Die Euro-Währungshüter lassen sich trotz der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor nicht von ihrem Kampf gegen die hohe Teuerung abbringen. Der EZB-Rat beschloss, den Leitzins im Euroraum um weitere 0,5 Punkte auf 3,5 Prozent zu erhöhen. Es war die sechste Zinserhöhung in Folge. „Wir sind entschlossen, die Inflation zu bekämpfen. Das sollte nicht angezweifelt werden“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag in Frankfurt. „Es gibt keinen Zielkonflikt zwischen Preisstabilität und finanzieller Stabilität.“
Der Kollaps mehrerer kleinerer US-Banken und Sorgen um die Schweizer Großbank Credit Suisse hatten Erinnerungen an die weltweite Finanzkrise infolge der Pleite der Lehman-Bank vor rund 15 Jahren geweckt. „Der Bankensektor ist viel, viel stärker als 2008“, betonte Lagarde. Der Sektor sei widerstandsfähig, Kapital- und Liquiditätspositionen seien solide. Die EZB verfüge zudem über alle geldpolitischen Instrumente, um das Finanzsystem des Euroraums wenn erforderlich mit Liquiditätshilfen zu unterstützen.
Für die Zukunft legte sich die Notenbank nicht fest. Weitere Entscheidungen würden auf der Grundlage von Daten getroffen, betonte Lagarde. Henriette Peucker, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Bankenverbandes mahnte, die EZB sollte ihren Kurs fortsetzen. «Auch nach der heutigen Leitzinserhöhung kann für die Inflation im Euroraum noch keine Entwarnung gegeben werden.»
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht in der Zinserhöhung eine Investition in die Glaubwürdigkeit der EZB. „Mit ihrer beherzten Zinsentscheidung hat sie unterstrichen, dass sie sich nicht so schnell vom Ziel der Preisstabilität abbringen lassen will.“
Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von zwei Prozent an. Diese Zielmarke ist seit Monaten weit entfernt. Zwar hat sich die Inflation im gemeinsamen in den vergangenen Monaten tendenziell abgeschwächt, zuletzt aber nur langsam. Im Februar lag die Inflationsrate im gemeinsamen Währungsraum bei 8,5 Prozent nach 8,6 Prozent im Januar. Angeheizt wurde die Teuerung zunächst vor allem von gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreisen. Inzwischen erfasst der Preisanstieg immer weitere Bereiche des Lebens.
„Hohe Zinsen drohen zwar die Wirtschaftsleistung zu schwächen, eine dauerhaft hohe Inflation könnte aber noch größeren wirtschaftlichen Schaden anrichten. Deshalb ist der Kurs der EZB richtig“, sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Helmut Schleweis.
Die Notenbank geht nach der Anfang März erstellten Vorhersage in diesem Jahr von einer etwas geringeren Inflation und einem stärkeren Wirtschaftswachstum in der Eurozone aus als vor drei Monaten. Sie rechnet 2023 im Schnitt mit einer Inflationsrate von 5,3 Prozent im gemeinsamen Währungsraum der inzwischen 20 Mitglieder (Dezember: 6,3 Prozent). Die Wirtschaft soll um 1,0 Prozent wachsen und damit stärker als die im Dezember noch vorhergesagten 0,5 Prozent.
Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sie können sich für einen Euro weniger leisten. Steigende Zinsen können hohen Teuerungsraten entgegenwirken, weil sich Kredite verteuern und das die Nachfrage bremst. Stark steigende Zinsen können allerdings Banken unter Druck setzen, wie sich jüngst am Kollaps der Silicon Valley Bank in den USA zeigte.
Experten halten eine weltweite Finanzkrise wie nach dem Zusammenbruch der Lehman-Bank aber bislang für unwahrscheinlich. Nach Einschätzung des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Martin Wansleben, zeigt die jüngste Zinserhöhung, „dass die EZB die Risiken für die Finanzstabilität für überschaubar hält“.
Der sogenannte Einlagensatz, den Kreditinstitute erhalten, wenn sie Geld bei der EZB parken, steigt nach der Entscheidung des EZB-Rates vom Donnerstag auf 3,00 Prozent. Seit der Kursänderung der EZB im Juli profitieren Sparer von steigenden Zinsen für Tages- und Festgeld. Allerdings mindert die hohe Inflation die Erträge.