir Anteile an über 400 Immobilien erworben“, sagt Christoph Neuhaus, Gründer und Geschäftsführer von „wertfaktor“. Der Anbieter gilt als Pionier an diesem relativ neuen Markt. Zu seinen Kunden zählen Geschäftsführer, Unternehmerinnen und Unternehmer, Banker oder Handwerksmeister, die sich für den Kauf einer Immobilie entschieden haben. Sie setzen darauf, dass sich deren Wert in den vergangenen zehn Jahren im zweistelligen Prozentbereich erhöht hat. Laut statistischem Bundesamt haben sich die Ein- und Zweifamilienhäuser in diesem Zeitraum bundesweit um rund 65 Prozent verteuert, in Metropolregionen haben sich die Immobilienpreise zum Teil sogar mehr als verdoppelt.
Gefahren beachten
„Das Produkt eignet sich für Menschen, die aus einem bestimmten Grund wirklich keinen Kredit von der Bank bekommen und akuten Finanzbedarf haben“, sagt Krolzik von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Dazu gehören Selbstständige, die eine nur eine sehr kleine Rente haben. Oder jemand, der gerade Insolvenz angemeldet hat. Das könnte ein 59-Jähriger sein, der schnell Geld braucht, keinen Kredit bekommt und nur einen kleinen Anteil von zehn Prozent verkauft. Er macht dann mit 65 Jahren von seinem Recht Gebrauch, diesen Teil wieder zurückzukaufen“, erklärt der Fachmann, der aber auch einen wichtigen Hinweis für die Verbraucherinnen und Verbraucher gibt, die sich für das Produkt interessieren:
„Ein Problem kann sein, dass sie dadurch wieder in eine neue Zahlungsverpflichtung kommen. Darüber hinaus wendet sich der Teilverkauf auch an Menschen, die jünger sind und tendenziell noch keine 70 Jahre alt sind. Er richtet sich an Interessierte, die glauben, sie würden keinen Bankkredit bekommen. Dabei gehen sie eine neue Zahlungsverpflichtung ein, die ihnen am Ende oft gar nichts bringt. Denn je jünger der Interessierte ist, desto länger muss er dieses Nutzungsentgelt zahlen. Von der durch den Teilverkauf erhaltenden Summe bleibt dann oft nicht mehr viel übrig, wenn man pro Jahr 3,8 Prozent der Verkaufssumme zahlen muss. Wenn jemand Anfang 60 ist und in der Immobilie vielleicht noch 20 bis 25 Jahre leben will, dann ist das Geld weg – und das halbe Haus auch. Um das zu errechnen, dafür muss man kein Mathe-Genie sein“, so der Experte der Verbraucherzentrale.