Kürzlich sorgte ein Tweet von Jack Dorsey für Aufsehen. „Hyperinflation wird alles verändern. Es passiert“, schrieb der Twitter-Erfinder. Offenbar spielte der Unternehmer auf die hohe US-Inflationsrate an, die zuletzt bei 6,8 Prozent lag.
Steve H. Hanke hält indes Warnungen vor einer Hyperinflation für unbegründet. Der VWL-Professor der John-Hopkins-Universität gilt als einer der führenden Hyperinflationsexperten und war Wirtschaftsberater von Ronald Reagan. Hanke erklärt gegenüber altersvorsorge-neu-gedacht.de, dass derzeit „keine Gefahr einer Hyperinflation” bestehe. „Hyperinflation tritt auf, wenn die monatliche Inflationsrate an dreißig aufeinanderfolgenden Tagen 50 Prozent überschreitet“, sagt er. Auf das Jahr hochgerechnet wären das knapp 13.000 Prozent Inflation – deutlich mehr, als die 5,2 Prozent im November.
Seltenes Phänomen
In einem Fachaufsatz schätzt Hanke für zehn große Industrieländer, dass bloß die USA und Israel in den kommenden Jahren von hoher Inflation betroffen sein werden. „Angesichts des relativen Geldüberschusses, der in der Eurozone durch die EZB geschaffen wurde, sollte die Inflationsrate in den nächsten Jahren zwischen 2,5 bis 3 Prozent pro Jahr liegen“, vermutet Hanke. In Deutschland werde die Teuerungsrate etwas über dem europäischen Schnitt liegen. Die US-Inflation betrage in den kommenden drei Jahren 5 bis 6 Prozent, die israelische etwas weniger. „Der Inflationszyklus wird erst enden, wenn diese Zentralbanken das Geldmengenwachstum verlangsamen“, sagt Hanke.
Hyperinflationen traten in der Weltgeschichte bloß selten auf. Hanke hat insgesamt 62 ausgemacht – zuletzt im Libanon. Deutschland war zweimal betroffen: Im Januar 1920 und von August 1922 bis Dezember 1923. Laut Hanke war der Untergang der Papiermark im Jahr 1923 die fünfschlimmste Hyperinflation überhaupt: Die Preise brauchten gerade einmal 3,7 Tage, um sich zu verdoppeln.
Damals weitete die Reichsbank bereits während des Krieges die Geldmenge deutlich aus – zur Kriegsfinanzierung. Seit dem Jahr 1914 war die Mark nicht mehr durch Gold gedeckt gewesen. Das Reich war bei den eigenen Bürgern über Kriegsanleihen hochverschuldet. Dazu kamen hohe Reparationsschulden aus dem Versailler Vertrag.
EZB hat noch Spielraum
Gleichwohl uferte erst ab dem Jahr 1922 die Papiergeldschöpfung aus. Als Deutschland mit den Reparationszahlungen in Rückstand geriet, besetzten französische und belgische Truppen im Januar 1923 das Ruhrgebiet. Der deutsche Reichskanzler Wilhelm Cuno rief die Arbeiter daraufhin zum passiven Widerstand auf. Die Löhne der Arbeiter und Angestellten finanzierte die Reichsregierung über die Notenpresse. „Ganz ähnlich wie zu Zeiten von Corona“, stellt der Degussa-Chefvolkswirt Thorsten Polleit in einem Vortrag fest.
Laut dem Statistischen Reichsamt stieg der Geldumlauf im Jahr 1921 um 56 Prozent. Im darauffolgenden Jahr waren es bereits 840 Prozent – eine Steigerung um mehr als das Neunfache. Im Jahr 1923 eskalierte das Gelddrucken komplett: Der Geldumlauf stieg von rund 2 Billionen auf 497 Trillionen Papiermark. Zum Vergleich: Im Juli 1914 – dem Monat vor Kriegsbeginn – betrug der Geldumlauf noch 9 Milliarden Mark.
Betrachtet man das Wachstum der Euro-Geldmenge, wird rasch ersichtlich, dass die EZB viel mehr Geld schöpfen müsste, damit es zu einer Hyperinflation käme. Die konsolidierte Bilanz des EZB-Systems hat sich nicht verneunfacht, sondern seit Februar 2021 „bloß“ nahezu verdoppelt. Der Anstieg der Geldmenge M1 viel noch geringer aus: Kontoguthaben und Bargeldumlauf stiegen seit der Corona-Krise von 9,0 auf 11,2 Billionen Euro.
Gleichwohl: Für die fernere Zukunft ist auch eine Hyperinflation nicht unmöglich. Laut VWL-Professor Hanke können Investments in Edelmetalle, Immobilien und Aktien davor schützen. Kleinanlegern rät der VWL-Professor auch zu inflationsindexierten Anleihen.