Der irische Schriftsteller Oscar Wilde soll einmal gesagt haben: „Als ich klein war, glaubte ich, Geld sei das Wichtigste im Leben. Heute, da ich alt bin, weiß ich: Es stimmt.“ Denn Wilde verstand im Alter vermutlich, dass Geld mehr ist als nur reines Tauschmittel. Geld ermöglicht seinem Besitzer, jederzeit Waren und Dienstleistungen (und im Fall von Oscar Wilde auch jede Menge Luxusgüter) zu kaufen, ist universelles Tauschmittel und eignet sich zugleich als Wertaufbewahrung, wie jeder Sparer weiß. Doch wie entsteht Geld?
Wie kommen Scheine und Münzen in Umlauf?
Bei Geldschöpfung denken viele vermutlich zuerst an Bargeld. Immerhin sind es Scheine und Münzen, mit denen wir im Alltag einkaufen gehen. Bargeld ist in Deutschland gesetzliches Zahlungsmittel und muss somit von jedem Anbieter von Waren und Dienstleistungen akzeptiert werden. Die Bürger versorgen sich bei Geschäftsbanken und Geldautomaten mit dem nötigen Bargeld. Doch woher kommen die Banknoten aus dem Geldautomaten?
Die Macht der Bargeldschöpfung obliegt den Zentralbanken. Im Euro-Raum ist das die Europäische Zentralbank, in Deutschland die Deutsche Bundesbank. Die Bundesbank verfügt in Deutschland über das alleinige Recht, Bargeld herzustellen und an die Geschäftsbanken auszugeben. Man spricht hierbei vom Notenmonopol. Die Prägung von Euro-Münzen obliegt dagegen den Mitgliedsstaaten, weshalb jede Münze neben einer europäischen auch eine nationale Seite hat. In Deutschland übernimmt das Bundesfinanzministerium diese Aufgabe. Die vom Staat geprägten Münzen werden anschließend an die Bundesbank verkauft, damit diese sie in Umlauf bringt.
Alle Geschäftsbanken haben bei der Bundesbank ein eigenes Konto und damit einen Anspruch auf Bargeld. Wenn eine Geschäftsbank Bargeld benötigt, hebt sie es bei ihrem Zentralbankkonto ab. Sollte das Konto nicht gedeckt sein, nimmt die Geschäftsbank bei der Zentralbank einen Kredit auf und hinterlegt dafür Sicherheiten, in der Regel Wertpapiere, Devisen oder Schuldverschreibungen. Den Kreditbetrag schreibt die Zentralbank dem Konto der Geschäftsbank gut und schafft dadurch neues Geld. Die Geschäftsbank kann sich diesen Betrag dann in Form von Bargeld auszahlen lassen. Anschließend wird das Bargeld an die Geschäftsbanken ausgeliefert, die damit wiederum ihre Tresore und Geldautomaten auffüllen.
Außerdem erhalten die Geschäftsbanken auch Bargeld durch Einzahlungen kleiner und großer Unternehmen, allen voran Einzelhändler und Kaufhäuser. Wenn die Geschäftsbank einen Überschuss an Bargeld hat, kann sie diesen bei der Zentralbank einlagern. Sollten die Kunden jedoch mehr Geld an den Schaltern und Automaten abheben, als sie einzahlen, muss die Geschäftsbank sich wieder neues Bargeld von der Zentralbank beschaffen und der Kreislauf beginnt von neuem.
Das meiste Geld existiert nur digital
Bargeld erfreut sich in Deutschland großer Beliebtheit. Auch die Pandemie hat daran nichts geändert. Vielmehr scheint sie dazu geführt zu haben, das Bargeld als Wertspeicher in Krisenzeiten wieder in Mode gekommen ist. Die Bundesbank schätzt, dass 40 Prozent der Bargeldnachfrage darauf zurückzuführen sind, wie das Handelsblatt berichtet. Die in Umlauf befindliche Menge Bargeld nimmt stetig zu. In den vergangenen zehn Jahren stieg sie jährlich um etwa 6 Prozent, wie aus Daten der Bundesbank hervorgeht. Die Menge der Banknoten im gesamten Euro-Raum belief sich 2020 auf mehr als 1,4 Billionen Euro. Dagegen waren 2020 nur rund 138 Milliarden Münzen im Gesamtwert von mehr als 30 Milliarden Euro in Umlauf.
Auch wenn sich das nach riesigen Geldbeträgen anhört, trügt der Schein. Bargeld spielt im Geldsystem nur eine untergeordnete Rolle. Vom gesamten Geld, das sich in Umlauf befindet, sind nur etwa 10 Prozent Bargeld. Der Rest ist sogenanntes Buchgeld (oder Giralgeld). Dieses Geld existiert nur als digitaler Eintrag auf den Konten von Bürgern und Unternehmen. Buchgeld wird jedoch anders als das Bargeld nicht von den Zentralbanken, sondern von den Geschäftsbanken geschaffen.
Jedes Mal, wenn eine Geschäftsbank einen Kredit vergibt, wird neues Buchgeld geschaffen. Wenn beispielsweise ein Kunde einen Kredit für einen Hauskauf aufnimmt, schreibt die Bank dem Konto des Kunden den Kreditbetrag gut und schafft so neues Geld, das zuvor nicht existierte. Anders, als die meisten Menschen glauben, verleiht die Bank dabei nicht die Spareinlagen der anderen Kunden an den Kreditnehmer. Vielmehr schöpft sie das Geld aus dem Nichts, weshalb man bei dieser Form des Geldes auch von Fiatgeld spricht (fiat money, „Es werde Geld!“), abgeleitet vom Lateinischen Spruch fiat lux („Es werde Licht!“).
Auch für Buchgeld gibt es Grenzen
Das Buchgeld stellt lediglich einen Anspruch auf Bargeld dar. Und da die meisten Transaktionen ohnehin mit Buchgeld abgewickelt werden, baut das Geschäftsmodell der Bank darauf, dass nicht alle Kunden gleichzeitig ihre Ansprüche auf Bargeld geltend machen. Andernfalls wäre die Bank nämlich sofort insolvent, da sie nicht über die ausreichenden Bargeldreserven verfügt, um alle Ansprüche gleichzeitig zu befriedigen.
Die Geschäftsbanken können allerdings nicht unbegrenzt neues Buchgeld schöpfen, sondern sind an strikte Bankgesetze gebunden. Sie müssen immer eine gewisse Mindestreserve an Bargeld parat haben. Diese unterscheidet sich von Land zu Land, liegt jedoch in der Regel um die 10 Prozent. Das heißt aber im Umkehrschluss auch, dass die Banken etwa das zehnfache an Krediten vergeben können, was sie als Bargeldreserven zur Verfügung haben.
Ende des Goldstandards
Spätestens seit 1971 sind sowohl Bargeld als auch Buchgeld nicht mehr gedeckt. In diesem Jahr schaffte der damalige US-Präsident Richard Nixon den Goldstandard ab. Bis dahin konnte Geld gegen einen festgelegten Wert Gold bei jeder Bank eingetauscht werden. Seitdem bezieht Geld seinen Wert nur noch aus zwei Dingen: der Macht der Regierungen, die dieses Geld ausgeben und dem Vertrauen der Bürger in dieses Geldsystem. Deshalb ist der US-Dollar auch heute noch die Weltleitwährung, obwohl er seit Abschaffung des Goldstandards mehr als 85 Prozent an Kaufkraft verloren hat. Die USA sind noch immer die mächtigste Regierung der Welt, haben das größte Militär weltweit und bestimmen dadurch den internationalen Handel.
Das Vertrauen in ein stabiles Geldsystem ist die wichtigste Stütze dieses Systems. Solange die Nutzer des Geldsystems an seinen Fortbestand glauben und solange die Preise stabil bleiben, so lange funktioniert das System. Das konnte man sehr anschaulich zur Zeit der Finanzkrise in Griechenland beobachten. Dort verloren die Bürger im Zuge der Finanzkrise das Vertrauen in Regierungen und Banken. Sogenannte bank runs fanden statt, bei denen die die Bürger vor Bankautomaten Schlange standen, um ihr gesamtes Erspartes abzuheben. Die Banken haben daraufhin Begrenzungen für tägliche Abhebungen eingeführt, um ihre Insolvenz abzuwenden.
Einfluss der Zentralbanken ist begrenzt
Dass das Geldsystem auf Vertrauen basiert, weiß auch die Deutsche Bundesbank. Deshalb schreibt sie zum Thema Geldpolitik (S.10): „Geld wird nur akzeptiert, wenn alle Besitzer des Geldes darauf vertrauen können, dass es seinen Wert behält. Bei vollwertigen Münzen lag der Wert des Geldes in seinem Warenwert, meist Gold oder Silber. Bei Banknoten und Buchgeld gibt es keinen Warenwert mehr und sie können quasi ,aus dem Nichts‘ produziert werden. Daher muss es eine Instanz geben, die den Geldumlauf kontrolliert und die Geldwertstabilität gewährleistet. Diese Aufgaben werden heutzutage meist unabhängigen Zentralbanken übertragen.“
Die Zentralbanken haben jedoch nur begrenzten Einfluss auf die Geldschöpfung der Geschäftsbanken. Das wichtigste Mittel, mit dem die Zentralbanken Einfluss auf die Geldschöpfung nehmen können, ist der Leitzins. Der Leitzins beschreibt den Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Zentralbank neues Bargeld in Form von Krediten beschaffen können. In inflationären Zeiten erhöht die Zentralbank üblicherweise den Leitzins. Dadurch erhöhen auch die Geschäftsbanken die Zinsen für ihre Kredite, wodurch weniger Kunden Interesse an Kredite haben und die Kreditvergabe abnimmt. Umgekehrt senkt die Zentralbank in deflationären Zeiten sinkender Preise den Leitzins, um die Kreditvergabe (und damit die Geldschöpfung) anzukurbeln.
Die Leitzinsen sind Jahren auf extrem niedrigem Niveau, was zu einer Ausweitung der Geldmenge geführt hat sowie drastische Folgen für Sparer und Rentner hat. Ein anderer Weg für Zentralbanken, die Geldmenge zu beeinflussen, ist der Aufkauf von Wertpapieren. Die Zentralbanken haben nach der Finanzkrise 2008 damit begonnen, im großen Umfang Unternehmensanleihen, Staatsanleihen und Aktien aufzukaufen, um die Finanzmärkte vor dem Kollaps zu bewahren. Dadurch haben sie zusätzliches Geld ins Geldsystem gepumpt und die Geldmenge ausgedehnt. Im schlimmsten Fall hat dies jedoch Inflation zur Folge, also eine Phase steigender Preise. Da zu viel Geld vorhanden ist, verliert Geld seinen Wert und die Bürger das Vertrauen in das System.