Manch einer verortet „New Work“ ausschließlich im Zusammenhang mit neuen räumlichen Arbeitskonzepten, wie beispielsweise dem Pandemie-bedingten „Homeoffice“, den großstädtischen „Co-Working-Spaces“ oder dem offenen Bürokonzept „Open Office“. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Bei eingehender Betrachtung zeigt sich ein tiefgründigeres Konzept, das viel weiter zurück in die Vergangenheit reicht, als es anfangs vermuten lässt. Die „Neue Arbeit“ ist keine Erfindung des derzeitigen Jahrzehnts. Der Ursprungsgedanke stammt bereits aus den 70er-Jahren und geht auf den österreichischen-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurück. Bergmann, der als geistiger Vater des „New Work“-Konzepts gilt, empfand die damalige Lohnarbeit, die in der Erledigung und dem Abarbeiten von Aufgaben bestand, nicht mehr als zeitgemäß und kritisierte die tradierten Hierarchien, strenge Arbeitsteilung und fehlende Selbstständigkeit der angestellten Mitarbeiter („Old Work“) in den Unternehmen. Bergmann Prinzipien einer „Neuen Arbeit (New Work)“ kehren dieses Verhältnis um. Er sieht vielmehr den Menschen im Mittelpunkt, der sich sinnstiftend und selbstständig in seiner Arbeit selbst verwirklicht. Trotz des von Bergmanns heraufbeschworenen Paradigmenwandels ließ die Arbeitswelt den „New Work“-Ansatz lange Zeit unangetastet; er wurde sogar noch vor einigen Jahren in Führungsebenen belächelt und als kurzzeitiger Trend abgetan.
Wandel der Arbeitskultur
Dass diese Sichtweise offenbar falsch war, zeigt sich spätestens seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie mehr denn je. Heutzutage gehört „New Work“ zu einer der aktuellsten Trends unserer Arbeitswelt und erweist sich in vielen Branchen als besonders wichtig. Dies ist nicht zuletzt der zunehmenden Digitalisierung, Globalisierung und der Entwicklung künstlicher Intelligenz geschuldet, die als Wegbereiter für neue Chancen und Möglichkeiten in der Ausführung und Organisation von Arbeit gelten. Aber auch durch den vorherrschenden Fachkräftemangel und den damit einhergehenden „War of Talent“ sowie die in vielen Branchen wegfallenden Arbeitsstellen durch automatisierte Prozesse wird das New-Work-Konzept immer wieder neuen Betätigungsfeldern zuteil. Obgleich „New Work“ keine Standardlösung darstellt und jedes Unternehmen selbst bestimmen muss, welche Ansätze es verwirklichen kann, um so von wachsender Innovationskraft, erhöhtem Mitarbeiter-Engagement und gesteigerter Kundenzufriedenheit zu profitieren, lassen sich einige Bestandteile charakterisieren, die die neue Arbeitsform auszeichnen.
1. Babyboomer vs. Generation Y
Die Generation der 25- bis 40-Jährigen (Generation Y / Millennials) wird als Treiber des New-Work-Prinzips angesehen. Im Gegensatz zu anderen Generationen vor ihr (1965-1979: Generation X & 1946-1964: Babyboomer) ist diese Gruppe nicht nur mit dem Computer aufgewachsen, sondern hat sich auch intensiv während ihres Erwachsenwerdens in Schule und Ausbildung mit den notwendigen Gegebenheiten des Internets und mobiler Endgeräte auseinandergesetzt. Auch das von der Ausbildung/Universität gewohnte, selbstbestimmte Arbeiten in flachen Hierarchien sowie in unterschiedlichen Projektteams und die Erkenntnis des „lebenslangen Lernens“ kommt der New-Work-Auffassung gleich und bedeutet eine zunehmende Abkehr der gewohnten Arbeitsgrundsätze der Babyboomer-Generation. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Entwicklungen, wie beispielsweise das „Homeoffice“ oder das „Remote-Arbeiten“, die seinerzeit durch Corona stark vorangetrieben und umgesetzt wurden, mehr und mehr die traditionellen, klassischen Arbeitsprozesse und Karrierewege verdrängt und so neue Unternehmens- und Prozessstrukturen auf den Plan ruft
2. Homogen vs. Mixed
Während in traditionellen Unternehmensstrukturen das Verständnis von Arbeitsorganisation überwiegend durch die Abteilungsdenke bestimmt und die Aufgaben innerhalb der Fachabteilung abgearbeitet werden, setzt die „Neue Arbeit“ bewusst auf projektübergreifende Teams. In sogenannten agilen „Mixed Teams“, die sich aus Personen aus verschiedenen Abteilungen und mit unterschiedlichen Fachkompetenzen zusammensetzen, können Projekte oftmals effizienter und zielstrebiger gelöst werden, da die Gruppe aus einer Vielfalt von heterogenen Sichtweisen schöpfen kann.
3. Tradition vs. Innovation
Fest eingefahrene Arbeitsprozesse, die seit Jahren in einem Unternehmen nach dem immer gleichen „Schema F“ umgesetzt werden, widersprechen jedweder Kreativität. Zu den Grundprinzipien von New Work zählt dagegen vor allem eines: Spaß an der Arbeit! Nur ein kreativer und offener „Workspace“ lädt auch zum Wohlfühlen und kreativen Arbeiten ein. Zu dieser Erkenntnis gelangen immer mehr Unternehmen und gestalten daher ihre zuweilen langweiligen Büros in bunte und vielfältige Arbeits-welten, um einerseits bestehende Fachkräfte an sich binden sowie sich andererseits für neue Talente als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren.
4. Leader vs. Boss
Neue Arbeitsprozesse, veraltete Führungskompetenzen? Der patriarchalische Boss mit seiner ausgeprägten Kontroll- und Weisungsinstanz hat ausgedient. Denn die durch die Anforderungen des Marktes bedingte neue Projekt-Agilität und das damit verbundene selbstständige und freie Arbeiten verlangt auch nach einem „New Leadership“. Der neue „Leader“ sollte vielmehr als vertrauensvoller Coach und Moderator mit einer klaren Vision auftreten, eine offene Fehler- und Feedbackkultur pflegen sowie empathisch und auf Augenhöhe mit seinen Mitarbeitern kommunizieren können.