„Wir können stabile Renten garantieren“ – so versprach es Kanzlerkandidat Olaf Scholz im Wahlkampf. Als Ergebnis ihrer Sondierungen hat Scholz' SPD mit Grünen und FDP erneut „eine gute und verlässliche Rente“ versprochen. Doch schon heute lässt der Bund fast 80 Milliarden Zuschuss in die Rentenkasse fließen, sogar mehr als 100 Milliarden sind es inklusive Mitteln etwa für die weitere Finanzierung bestimmter Rentenleistungen aus der DDR. Wie sollen also hehren Rentenversprechen eingelöst werden?
Was haben SPD, Grüne und FDP an Neuem in der Rente vor?
Zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und -beitragssatz wollen die Ampelpartner in eine teilweise Kapitaldeckung der Rentenversicherung einsteigen. Geld soll also auf dem Kapitalmarkt angelegt werden. Heute wird die Rentenversicherung vor allem aus Beiträgen und Steuermitteln finanziert. In einem ersten Schritt soll der Rentenversicherung laut Sondierungspapier im kommenden Jahr ein Kapitalstock von 10 Milliarden Euro zukommen. Wie es dann damit weitergehen soll, ist bisher offen.
Wie bewertet die Rentenversicherung die Kapitalpläne?
„Aus unserer Sicht lassen die Formulierungen im Sondierungspapier sehr viele Fragen offen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Rentenversicherung, Alexander Gunkel, am Donnerstag in Berlin. Etwa wozu der geplante Kapitalstock genau dienen soll. Denn er müsste mit „sehr, sehr erheblichen Summen“ gefüllt werden, wenn damit das Rentenniveau und der Beitragssatz dauerhaft gesichert werden sollten, so Gunkel.
Was heißt dauerhafte Sicherung von Rentenniveau und Beitragssatz?
Gemeint ist, dass diese zentralen Werte bei der Rente nicht viel ungünstiger werden in den kommenden Jahren. Da aber immer mehr Babyboomer in Rente gehen und es immer weniger Beitragszahler geben dürfte, könnte dies erhebliche Milliardensummen kosten. Heute liegt der Satz, zu dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer Beiträge aufs Einkommen an die Rentenkasse zahlen, bei 18,6 Prozent. Das dürfte laut aktueller Schätzung nur bis 2023 stabil bleiben. Das Rentenniveau, das die Sicherungskraft der Rente als Verhältnis zum Lohn angibt, beträgt 49,4 Prozent – und dürfte laut Schätzung bis 2025 nur auf 49,2 Prozent sinken. Doch danach steigt der Satz wohl immer stärker an, während das Rentenniveau absinkt – wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird.
Kann der geplante Kapitalstock so eine Absicherung leisten?
Wenn längerfristige Stabilität durch den Kapitalstock erreicht werden solle, seien „viel höhere Beträge“ nötig als derzeit angekündigt, so Gunkel. „Selbst wenn man über zehn Jahre hinweg stets 10 Milliarden jährlich an den Kapitalstock der Rentenversicherung zuführt, würden die Mittel auch bei einer Rendite von 8 Prozent jährlich im Jahr 2032 noch nicht einmal ausreichen, um die Gesamtausgaben der allgemeinen Rentenversicherung für vier Monate zu decken oder den Beitragssatz dann mit den Beträgen aus dem Kapitalstock um mehr als nur 0,5 Prozentpunkte zu mindern.“
Hat die Ampel mehr Neues vor, um die Rente zu sichern?
Ja. „Wir werden der Deutschen Rentenversicherung auch ermöglichen, ihre Reserven am Kapitalmarkt reguliert anzulegen“, kündigten SPD, Grüne und FDP an. Doch bereits bisher legt die Rentenversicherung ihre Reserve – im September 33,2 Milliarden Euro – an. Doch das Ende der Fahnenstange ist hier schnell erreicht, wenn die Reserve nicht kräftig aufgestockt werden soll. Spätestens gegen Ende dieser Legislaturperiode wird das „Nachhaltigkeitsrücklage“ genannte Polster laut Rentenversicherung nur noch auf ein Mindestniveau abschmelzen. Das ist vorgesehen, um die Rentenkasse überhaupt liquide genug zur Zahlung der Renten zu halten. „Dann wird die Anlage der Nachhaltigkeitsrücklage ausschließlich darauf gerichtet sein müssen, kurzfristig ausreichend Liquidität für die nächste Rentenzahlung sicherzustellen“, so Gunkel.
Was könnte eine mögliche Ampelkoalition also tun?
Vorgenommen haben sich die drei Parteien, die Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren sowie die Einwanderung von Arbeitskräften zu stärken, so dass mehr Beiträge fließen. Eine Reform der privaten Altersvorsorge soll zudem den Schwächen der Riesterrente begegnen: Über einen öffentlich verwalteten Fonds soll es günstige und effiziente Angebote geben – „mit Abwahlmöglichkeit“, wie es im Sondierungspapier heißt, also zunächst einmal wohl verpflichtend. Für eine kompletten Neuordnung sieht Gunkel zwar keine Veranlassung: „Wir sehen das Rentensystem nicht in der Krise.“ Wirtschaftsverbände und Ökonomen mahnen allerdings seit Jahren, die Kosten nicht immer weiter in die Höhe steigen zu lassen und Steuer- und Beitragszahler nicht immer mehr zu belasten.
Fehlt der Rentenversicherung etwas in den bisherigen Ampel-Plänen?
Ja. Unisono forderten ihre Spitzenvertreter die wahrscheinlichen Koalitionspartner zur besseren Absicherung der Selbstständigen auf. Überrascht zeigte sich Gunkel, dass dies bisher nicht konkret angekündigt ist. „Wir halten es für vordringlich, dass jetzt das in mehreren Legislaturperioden vertagte Thema der Altersvorsorgepflicht für Selbstständige angegangen wird“, sagte Gunkel. Die Präsidentin der Rentenversicherung, Gundula Roßbach, sagte, Deutschland sei das einzige Land in Europa, in dem Selbstständige nicht obligatorisch abgesichert seien. „In der digitalen Welt brauchen wir unbedingt flankierende Maßnahmen.“ Roßbach verwies auf die oft schlechte Absicherung bei via Internet organisierten Dienstleistungen der Plattformökonomie. Anja Piel, die Arbeitnehmervertreterin des Rentenvorstands, sagte, in der Corona-Krise habe sich gezeigt, dass viele Selbstständige keinen Sicherungsanker hätten. (Basil Wegener, dpa)