Die extrem gestiegenen Verbraucherpreise werden für immer mehr Menschen zur Belastung. Etwa jeder siebte Erwachsene in Deutschland (15,2 Prozent) kann nach eigenen Angaben kaum noch seine Lebenshaltungskosten bestreiten, wie eine aktuelle YouGov-Umfrage im Auftrag der zum Deutsche-Bank-Konzern gehörenden Postbank ergab. Bei der Vergleichsumfrage im Januar lag der Anteil derjenigen, die angaben, dass die hohe Inflation ihre Existenz bedrohe, noch bei 11 Prozent.
Von den Befragten aus Haushalten mit einem monatlichen Nettoeinkommen von unter 2500 Euro gibt inzwischen fast ein Viertel (23,6 Prozent) an, sie seien wegen gestiegener Preise kaum noch in der Lage, die regelmäßigen Ausgaben zu stemmen. Im Januar sagten dies noch 17 Prozent aus dieser Gruppe.
Im März war die jährliche Inflationsrate in Deutschland auf 7,3 Prozent in die Höhe geschossen. Das ist die höchste Teuerungsrate im wiedervereinigten Deutschland. In den alten Bundesländern gab es einen so hohen Wert zuletzt im November 1981. Höhere Inflationsraten schmälern die Kaufkraft von Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro dann weniger leisten können.
Einkommen können mit Inflation nicht schritthalten
Seit Monaten treiben die Energiepreise die Inflation sowohl in Deutschland als auch im Euroraum nach oben, der Ukraine-Krieg hat den Trend noch verschärft. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Wirtschaftsweise“) rechnet für das Gesamtjahr 2022 mit 6,1 Prozent Inflation in Deutschland.
„Die Einkommen können mit der allgemeinen Teuerung kaum schritthalten“, analysierte Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel. „Während die Löhne und Gehälter in Deutschland im Vorjahresvergleich zuletzt um 3,6 Prozent gestiegen sind, erhöhten sich die Lebenshaltungskosten um 7,3 Prozent. Vom Realeinkommensverlust sind auch Haushalte mit einem mittleren Einkommen betroffen.“ Zwei Drittel der 2144 Befragten gaben an, dass sie ihre Ausgaben aufgrund der steigenden Preise deutlich oder zumindest etwas verringert haben.
Mehr als jeder Zweite (53,4 Prozent) ist nach eigenen Angaben sehr beunruhigt wegen der steigenden Preise für Waren und Dienstleistungen. Vor drei Monaten war die Gruppe der Besorgten noch etwas kleiner (44 Prozent). Volkswirte rechnen nicht mit Entspannung bei den Teuerungsraten in den nächsten Monaten. „Auf kurze Sicht könnte die Inflation wegen der hohen Energiepreise von hohem Niveau aus weiter ansteigen“, sagt auch Bargel.
Sechs von zehn Befragten (61,3 Prozent) wünschen sich daher weitere Unterstützung vom Staat. Nach ihrer Ansicht reicht das jüngst auf den Weg gebrachte „Entlastungspaket“ der Bundesregierung nicht aus, um die Folgen der Inflation zu mildern. Die Ampelkoalition hatte unter anderem beschlossen, die Energiesteuer für drei Monate zu senken, um Benzin und Diesel günstiger zu machen. Zudem erhalten Arbeitnehmer einmalig 300 Euro Energiezuschuss auf ihr Bruttogehalt und Familien pro Kind 100 Euro Bonus auf den Kinderfreibetrag. Die Gesamtkosten für den Staat werden nach Schätzung des Bundesfinanzministeriums an die 16 Milliarden Euro heranreichen, die das erste Entlastungspaket aus dem Februar umfasste.
Energiepreise entscheidend
„Inwieweit die beschlossenen Maßnahmen reichen, hängt auch von der weiteren Entwicklung der Energiepreise ab“, sagt Bargel. „Aus heutiger Sicht dürften die zusätzlichen Ausgaben der Haushalte für teurere Kraftstoffe und Heizenergie nicht vollständig aufgefangen werden, zumal einzelne Bevölkerungsgruppen wie die Nicht- Erwerbstätigen nur teilweise profitieren.“
Der Ökonom Friedrich Heinemann vom ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung verwies auf die Folgen der hohen Inflation auf Sparvermögen und die Altersvorsorge. „Der aktuelle Inflationsschub könnte Geldvermögen, das mit geringen oder überhaupt keinen Zinsen investiert ist, um etwa zehn Prozent im realen Wert verringern“, sagte er der Augsburger Allgemeinen (Samstag). Mit Blick auf Entlastungsmaßnahmen der Politik sagte der Ökonom, „von der Bazooka und populistischen Hilfen für alle ist dringend abzuraten“. Stattdessen sei eine zielgenaue Politik gefragt etwa mit präzisen Hilfen für arme Haushalte. (dpa)