Börse

Die Börse wurde in einen Zirkus verwandelt

Lesezeit: 3 min
25.02.2021 13:28  Aktualisiert: 25.02.2021 13:28
Die Finanzwelt hat sich meilenweit von der Realwirtschaft entfernt. Die Gründe für diese Entwicklung sind einfach – und erschreckend zugleich.
Die Börse wurde in einen Zirkus verwandelt
Das Mantra lautet „Stonks only go up“ – bis zur Bruchlandung. (Foto: iStock.com/Josianne Toubeix)
Foto: Josianne Toubeix

Analyse von David Wehner, Senior Portfoliomanager bei Do Investment AG:

Uns wurde in den ersten Monaten dieses Jahres und seit der Finanzkrise noch nie so klar vor Augen geführt, inwieweit sich die Finanzwelt von der Realwirtschaft entfernt hat. Kleinanleger, die sich über Social-Media-Plattformen zusammenschließen und Hedge-Fonds unter Druck setzen, Mega-Caps, die mit ihren Bitcoin-Investitionen mehr verdienen als mit ihrem Kerngeschäft, unprofitable Unternehmen mit Rekordbewertungen, Börsentipps und Tesla-Analysen im SAT.1 Frühstücksfernsehen. Kurzum: Die Börse wurde in den vergangenen Monaten in einen Zirkus verwandelt.

Die Gründe für diese Entwicklung sind einfach – und erschreckend zugleich: Die extrem lockere Geldpolitik der letzten zwölf Monate und die anhaltend expansive Fiskalpolitik haben zu starken Überbewertungen oder sogar zu Blasen in einigen Sektoren geführt. Zudem wird diese Entwicklung von bekannten Persönlichkeiten, wie Elon Musk, befeuert, die sich einen Spaß daraus machen, Aktien oder Kryptowährungen durch eine Nennung bei Twitter nach oben zu treiben. Das Mantra lautet „Stonks only go up“

Extreme Fallhöhen, neue Hypes

Es ist richtig, dass die Aufwärtsphasen an den Kapitalmärkten weitaus länger andauern als die Abwärtsphasen. Darüber hinaus haben sich die Märkte daran gewöhnt, dass die Zentralbanken bei jeder Marktkorrektur intervenieren. Allerdings kommt es bei den Korrekturen auf die Fallhöhe an – und diese ist in einigen Segmenten extrem. Die unprofitablen Technologiewerte haben den „“S&P 500“-Aktienindex in den ersten sechs Wochen des laufenden Jahres um 30%-Punkte in der Performance übertroffen. Insgesamt 750 Unternehmen des breiten Aktienindex Russell 3000 haben eine Ein-Jahres-Performance von über 50 %. Dabei sind die Covid-19-bedingten Tiefstände aus März 2020 noch nicht in diesen Zahlen enthalten.

Zusätzlich hat sich ein neuer Hype um die sogenannten Special Purpose Acquisition Companies (SPACs) etabliert. Dabei nimmt eine Mantelgesellschaft, eine SPAC, über einen Börsengang Kapital auf, das sie anschließend in die Übernahme eines zuvor nicht spezifizierten anderen Unternehmens steckt. Jedem zweiten Unternehmen gelingt also ein Börsengang ohne Prospekt; der Investor kauft bei SPACs sprichwörtlich die Katze im Sack.

Die ersten Nebeneffekte dieser Übertreibungen sind mittlerweile zu erkennen. Aktien wie Gamestop und AMC Entertainment haben ihre Höchststände längst verlassen und sind um bis zu 90 % gefallen. Das Unternehmen Workhorse Group Inc, das elektrische Lieferwagen herstellt, mit einem Umsatz von 100.000 US-Dollar und kürzlich einer Bewertung von 1,5 Mrd. US-Dollar, hat sich von seinem Hochpunkt gedrittelt – nachdem es einen wichtigen Auftrag der US-Post nicht erhalten hat.

Zentralbanken: Rechts ist das Gas

Den Gesamtmarkt haben diese Ereignisse bislang nicht stark in Mitleidenschaft gezogen. Denn: Bis jetzt ist klar, dass die Zentralbanken – trotz einer besseren Konjunktur und einer steigenden Inflation – geldpolitisch das Gaspedal weiterhin durchdrücken werden. Zudem steht neues Helikoptergeld bereit. So wird die US-Regierung voraussichtlich im März ein neues Stimuluspaket in Höhe von 1,9 Billionen US-Dollar verabschieden. Ein Infrastrukturprogramm mit einem Volumen von 3,5 Billionen US-Dollar ist ebenfalls in der Pipeline. Die daraus resultierenden Inflationsimpulse werden die Zentralbanken mit neuen Maßnahmen wie der Zinsstrukturkurvenkontrolle eindämmen. Denn eins kann die Weltwirtschaft und der Aktienmarkt überhaupt nicht vertragen: steigende Zinsen.

„Old but gold“

Doch es gibt sie noch, die unterbewerteten „Boomer“-Aktien, die so herkömmliche Dinge machen wie einfach Waren zu produzieren. Es sind die Verlierer der vergangenen zehn Jahre, die von einer guten Konjunkturaussicht und steigender Inflation profitieren. Industriewerte, Chemie- und Rohstoffunternehmen als auch Automobilkonzerne werden zu den Gewinnern nach der Covid-19-Pandemie gehören. Gold wird ebenfalls von der steigenden Inflation und negativen Realzinsen profitieren und seine Konsolidierungsphase seit August 2020 beenden. Bei den Trends der vergangenen zwölf Monate sollte man hingegen zur Vorsicht neigen.

Die Do Investment AG ist Teil der Unternehmensgruppe von Silvius Dornier. Eingebunden in ein Netzwerk und in enger Verknüpfung mit dem Family Office der Familie Silvius Dornier werden Privatpersonen, mittelständische Unternehmerfamilien, konservative Institutionen und Stiftungen ganzheitlich in allen Fragen der Vermögensplanung und des Vermögensmanagements betreut.

Mehr zum Thema lesen Sie hier:

Interview: „Die Abneigung gegen Aktien wurde den Deutschen antrainiert“

Warren Buffett: 7 Investment-Tipps des Börsen-Gurus

Auf den Märkten wird die Schwerkraft aufgehoben

(Noch) keine Angst vor Blasenbildung!

Wann platzt die Blase der Börsenneulinge?

***

Altersvorsorge-neu-gedacht.de ist eine Publikation von Bonnier Business Press Deutschland und ist Ratgeber zu den Themen Vorsorge und Geldanlage.

ANG
Vorsorge
Vorsorge Aktivrente: Steuerfreies Arbeiten im Alter – was die Union plant und wer wirklich profitiert
30.05.2025

Immer mehr Menschen wollen oder müssen auch nach dem Renteneintritt weiterarbeiten – sei es aus finanziellen Gründen oder weil sie sich...

ANG
Immobilien
Immobilien Banken vergeben deutlich mehr Kredite für Wohnimmobilien
29.05.2025

Nach langer Flaute greifen Verbraucher wieder stärker bei Immobilienkrediten zu. Im ersten Quartal vergaben Banken neue Finanzierungen...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Stadt, Land, Sport: Wieso Stadtkinder oft fitter sind
27.05.2025

Wer als Kind nicht zum Fußball will, hat auf dem Land oftmals nicht viele andere Möglichkeiten. In der Stadt sieht das ganz anders aus....

ANG
Vorsorge
Vorsorge Die Rente reicht nicht?! Erfahrungsberichte übers Arbeiten im Alter
24.05.2025

Viele Menschen können ihre Rente genießen - doch für immer mehr Leute gilt das nicht. Sie müssen aus Geldsorgen weiter arbeiten.

ANG
Karriere
Karriere Chance auf Teilhabe junger Menschen hängt vom Wohnort ab
12.05.2025

Freizeit, Bildung, Mitbestimmung: Die Teilhabe-Chancen für junge Menschen sind sehr unterschiedlich. Wie stark der Wohnort über die...

ANG
Karriere
Karriere Familienministerin Prien befürwortet Lohnersatz für pflegende Angehörige
20.05.2025

Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) hat sich grundsätzlich dafür ausgesprochen, ein Familienpflegegeld als Lohnersatzleistung für...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Grüne warnen vor noch höheren Krankenkassenbeiträgen
20.05.2025

Die Grünen fordern angesichts der kritischen Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherungen Tempo bei Reformen für mehr Effizienz....

ANG
Vorsorge
Vorsorge Warken will mehr Kompetenzen für Pflegekräfte
12.05.2025

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken spricht sich für mehr Kompetenzen und bessere Arbeitsbedingungen für dringend benötigte...