Die Inflation in Deutschland hat sich im Mai merklich beschleunigt. Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 7,9 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Von Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit 7,6 Prozent gerechnet, nach 7,4 Prozent im April. Sie sagten in ersten Reaktionen:
Thorsten Polleit, Degussa Goldhandel: „Die Inflation in Deutschland erreicht im Mai 2022 mit 7,9 Prozent ein Rekordhoch seit den frühen 1950er-Jahren. Und leider gibt es nach wie vor keinen Grund für Entwarnung auf der Inflationsfront. Die Europäische Zentralbank reagiert nicht entschieden genug.“
Michael Hostein, DZ Bank: „Die hohe Teuerungsrate belastet die Budgets der Verbraucher in Deutschland erheblich. Haushalte mit relativ geringen Einkommen leiden unter der Verteuerung von Nahrungsmitteln und Energie besonders. Zwar werden die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung in den kommenden Monaten für eine gewisse Erleichterung sorgen. Die Gefahr bleibt aber, dass der Rückgang der realen Haushaltseinkommen auch zu einer weiteren konjunkturellen Eintrübung führen wird.“
Jens-Oliver Niklasch, LBBW: „Preiserhöhungen und kein Ende. Blickt man auf die vorgelagerten Stufen, dürften auch die kommenden Monate von hoher Inflation geprägt bleiben. Neben Energie werden jetzt auch Lebensmittel immer teurer. Die nun anstehenden der Monate mit einer steuerlichen Entlastung für Kraftstoffe und verbilligten Nahverkehr sind keine echte Verbesserung, sondern eher das Lehrbuchbeispiel für fiskalischen Aktionismus. Entlastung wird es erst geben, wenn den hohen Energiepreisen Einhalt geboten ist, danach sieht es aber vorerst nicht aus. Wir werden mit den nun erreichten Preisniveaus leben müssen. Vor allem einkommensschwächere Haushalte trifft das hart, da sie überproportional viel für Energie und Lebensmittel ausgeben müssen.“
Marco Wagner, Commerzbank: „Die Inflationsrate in Deutschland hat im Mai erneut zugelegt und ist unerwartet kräftig von 7,4 auf 7,9 Prozent gestiegen. Haupttreiber waren erneut die Preise von Nahrungsmitteln und Energie. Die unterliegende Inflation verharrt auf einem hohen Niveau. Angesichts des Kriegs in der Ukraine und der nach wie vor bestehenden Lieferkettenprobleme dürfte der unterliegende Inflationsdruck noch einige Zeit hoch bleiben. Morgen dürfte auch für den Euroraum ein deutlicher Anstieg der Gesamt- und Kerninflation vermeldet werden.“
Thomas Gitzel, VP Bank: „Es ist noch immer Druck im Inflationskessel. Im Einzelhandel wird es zu weiteren Preisrunden kommen. Es muss deshalb davon ausgegangenen werden, dass die Inflationsraten in noch luftigere Höhen klettern. Die EZB hat die Zeichen der Zeit zu spät erkannt. Die EZB hat die Folgen des Energiepreisanstieges nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine zu sehr auf die leichte Schulter genommen. Deutliche steigende Energiepreise fressen sich nach einiger Zeit in das breite Preisgefüge hinein. Diesen Effekt haben die Währungshüter unterschätzt.“
Friedrich Heinemann, ZEW: „Die Inflation befindet sich jetzt nahe an ihrem Gipfelpunkt. Ab der Jahresmitte wird die Inflationsrate alleine schon aus statistischen Gründen fallen, weil dann die kräftigen Preissteigerungen des ersten Halbjahres 2021 aus dem Vorjahresvergleich herausfallen. Auch wird sich die temporäre Senkung der Energiesteuern für Benzin und Diesel für die nächsten drei Monate preisdämpfend auswirken. Dieser absehbare Rückgang der Inflation darf aber nicht als langfristige Entspannung missverstanden werden. Das EZB-Inflationsziel von zwei Prozent bleibt für Deutschland und die Eurozone in sehr weiter Ferne.“
Alexander Krüger, Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank: „Der inflationäre Aufwärtsdruck hat einen langen Atem. Eine hohe Inflationsrate wird vorerst weiter zum Alltag gehören. Immerhin setzten etwas weniger Unternehmen auf Preiserhöhungen. Das Entlastungspaket der Bundesregierung wird den Inflationsdruck kaum lindern. Die Hoffnung bleibt, dass die Inflationsrate von Basiseffekten ab Herbst stärker gedrückt wird. Es ist gut und richtig, dass die EZB fleissig Zinserhöhungspläne schmiedet.“
Michael Heise, HQ Trust: „Für Konsumenten war der Mai alles andere als ein Wonnemonat: Die Preise legten weiter rasant zu und lagen um 7,9 Prozent über dem Vorjahreswert. Für Verbraucher ist kurzfristig keine Entspannung in Sicht. Die Auswirkungen des Ukrainekriegs auf die Energiepreise und die Lieferengpässe durch Chinas Lockdown-Maßnahmen werden auch in den Folgemonaten das Preisklima belasten.“