Börse

Deindustrialisierung: Die große Gefahr für die Altersvorsorge

Lesezeit: 4 min
10.10.2022 15:39  Aktualisiert: 10.10.2022 15:39
Immer mehr Experten warnen vor einer Abwanderung vieler Industriebetriebe. Das könnte nicht bloß Arbeitsplätze kosten.
Deindustrialisierung: Die große Gefahr für die Altersvorsorge
Eine verlassene Fabrik wartet auf den Abriss. (Foto: iStock.com/Alan_P)
Foto: Alan_P

Die Warnungen vor einer Deindustrialisierung Deutschlands werden dringlicher und in Teilen der deutschen Wirtschaft greift Panikstimmung um sich. Etwa erwartet der Ökonom des Münchner ifo-Instituts Oliver Falck „vorübergehende Produktionseinstellungen und die Verlagerung besonders energieintensiver Produktionsschritte ins Ausland.“

Das werde zwar nicht von heute auf morgen geschehen, weil die energieintensive Produktion kapitalintensiv sei – also teuer –, und sich nicht ohne Weiteres verlagern lasse. „Wir werden aber bei Neuinvestitionen wahrscheinlich Verlagerungen ins Ausland sehen“, erklärt der Volkswirt.

Auch die Deutsche Bank warnt in einer Analyse, die Energiekrise treffe Deutschland bis ins Mark. „Wenn wir in etwa zehn Jahren auf die aktuelle Energiekrise zurückblicken werden, könnten wir diese Zeit als Ausgangspunkt für eine beschleunigte Deindustrialisierung in Deutschland betrachten“, schreiben die Autoren. Laut der Studie deindustrialisiert die energieintensive Industrie in Deutschland bereits seit Jahrzehnten schleichend, aber die Energiekrise beschleunige aktuell den Trend.

Unternehmer sehen schwarz

Bedrängte Unternehmer sehen die Lage noch sehr viel dramatischer als Ökonomen. Größtes Kostenproblem für viele industrielle Mittelständler ist nicht Erdgas, sondern der Strom. Manche Unternehmen kauften nämlich Strom jahrelang am Spotmarkt ein, weil die Preise dort günstiger waren als langfristige Lieferverträge.

Doch die Spotpreise haben sich vervielfacht, und auch vielen Unternehmen mit langfristigen Lieferverträgen stehen nun immense Strompreiserhöhungen bevor. Zum Jahresende werden vielerorts die Verträge auslaufen. Viele Firmen zahlten bislang weniger als zehn Cent pro Kilowattstunde, nun stehen Preise um die 40 Cent ins Haus, wie Andrea Thoma-Böck berichtet, Geschäftsführerin des Familienunternehmens Thoma Metallveredelung in Heimertingen.

„Nur noch sehr wenige Unternehmen werden in der glücklichen Lage sein, noch in 2023 abgedeckt zu sein“, sagt die Unternehmerin. „Der Rest wacht in dieser neuen Preiswelt auf, die für kein Unternehmen zu stemmen ist.“ Manche Firmen finden niemand, der ihnen noch Strom verkaufen wollte: „Erschwerend kommt hinzu, dass vielen Unternehmen ein Stromvertrag verweigert wird“, sagt Thoma-Böck.

Wohlstand in Gefahr

Die Deindustrialisierung gefährdet denn auch nicht bloß Arbeitsplätze, sondern den allgemeinen Wohlstand Deutschlands und somit auch die Altersvorsorge der Deutschen. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Peter Adrian, warnt etwa vor einem Wohlstandsverlust unbegreiflichen Ausmaßes. Die Gaspreise seien in Deutschland aktuell etwa zehnmal so hoch wie in den USA. „Wenn die Energiepreise nicht deutlich sinken, gehen spätestens in sechs Monaten bei Zehntausenden Betrieben hierzulande die Lichter aus“, sagte er der Rheinischen Post.

Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft wies bereits im Jahr 2014 darauf hin, dass die Industrie entscheidend für den deutschen Wohlstand sei. Demnach kommen 65 Prozent aller Forschungs- und Entwicklungsausgaben aus Betrieben des Sektors. 14,4 Prozent aller Beschäftigten arbeiteten in der Industrie, aber 17 Prozent der Gehälter kamen aus diesem Wirtschaftszweig.

Eine Stunde Industriearbeit schaffte denn auch 32 Euro an Wertschöpfung, berichtete die Studie. Das sei 15 Prozent mehr als in jedem anderen Sektor. Volkswirtschaften mit großer Industrie wuchsen in den Jahren nach 2000 überdurchschnittlich. (dpa/eli)

***

Altersvorsorge-neu-gedacht.de ist eine Publikation von Bonnier Business Press Deutschland und ist Ratgeber zu den Themen Vorsorge und Geldanlage.

ANG
Geldanlage
Geldanlage Deka verfehlt Gewinnziel und erwartet Ergebniseinbruch
26.03.2024

Die Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka verfehlt ihr Gewinnziel aufgrund einer drastischen Erhöhung der Risikovorsorge im vergangenen Jahr....

ANG
Vorsorge
Vorsorge Renten steigen zum 1. Juli um 4,57 Prozent
25.03.2024

Kräftiges Plus für Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland: Ihre Bezüge steigen im Sommer deutlicher als erwartet. Doch die...

ANG
Börse
Börse Altersvorsorge an der Börse - so geht's!
25.03.2024

81 Milliarden Euro aus Steuergeldern fließen 2022 in die Rentenkasse. Der demografische Wandel verschärft die Situation, daher gewinnt...

ANG
Geldanlage
Geldanlage Investition in Edelmetalle - wichtige Punkte beim Kauf von Gold, Silber und Platin
25.03.2024

In Edelmetalle wie Gold, Silber und Platin zu investieren ist eine vernünftige Option, um das Portfolio zu diversifizieren und sich vor...

ANG
Karriere
Karriere Babyboomer-Generation verlässt den Arbeitsmarkt - welchen Einfluss hat es auf das Rentensystem?
25.03.2024

Die bevorstehende Pensionierung der Babyboomer-Generation stellt Unternehmen und das Rentensystem in Deutschland vor neue...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Rente: Gemessen an der Wirtschaftskraft gehen die Kosten zurück
25.03.2024

Die Ausgaben für die gesetzliche Rente erreichen immer höhere Milliardenbeträge, der Bund schießt viel Steuergeld zu. Das...

ANG
Geldanlage
Geldanlage Bitcoin weiter auf Rekordhoch - Der Gesamtwert übertrifft den Wert aller Silberbestände
11.03.2024

Die Rallye von Bitcoin setzt sich fort, erreicht ein neues Rekordhoch von 72.259 Dollar und legt seit Jahresbeginn um 70 Prozent zu. Der...