Vorsorge

Arbeitgeber wütend: Neuer Rat will Umbau des Arbeitsmarkts

Lesezeit: 3 min
18.05.2021 18:49  Aktualisiert: 18.05.2021 18:49
Ende von Minijobs, Recht auf Homeoffice: Ein von Arbeitsminister Hubertus Heil eingesetzter Expertenrat hat erste Ergebnisse präsentiert. Vorgeschlagen wurden weitgehende Reformen für den Arbeitsmarkt. Die Arbeitgeber reagieren gereizt.
Arbeitgeber wütend: Neuer Rat will Umbau des Arbeitsmarkts
Gute Nachrichten für alle, die ihre Kollegen nicht mögen: Das Recht auf Homeoffice soll gestärkt werden. (Foto: iStock.com/AntonioGuillem)
Foto: AntonioGuillem

Überschattet von verärgerten Reaktionen bei Deutschlands Arbeitgebern hat ein neuer Expertenrat der Bundesregierung weitgehende Reformen für den Arbeitsmarkt vorgeschlagen. Die Kernforderungen des Rats der Arbeitswelt: neue Regeln für mehr Homeoffice, Abschaffen der Minijobs, Aufwerten der Pflege und mehr Weiterbildung. Das Gremium wurde im vergangenen Jahr von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) eingesetzt. Heil sprach sich bei der Präsentation seines Berichts am Dienstag in Berlin dafür aus, Deutschland zur „Weiterbildungsrepublik“ zu machen. Der Arbeitgeberverband BDA reagierte mit heftiger Ablehnung auf die Vorschläge.

Heil sagte: „Wir werden in den 20er-Jahren einen unglaublichen Umbruch am deutschen Arbeitsmarkt erleben.“ Nach der Corona-Pandemie bestehe die Gefahr eines „tief gespaltenen Arbeitsmarkts“. Viele Unternehmen suchten dann händeringend Fachkräfte – während viele Menschen den Anschluss zu verlieren drohten. „Bei den sozialen Dienstleistungsberufen wird die Nachfrage nach menschlicher Arbeit im Bereich Gesundheit, Bildung, Pflege massiv zunehmen.“ Der Rat stellt in seinem 255-seitigen Bericht fest: „Noch befinden sich Wirtschaft und Gesellschaft im Griff der Covid-19-Pandemie.“ Wie sich die Krise auf unterschiedliche Personengruppen auswirke, sei noch offen – einige Weichenstellungen sehen die Expertinnen und Experten als nötig an:

Abschaffung der Minijobs: Die zuletzt rund sechs Millionen Minijobs sollen Bestandsschutz haben – neu geschlossene Teilzeitbeschäftigungen mit kleinem Arbeitszeitvolumen sollen steuer- und abgabenpflichtig werden. Eine niedrigere Bagatellgrenze soll bestehen bleiben. Eigene Lösungen soll es für Schülerinnen und Schüler, Studierende sowie Rentnerinnen und Rentner geben. Ratsmitglied Stephan Schwarz, Geschäftsführender Gesellschafter des Familienunternehmens Gebäudereinigung GRG Services Berlin, erläuterte, mit 450-Euro-Jobs werde das Potenzial an Arbeit, das vorhanden ist, nicht ausgeschöpft. Mit rund 557.000 wegfallenden Minijobs in der Corona-Krise seien geringfügig Beschäftigte von den Pandemiefolgen zudem besonders hart getroffen worden.

Neue Regeln fürs Homeoffice: „Mobiles Arbeiten birgt die Gefahr einer wachsenden Entgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit“, heißt es in dem Bericht des Rats. Die Einhaltung von Regeln für die Arbeitszeit beuge Überlastung vor – dafür müsse die Arbeitszeit erfasst werden. Das gelte „selbstverständlich auch für mobile Arbeit oder Arbeit im Homeoffice“. Ein permanentes Arbeiten im Homeoffice solle aber pandemiebedingte Ausnahme bleiben. Heil sprach sich für einen neuen Rechtsrahmen aus, der aber in der Koalition an der Union gescheitert sei. Allerdings solle an diesem Freitag im Bundestag beschlossen werden, dass anders als bisher etwa bei einem Unfall auf dem Weg vom Homeoffice in die Kita des Kindes die Unfallversicherung einspringt.

Weiterbildung und Umschulung: Früher als bisher soll klar werden, welche Betriebe von technologischen Veränderungen stark betroffen sind. Es soll mehr Ansprache und Aktivierung im Betrieb und individuelle Unterstützung für Weiterbildung geben. Finanziell gefördert werden sollen Gruppen, die seltener durch Weiterbildung erreicht werden. Heil nannte Geringqualifizierte und Beschäftigte kleiner Unternehmen. Die Altersgrenze im Bafög soll laut dem Rat für das Nachholen von Abschlüssen stark angehoben werden. Heil ist zudem für staatlich geförderte Bildungszeiten. „Diese Bildungszeiten müssen in Deutschland so selbstverständlich werden wie die Elternzeit.“

Weitere Schritte: Heil schlug auch eine neue Absicherung für Soloselbstständige mit tragfähigem Geschäftsmodell vor. Dies solle ein Sicherungsgeld unter dem Dach der Bundesagentur für Arbeit (BA) sein – vergleichbar der Arbeitslosenversicherung. Die neue BA-Leistung solle freiwillig sein. Wie der Rat bezeichnete Heil zudem Verbesserungen für Pflegende als zentral. Möglicherweise bereits in dieser Woche, spätestens aber bis Ende Juni solle eine gesetzliche Neuregelung für generellen Tariflohn in der Altenpflege auf den Weg kommen.

Reaktionen: Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger reagierte verärgert auf die Ergebnisse der Beratungen in dem Rat: „Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich sie A nicht kommentieren möchte, sondern B auch für relativ wertlos halte.“ Der Rat sehe großen Regulierungsbedarf in Deutschland – im Gegensatz zum Arbeitgeberverband. Die Arbeitgebervertreter seien zu Recht aus dem Rat ausgetreten. Heil sagte hingegen: „Vielleicht stört manchen Verband, dass wir diesmal nicht so viele Verbände dabei hatten, sondern eher Praktiker.“

BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter meinte, Unternehmen und Beschäftigte forderten Freiheiten und Flexibilität ein. Den Gesetzgeber brauche es da nicht. Der FDP-Arbeitsmarktpolitiker Johannes Vogel sagte, Heil sei die Einbindung der Sozialpartner misslungen. Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Beate Müller-Gemmeke begrüßte die Schlussfolgerungen des Rats. So wollten die Grünen dafür sorgen, „dass geringfügige Beschäftigung stark eingedämmt und in sozialversicherungspflichtige Arbeit umgewandelt wird“.

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