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Auf diese 7 Gefahren müssen Anleger achten

Lesezeit: 8 min
17.01.2022 16:23  Aktualisiert: 17.01.2022 16:23
Lieferengpässe auf der Welt stellen die Industrie vor schwerwiegende Herausforderungen. Kryptowährungen befinden sich in einem Bärenmarkt. Ein schnelles Ende der steigenden Inflation ist nicht in Sicht. Und die US-Zentralbank will erstmals seit Jahren die Zinsen wieder erhöhen.
Auf diese 7 Gefahren müssen Anleger achten
Auf Anleger können stürmische Zeiten zukommen. Hier lauern die Gefahren. (Foto: iStock.com/photoschmidt)
Foto: photoschmidt

Das Jahr 2022 beginnt für Investoren so, wie das alte Jahr aufgehört hat: mit Ungewissheit. Die Volatilität an den Märkten wird auch in diesem Jahr wieder bestimmendes Thema bleiben und Anleger weltweit fragen sich, wie sie ihr Portfolio darauf ausrichten sollen. Wir zeigen Ihnen die wichtigsten Trends des neuen Jahres und erklären, worauf Sie besonders Acht geben sollten.

Gefahr Nr. 1: Covid-19 – die Pandemie bestimmt weiter das Marktgeschehen

Auch wenn wir uns alle wünschen, es wäre anders, so wird auch 2022 die Covid-19-Pandemie das alles bestimmende Thema bleiben. Zwar war 2021 das Jahr, in dem erstmals flächendeckend Impfstoffe verfügbar wurden, doch die Pandemie wütet noch immer und hinterlässt dabei auch in der Wirtschaft tiefe Risse. Gerade als wieder Hoffnung aufkeimte, dass mit dem Ansteigen der Impfquoten auch eine Rückkehr zur Normalität bevorsteht, machte uns Mutter Natur kurz vor dem Jahreswechsel mit der neuen Omikron-Variante einen Strich durch die Rechnung. Damit sind auch die Hoffnungen gedämpft, dass es bald wieder bergauf geht mit Reiseveranstaltern, Fluggesellschaften und Gewerbeimmobilien sowie den besonders krisengebeutelten Branchen Gastronomie, Hotelgewerbe und Kulturveranstaltungen. Allein in Deutschland befürchtet jedes siebte Unternehmen die drohende Insolvenz. Und dennoch gibt es auch Licht am Ende des Tunnels. Erste Studien legen nahe, dass Omikron zwar ansteckender, aber dafür auch deutlich milder im Verlauf ist als sein Vorgänger Delta. Damit deutet sich eine Entspannung an der Pandemiefront an, denn ist gibt Hoffnung, dass das Virus bald endemisch wird. Das würde auch eine Erholung der Weltwirtschaft nach sich ziehen. Das Forbes-Magazine kommentiert dazu: „Grundsätzlich sollten sich die Anleger darüber im Klaren sein, dass die Erholung der Märkte nach der Covid-Krise bereits begonnen hat, auch wenn die Pandemie noch nicht vorbei ist. Das liegt daran, dass die Aktienmärkte wahrscheinlich bereits die meisten oder alle Gewinne eingepreist haben, die von einer vollständig wiedereröffneten Wirtschaft erwartet werden können.“

Gefahr Nr. 2: Inflation – es wird schlimmer, bevor es besser wird

Die Preise steigen derzeit so stark wie zuletzt 1993. In den USA sind die Preisanstiege sogar noch dramatischer. Dort kletterte die Inflation zuletzt auf 6,8 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit 1982. Ausgelöst wird der weltweite Inflationsanstieg unter anderem durch die milliardenschweren Konjunkturpakete, mit denen die Industrienationen versucht haben, die schlimmsten Folgen der Pandemie abzufedern. Das führte zu explodierenden Staatsschulden – und das bei Ungewissheit darüber, wann die weltweite wirtschaftliche Erholung einsetzt, um diese Schulden zu bedienen. Investoren auf der ganzen Welt warten angesichts solcher Nachrichten sehnsüchtig auf ein Ende der Inflationsspirale, doch leider wird es erst mal schlimmer, bevor es wieder besser wird. Die meisten Inflationsprognosen sehen düster aus. Erst hat die EZB ihre Prognose für 2022 von 1,7 auf 3,2 Prozent fast verdoppelt, dann zog auch die Bundesbank nach. Die deutschen Zentralbanker rechnen hierzulande für 2022 mit einer Teuerungsrate von 3,6 Prozent.

Die Inflation unter diesen Umständen weiter als „vorübergehend“ abzutun, wie es einige Zentralbanker im letzten Jahr noch taten, wird in diesem Jahr nicht mehr funktionieren, um die Märkte zu beruhigen. Wenn nicht bald gegengesteuert wird, drohen weitere Marktturbulenzen.

Gefahr Nr. 3: Zinserhöhungen – alle Augen richten sich auf die US-Zentralbank

Angesichts der steigenden Inflation hat sich die US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) dazu durchgerungen, die Leitzinsen noch in diesem Jahr zu erhöhen. Im Dezember verkündete die Fed den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik mit ihren historisch niedrigen Zinsen und den milliardenschweren Aufkaufprogrammen. Grund für die Entscheidung ist der sprunghafte Anstieg der Inflation in den USA in den letzten Monaten. Nach Maßstäben liegt Teuerungsrate in den USA auf dem höchsten Stand seit 40 Jahren. Alle Augen an der Wall Street und den internationalen Handelsplätzen richten sich also auf die Fed-Sitzungen der nächsten Monate. Experten erwarten, dass die Fed in etwas mehr als zwei Monaten ihre erste Zinserhöhung seit vier Jahren vornehmen wird. Bisher hat EZB noch keine Abkehr von ihrer lockeren Geldpolitik angekündigt, doch angesichts auch hier steigender Inflation nimmt der Druck auf die europäischen Zentralbanker zu.

Zuletzt hatte die Fed 2018 die Zinsen leicht angehoben und damit die historisch längste Phase expansiver Geldpolitik beendet. Doch die „Rückkehr zur Normalität“ war nur von kurzer Dauer, denn im Zuge der Pandemie wurden die Zinsen wieder auf null gesenkt. Die nun angekündigte Zinserhöhung der Fed könnte immense Effekte für das weltweite Finanzmarktgeschehen haben, denn große Banken und institutionelle Investoren haben seit 2010 vom billigen Geld der Zentralbank profitiert. Können sie sich von der lieb gewordenen finanziellen Unterstützung entwöhnen? Und welche Folgen hat die Zinserhöhung für den Aktienmarkt?

Gefahr Nr. 4: Kryptowährungen – wie lange hält der Bärenmarkt noch an?

Es ist nun schon zwei Monate her, dass der Bitcoin-Preis seinen Höhepunkt bei rund 68.000 US-Dollar erreicht hat. Seitdem ist der Preis um mehr als 38 Prozent eingebrochen und notiert aktuell bei etwas über 42.000 US-Dollar (Stand: 17.01.22) – Tendenz weiter fallend. Der Absturz ging zeitlich einher mit der Börsennotierung des ersten Bitcoin-ETF. Da Bitcoin als wichtigste Kryptowährung noch immer den gesamten Markt beeinflusst, reißt der fallende Kurs auch die anderen Coins mit nach unten. Die Talsohle scheint noch immer nicht erreicht zu sein, die Kurse sind tagtäglich in tiefes Rot getaucht. Alles sieht danach aus, dass sich der Kryptosektor in einem Bärenmarkt befindet. Wie lange wird dieser anhalten, bevor es wieder aufwärts geht? Der CEO der Kryptotauschbörse Kraken, Jesse Powell, ist skeptisch, was eine Erholung des Bitcoin-Preises in der nahen Zukunft angeht. Vor ein paar Wochen widerrief Powell seine Vorhersage eines Bitcoin-Preises von 100.000 Dollar bis zum Ende des Jahres. Nun geht Powell davon aus, dass Bitcoin in diesem Winter unter 40.000 Dollar fallen könnte.

Gefahr Nr. 5: Halbleiter-Knappheit – wo bleiben die Computer-Chips?

Die Halbleiter-Krise ist noch immer nicht überwunden. Schon im letzten Jahr sorgten Nachrichten über still liegende Automobilwerke für weltweites Aufsehen. Doch nicht nur in der Automobilindustrie geht ohne Chips heutzutage nichts mehr. Auch Spielkonsolen, Kühlschränke, Smartphones und andere elektronische Geräte sind auf sie angewiesen. Von den genannten Produkten werden deutlich geringere Stückzahlen hergestellt. Der Gründe für die anhaltenden Lieferengpässe in der Halbleiterfertigung sind vielfältig. Zum einen spielt auch hier die Pandemie eine entscheidende Rolle. Das veränderte Arbeits- und Konsumverhalten hat die Nachfrage nach Halbleitern weltweit gleichzeitig ansteigen lassen, was die Chiphersteller vor Kapazitätsprobleme stellt. Dazu kommen politische Streitigkeiten, denn die meisten Computerchips werden in Asien, allen voran in den verfeindeten Staaten Taiwan und China, hergestellt. Ein schnelles Ende der Krise ist nicht in Sicht, denn der Ausbau der Produktionskapazitäten kann laut Infineon-Chef Reinhard Ploss schon mal ein ganzes Jahr in Anspruch nehmen, ein gänzlich neues Werk sogar bis zu drei Jahre. Vor diesem Hintergrund stellt Ploss die provokative Frage in den Raum: „Kann es sich Deutschland erlauben, in einer Schlüsselindustrie nicht präsent zu sein beziehungsweise weiter zurückzufallen?“. Der Infineon-Chef schiebt auch gleich die Antwort hinterher: „Eher nicht!“

Gefahr Nr. 6: Waren-Engpässe – weltweite Lieferketten stehen weiter unter Druck

Die Knappheit bei Halbleitern passt auch zu unserer nächsten Gefahr des Jahres 2022. Nicht wenige Konsumenten wunderten sich über die Weihnachtsfeiertage über ungewöhnlich lange Lieferzeiten ihrer Bestellungen. Dahinter steckt ein globales Phänomen: Die weltweiten Lieferketten stehen unter enormem Druck. In vielen Häfen der Welt stapeln sich die Schiffscontainer, die darauf warten, entladen oder wieder mit Waren befüllt zu werden. Einer der Hauptgründe ist ein Trend zur De-Globalisierung, wie Lisa Shalett, Chief Investment Officer bei der Investmentbank Morgan Stanley, berichtet: „Schon vor der Pandemie zogen Unternehmen angesichts der Handelsspannungen zwischen den USA und China eine Lokalisierung der Lieferkette in Betracht. Die heutigen inflationsbedingten Ungleichgewichte in der Versorgung und Bestandsverknappungen - ganz zu schweigen von der zunehmenden Sensibilität in Bezug auf Cybersicherheit, öffentliche Gesundheit, Geopolitik und sich ändernde regulatorische Rahmenbedingungen in China - haben diesen Trend zur inländischen Beschaffung noch verstärkt.“

Gefahr Nr. 7: Energiekrise – mittelfristig weiter steigende Preise

Die Welt erlebte 2021 eine Energiekrise. Nachdem einige Volkswirtschaften sich von den ersten schweren Pandemie-Schocks erholt hatten, stieg die weltweite Nachfrage nach Energie rasant an, besonders in Asien und Südamerika. Besonders schwer erfasst hat der Energiemangel ausgerechnet Europa, wo die Preise für fossile Brennstoffe – allen voran Erdgas – rasant anstiegen. Kurz vor Weihnachten kostete eine Megawattstunde Erdgas am Markt TTF in den Niederlanden laut Tagesschau zeitweise über 170 Euro – und damit so viel wie noch nie. Allein seit Dezember ist der Großhandelspreis um fast 80 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Pandemie lag der Erdgaspreis zwischenzeitlich bei 5 Euro pro Megawattstunde. Mangelnde Reserven verschlimmern die Lage noch, denn europäische Gasspeicher sind nur noch zu knapp 70 Prozent gefüllt. Einen Ausweg aus der Krise könnte die inzwischen fertiggestellte Gaspipeline Nordstream II sein. Doch die gerade ins Amt gehobene deutsche Regierung um Kanzler Scholz blockiert die Inbetriebnahme der Pipeline. Besonders den Grünen ist das Projekt ein Dorn im Auge, sowohl aus klimapolitischer wie auch aus geopolitischer Sicht. Sie befürchten eine zu große Abhängigkeit von Russland. Von der Blockade der deutschen Regierung in punkto Nordstream II profitieren nun die USA. Sie sind inmitten der Energiekrise zum größten Exporteur von Flüssiggas aufgestiegen. Zuletzt nahmen zehn amerikanische Tanker mit Flüssiggas Kurs in Richtung Europa. Betrachtet man jedoch die Herstellung mittels Frackings ist das Flüssiggas noch um einiges umweltschädlicher. Hinzu kommen der weite Transport und der kostspielige Bau der nötigen Infrastruktur. Somit liegt der Preis für Flüssiggas über dem Erdgaspreis. Die Alternative aus den USA ist also keine und eine schnelle Entspannung bei Energiepreisen ist nicht in Sicht.

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André Jasch ist freier Wirtschafts- und Finanzjournalist und lebt in Berlin.  

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