Der Bundesfinanzhof (BFH) hat an diesem Mittwoch ein Streitthema mit potenziell großer Folgewirkung auf der Tagesordnung: Die Frage, ob der Bund die Renten zu Unrecht doppelt besteuert (mehr zum Inhalt der Klagen lesen Sie hier). Verhandelt werden die Klagen zweier Rentner gegen ihre Steuerbescheide. Beide Fälle haben wenig gemeinsam – mit Ausnahme des Vorwurfs, dass die Besteuerung der jeweiligen Rente rechtswidrig sei. Unterstützt werden die Klagen vom Bund der Steuerzahler.
Ihren Ursprung haben die Rechtsstreitigkeiten im vergangenen Jahrzehnt. Seit 2005 läuft eine schrittweise Umstellung der Rentenbesteuerung, die erst 2040 abgeschlossen sein soll. Vor 2005 wurden „vorgelagert“ die Rentenbeiträge der Arbeitnehmer besteuert. Wer einmal in Rente war, musste auf seine ehedem eingezahlten Rentenbeiträge keine Steuern mehr zahlen, lediglich auf den sogenannten Ertragsanteil, die in der Zwischenzeit angefallenen Zinsen. Beamte jedoch zahlen anders als Angestellte keine Beiträge für ihre Altersvorsorge und müssen deshalb ihre Pensionen seit jeher versteuern. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2002 diese Ungleichbehandlung bei der Besteuerung der Altersbezüge als verfassungswidrig gerügt. Ab 2040 werden Renten analog zu den Beamtenpensionen voll „nachgelagert“ besteuert.
Übergangsphase von 35 Jahren
Strittig ist seitdem die Art und Weise, wie die damalige Bundesregierung die auf 35 Jahre angelegte Übergangsphase geregelt hat. Eine schlagartige Umstellung hätte ein großes Loch in die Staatskasse gerissen, da Arbeitnehmer von heute auf morgen keine Steuern mehr auf ihre Rentenbeiträge hätten zahlen müssen. Deswegen sinkt nun schrittweise die Besteuerung der Rentenbeiträge, während gleichzeitig der steuerpflichtige Anteil der ausgezahlten Renten steigt – von 2005 bis 2020 um zwei Prozent jährlich, mittlerweile um ein Prozent. Regelmäßige Rentenerhöhungen jedoch werden laut Gesetz schon während dieser Übergangsphase voll besteuert.
Das komplizierte Prozedere hatte von Anfang an zu Vorwürfen geführt, dass der Bund durch die Hintertür eine doppelte Besteuerung der Renten einführe und sowohl bei den Beiträgen als auch den ausgezahlten Renten kassiere.
„Es geht bei den Musterklagen nicht darum, dass Rentner keine Steuern mehr zahlen müssen, es geht auch nicht um die nachgelagerte Besteuerung als solche“, sagt Isabel Klocke, die Leiterin der Steuerrechtsabteilung bei Bund der Steuerzahler. „Es geht nur um die Frage, ob der Gesetzgeber die Umstellung vom neuen aufs alte System richtig übersetzt hat. Ich gehe davon aus, dass an bestimmten Parametern der Berechnungsweise nachjustiert wird.“
Das könnte erhebliche Auswirkungen sowohl für viele Rentner in Deutschland als auch die Finanzbehörden haben. Falls die beiden Rentner ganz oder teilweise gewinnen, müsste das Bundesfinanzministerium handeln und die derzeitigen Vorschriften ändern.
Bund der Steuerzahler erwartet Erfolg
Konkret geht es in den beiden Verfahren nämlich um eine ganze Reihe sehr komplizierter Einzelfragen. Eine dieser Fragen ist, ob Grundfreibeträge, Sonderausgabenabzüge für die aus der Rente zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie steuerfreie Zuschüsse der Rentenversicherungsträger zur Krankenversicherung angerechnet werden müssen oder nicht.
Der Bund der Steuerzahler jedenfalls erwartet einen Erfolg: „Wir sind gemeinsam mit den klagenden Senioren von den Argumenten überzeugt, andernfalls würden wir die Verfahren nicht begleiten.“ Rein statistisch stehen die Chancen nicht schlecht: In etwa 40 Prozent der Verfahren vor dem Bundesfinanzhof verlieren die Finanzämter.
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