Geldanlage

Gold: Warum das Edelmetall nur bedingt als Inflationsschutz taugt

Lesezeit: 7 min
15.06.2022 13:29
Die Inflation ist zurück. Sie lässt in der Eurozone die Verbraucherpreise rasant ansteigen. Die richtige Zeit, um sein Erspartes in Gold umzuschichten? So paradox es auch klingt: Das gelbe Edelmetall eignet sich nur bedingt als Inflationsschutz, dafür umso mehr für spekulative Zwecke.
Gold: Warum das Edelmetall nur bedingt als Inflationsschutz taugt
Ist Gold geeigneter als Inflationsschutz oder Spekulationsobjekt? (Foto: iStock.com/claffra)
Foto: (Foto: iStock.com/claffra)

US-Starinvestor Warren Buffett ist kein Fan von Gold. Vor die Wahl gestellt zwischen dem gesamten Gold, das auf der Erde vermutet wird, und dem aktuellen Gegenwert des Edelmetalls in US-Dollar würde er letzteres wählen. Warum? Buffett erklärt: „Für sieben Billionen US-Dollar – so viel wäre das auf der Welt vermutete Gold in etwa Wert – kann man das gesamte Ackerland der USA kaufen sowie sieben Mal den Ölkonzern Exxon Mobil, und man hätte noch eine Billiarde US-Dollar übrig.“ Für Buffett ein deutlich besseres Geschäft, als einen gigantischen Goldhaufen zu besitzen, der zwar schön glänzt, aber keine laufenden Erträge abwirft.

Planbare Mittelzuflüsse sind eine Sache, Schutz vor der Inflation aber eine andere, mag so mancher einwenden. In Zeiten hoher Geldentwertung braucht es einen Anker im Depot und dafür eignet sich Gold. Zumindest glauben das viele Privatanleger. Die Begründung dafür lautet oft: Im Gegensatz zu Papierwährungen wie dem Euro gibt es bei Gold keine Zentralbank, die das Angebot beliebig ausweiten kann, die weltweiten Goldreserven sind schließlich begrenzt. Hinzu kommt hierzulande die Erfahrung von starker Inflation: Wer sein Erspartes zu Beginn der Weimarer Republik oder während des Zweiten Weltkrieges in Gold umtauschte, hat seine Kaufkraft bewahrt. Wer damals auf Bares setzte, hat hingegen so gut wie alles verloren.

Stabiler Geldspeicher gesucht

Die Suche nach einem sicheren Hafen für das Ersparte ist aktuell besonders akut. Denn die Verbraucherpreise sind massiv gestiegen. Die Teuerungsrate für Güter wie Energie, Wohnen und Ernährung lag im Mai in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr bei 7,9 Prozent. In den USA stieg die Inflation noch stärker: Die Preise für Waren und Dienstleistungen verteuerten sich im Mai in der größten Volkswirtschaft der Welt im Vorjahresvergleich um 8,6 Prozent. Das ist der höchste Wert seit 40 Jahren.

Kann Gold Anleger vor der Inflation schützen? Die Rendite von Gold über die letzten 50 Jahren sieht passabel aus. 1972 kostete eine Unze Gold (31,3 Gramm) ungefähr 43 US-Dollar. Heute liegt der Goldpreis bei etwas über 1800 US-Dollar pro Unze und hat sich damit mehr als vervierzigfacht. Aber: Aktien schnitten in diesem Zeitraum noch besser ab. Der US-Leitindex S&P 500 hätte mit rund 11 Prozent pro Jahr in den letzten 40 Jahren eine höhere Rendite abgeworfen. Außerdem nicht zu vernachlässigen: Der Goldpreis zog erst ab 1971 ordentlich an, nachdem US-Präsident Nixon den Goldstandard für den US-Dollar aufkündigte. Auch das Platzen der US-Immobilienblase 2008/09 gab dem Goldpreis einen erneuten Schub sowie der Ausbruch des Krieges in der Ukraine in diesem Jahr. In den Phasen dazwischen bewegte sich der Preis für das Edelmetall über lange Zeiträume nur seitwärts.

Ein etwas genauerer Blick auf den Goldpreis zeigt: Gold konnte in den vergangenen Jahren Anleger vor der Inflation schützen, wenn sie den richtigen Einstiegszeitpunkt erwischten – was meist dem Zufall überlassen bleibt. Wer etwa zu Beginn dieses Jahres Gold gekauft hat bei einem Preis von rund 1580 US-Dollar pro Unze, liegt beim aktuellen Goldpreis gut neun Prozent im Plus – ein klarer Ausgleich der Inflation. Im vergangenen Jahr 2021 fiel der Goldpreis auf Jahressicht allerdings um gut vier Prozent, während die Inflation zum Ende des Jahres auf rund sieben Prozent anstieg. Wer zu Beginn des vergangenen Jahres sich das Edelmetall in den Tresor legte, konnte der Inflation somit kein Schnippchen schlagen.

Steigende Zinsen und starker US-Dollar können Goldpreis belasten

„Um Anleger vor steigender Inflation zu schützen, muss der Goldpreis mindestens um die Inflationsrate steigen. Langfristig schafft Gold das durchaus“, erklärt Michael König, Geschäftsführer der Deutschen Börse Commodities, Emittentin des Gold-ETCs Xetra Gold. Er gesteht aber zu: „Kurzfristig ist der Goldpreis auch immer wieder Preisschwankungen unterworfen. Zwei Einflussfaktoren, die den Goldpreis zumindest kurzfristig belasten können, sind höhere Leitzinsen und ein starker US-Dollar.“

Steigende Leitzinsen vor allem in den USA machen Gold als Anlageklasse weniger attraktiv. Besonders wenn die Realzinsen ansteigen. Heißt: die Inflation wird in Zukunft wieder zurückgehen. Denn viele Anleger bevorzugen anstatt des Edelmetalls dann sichere US-Staatsanleihen. Etwa solche mit zehnjähriger Laufzeit, deren Zinssatz aktuell bei um die drei Prozent liegt.

Eine weniger expansive US-Geldpolitik lässt zudem den US-Dollar aufwerten – auch das ist schlecht für den Goldpreis. Denn ein starker US-Dollar verteuert das in der US-Währung gehandelte Edelmetall und dämpft kurzfristig die Nachfrage – vor allem in den Schwellenländern.

Gold – nur für risikofreudige Anleger?

Für Wirtschaftswissenschaftler Campbell Harvey von der Duke University taugt Gold nicht als verlässlicher Inflationsschutz, zumindest über kürzere Zeiträume. Laut einer Studie des Ökonomen, die in Zusammenarbeit mit Claude Erb entstanden ist, einem ehemaligen Portfoliomanager für Rohstofffonds, ist Gold über kürzere Zeiträume dafür zu volatil – genauso wie jede andere Anlageklasse. Laut den Untersuchungen der beiden Autoren bewahrt Gold nur über Zeiträume von mehr als 100 Jahren verlässlich seine Kaufkraft. Aber dieser Anlagehorizont ist deutlich länger als der eines typischen Investors.

Laut den beiden Ökonomen eignet sich Gold aber für eins: zur Spekulation. Schwellen- und Entwicklungsländer halten im Vergleich zu den entwickelten Volkswirtschaften immer noch wenig Goldreserven. „Wenn Schwellenländer ihre Goldbestände auf das Niveau der Industrieländer anheben, gemessen etwa an dem Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, dürfte das den Goldpreis, der sowieso schon sehr hoch ist, auf neue Höhe treiben“, schreiben die beiden Autoren in der Studie.

Ein weiteres Argument für steigende Goldpreise der beiden Autoren: Auch große Investoren halten immer noch vergleichsweise wenig Edelmetall in ihrem Depot. Dabei ist es erwiesen, dass ein Portfolio, das neben Aktien und Anleihen bis zu fünf Prozent in Gold investiert, langfristig weniger volatil ist als eine vergleichbare Wertpapierzusammenstellung, die auf den Goldanteil verzichtet. Sollten mehr Großanleger auf den Geschmack von Gold kommen, dürfte auch das dem Goldpreis Flügel verleihen.

Harvey und Erb stellen allerdings fest: Gold ist bei einem Preis von um die 1800 US-Dollar pro Unze historisch hoch bewertet ist. Das Verhältnis zwischen dem Goldpreis und seiner Kaufkraft gemessen am Konsumenten-Preis-Index liegt aktuell bei gut dem Achtfachen. Der historische Mittelwert liegt bei etwas unter vier. Sollte sich der Goldpreis dem historischen Durchschnitt angleichen, müsste der Goldpreis eigentlich fallen.

Der Fokus von Harvey und Erb liegt also auf der Nachfrageseite: Eine steigende Nachfrage nach Gold von Zentralbanken und Investoren könnte die Preise für das Edelmetall weiter nach oben katapultieren. Allerdings ist das in der Geschichte noch nie so vorgekommen. Sollte es so kommen, wäre diesmal wirklich alles anders.

World Gold Council: Schwellenländer wollen Goldreserven aufstocken

Eine steigende Nachfrage nach Gold von Seiten der Zentralbanken erwartet auch der World Gold Council, der Verband der Goldförderindustrie. Laut einer aktuellen Umfrage der Organisation mit Sitz in London rechnen 61 Prozent aller befragten Zentralbanken damit, dass die Goldreserven weltweit zunehmen. Vor einem Jahr waren es 56 Prozent. Vor allem Finanzinstitute aus den Schwellen- und Entwicklungsländern erwarten dem World Gold Council zufolge eine Ausweitung der Reserven.

Laut World Gold Council werden das „Risiko einer globalen Finanzkrise“, „die Erwartung von Veränderungen im internationalen Währungssystem“ und „höhere wirtschaftliche Risiken in den Reservewährungsländern“ als Hauptfaktoren für die Pläne zum Goldkauf genannt.

In der Umfrage heißt es: „Nur 46 Prozent der befragten Zentralbanken der Industriestaaten rechnen mit einem Anstieg ihrer Goldbestände, während 65 Prozent der befragten Zentralbanken aus den Schwellen- und Entwicklungsländern von einer Ausweitung ihrer Goldreserven ausgehen. Der von den Zentralbanken der aufstrebenden Volkswirtschaften geteilte Optimismus in Bezug auf Gold könnte sich auch in ihren Kaufabsichten niederschlagen: Alle 25 Prozent der Befragten, die beabsichtigen, ihre Goldvorräte in den nächsten zwölf Monaten zu erhöhen, stammen aus den Schwellen- und Entwicklungsländern.“

Ein schlagendes Argument für ein Investment in Gold? Für Anleger stellt sich die Sache folgendermaßen dar: Wer auf eine steigende Goldnachfrage spekulieren möchte, für den kann sich aktuell bei dem Edelmetall der Einstieg anbieten. Wer einen sicheren Inflationsschutz sucht, der über kürzere Zeiträume wenig schwankt, muss sich woanders umsehen. Für Investoren im Stile Warren Buffetts, die planbare Erträge wollen, ist Gold sowieso nichts.

***

Martin Grajner ist freier Journalist. Sein Schwerpunkt sind Börsen- und Finanzthemen, vor allem mit Nachhaltigkeitsbezug. 

 

ANG
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