Geldanlage

Zwischen Boom und Blase: Sind Immobilienaktien das klügere Betongold-Investment?

Lesezeit: 9 min
28.03.2022 18:23
Wer berechtigte Angst vor einer Blase auf dem Wohnungsmarkt hat und trotzdem sein Erspartes vor der Inflation retten will, kann an der Börse in Immobilien investieren. Doch welche Chancen bieten Immobilienaktien derzeit?
Zwischen Boom und Blase: Sind Immobilienaktien das klügere Betongold-Investment?
Es gibt Alternativen zum direkten Kauf einer Immobilie. Auch an der Börse können Anlegerinnen und Anleger in Betongold investieren. (Foto: iStock.com/ekapol)
Foto: ekapol

Knapp 500.000 Euro für eine Ein-Zimmer-Wohnung mit 30 Quadratmeter Wohnfläche. Zwar nicht direkt im Zentrum, aber in Innenstadtnähe. Und nein, die Wohnung befindet sich nicht in einer Metropole wie London, Paris oder New York – sondern in München. Solche Preise werden für Neubauwohnungen in der bayerischen Landeshauptstadt mittlerweile aufgerufen. Und sie werden auch bereitwillig von Käufern bezahlt.

München ist kein Sonderfall. Die Preise für Wohneigentum sind in den vergangenen Jahren im gesamten Bundesgebiet regelrecht explodiert. Das bestätigt das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen, einem Expertengremium des Immobilienbranchenverbands ZIA.

Demnach sind die Kaufpreise für Wohnungen und Häuser hierzulande im vergangenen Jahr durchschnittlich um 14,3 Prozent angestiegen. Im Schnitt kostete ein Quadratmeter Wohnfläche im Bundesgebiet 3140 Euro. 2020 lag das Plus zum Vorjahr noch bei 11,2 Prozent. Die Mieten zogen im Vergleich dazu nur moderat an. Die Teuerung im Vergleich zum Vorjahr lag 2021 bei 3,7 Prozent. Im Schnitt konnten Eigentümer im vergangenen Jahr 8,46 Euro Miete pro Quadratmeter Wohnfläche verlangen. 2020 hatten sich die Mieten im Bundesdurchschnitt um 3,1 Prozent erhöht.

So mancher vermutet da eine Blasenbildung am Immobilienmarkt. „Das enorme Niveau der Kaufpreise und die nochmaligen Anstiege sind sowohl überraschend als auch durchaus beängstigend“, heißt es im Gutachten der Immobilienweisen. Auch der Bundesbank bereiten die Immobilienpreise Sorgen. „Gemäß aktuellen Schätzergebnissen lagen die Immobilienpreise in den Städten im Jahr 2021 zwischen 15 Prozent und 40 Prozent über dem Preis, der durch soziodemografische und wirtschaftliche Fundamentalfaktoren angezeigt ist“, lautet das Urteil der Zentralbank im aktuellen Frühjahrsgutachten.

Aussichten für Vermieter verschlechtern sich

Immer höhere Preise für Immobilien, bei nur moderat steigenden Mieten – viele schrecken angesichts dieser Tatsachen davor zurück, aktuell eine Eigentumswohnung oder ein Haus zu kaufen. Die Zweifel sind berechtigt. Denn durch die hohen Immobilienpreise und die nicht im gleichen Takt steigenden Mieten sinken die zu erwartenden Renditen für Käufer. Das gilt vor allem für die preislich überhitzten Regionen wie München, Hamburg oder Frankfurt. In weniger gefragten Lagen mag das durchaus noch anders aussehen.

Und auch die Aussichten für Wohnungseigentümer trüben sich hierzulande immer stärker ein. Da sind zunächst einmal die Kosten für die Instandhaltung von Wohnraum. Baumaterialien werden immer knapper und damit teurer – bedingt durch Lieferengpässe und die anhaltend hohe Nachfrage.

Zudem steigen die energetischen Anforderungen für Immobilien. Die EU möchte den Gebäudesektor bis 2050 komplett dekarbonisieren. Das trifft auch Bestandsimmobilien. Laut einem Entwurf für eine neue EU-Gebäuderichtlinie soll es ab 2030 Wohnimmobilien mit der schlechtesten Energieeffizienzeinstufung gar nicht mehr geben. Die EU-Länder sollen außerdem den Einsatz fossiler Energien im Gebäudesektor verbieten können. Das ist zwar alles gut für das Klima, aber die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen kosten Geld – wofür die Wohneigentümer zur Kasse gebeten werden.

Und nicht zuletzt werden auch die Kreditkonditionen unattraktiver. Innerhalb von nur zweieinhalb Jahren haben sich die Kosten für Immobilienkredite von durchschnittlich 0,8 auf 1,6 Prozent verdoppelt, stellt die Online-Zinsberatung FMH fest. Das ist im historischen Vergleich immer noch günstig. Aber viele Experten erwarten nun auch in der Eurozone aufgrund der steigenden Inflation schrittweise Zinserhöhungen – was die Baukredite weiter verteuern sollte. Außerdem will die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) Banken dazu bewegen, ab 2023 mehr Eigenkapital zur Risikovorsorge aufzubauen. Dadurch sollen möglicherweise ausfallende Immobilienkredite abgefedert werden. Aber: Diesen Risikopuffer zahlt am Ende nicht die Bank, sondern der Kreditnehmer durch höhere Zinsen für Immobiliendarlehen.

Es gibt allerdings Alternativen zum direkten Kauf einer Immobilie. Auch an der Börse können Anlegerinnen und Anleger in Betongold investieren. Glaubt man Experten, könnte das aktuell sogar ein besonders guter Zeitpunkt sein.

Börsennotierte Immobiliengesellschaften: gute Aussichten bei hoher Inflation

Börsennotierte Immobilienkonzerne besitzen und bewirtschaften meist große Immobilienbestände. Geld verdienen sie mit der Vermietung und der Verpachtung von Wohn- oder Gewerbeflächen. Viele denken bei Immobilienaktien an Wohnungsbaugesellschaften wie die Vonovia oder die Deutsche Wohnen. Doch das Spektrum an börsennotierten Immobilienkonzernen ist viel breiter: Es umfasst auch Gesellschaften, die Seniorenwohnheime, Hotels oder Logistikimmobilien vermieten. Außerdem gibt es Spezialisten für studentisches Wohnen, Krankenhäuser oder Rechenzentren. Ein wichtiges Pro-Argument für das Immobilieninvestment an der Börse ist die Diversifikation. Anders als bei dem direkten Kauf einer Immobilie können Anlegerinnen und Anleger mit Immobilienaktien ihr Investment über eine Vielzahl an Objekten streuen, oftmals auch über viele Regionen und Länder hinweg.

Oft handelt es sich bei börsennotierten Immobilienkonzernen um sogenannte Real Estate Investment Trusts, kurz REITs. REITs sind verpflichtet, 90 Prozent ihrer Gewinne in Form von Dividenden an die Anleger auszuschütten. Dafür sind sie von der Körperschaftssteuer befreit. Die Dividendenausschüttungen von REITs sind im Vergleich zu anderen börsennotierten Unternehmen vergleichsweise hoch: sie liegen oft bei drei Prozent pro Jahr und höher. Investieren kann man in REITs und börsennotierte Immobiliengesellschaften über Einzelaktien, aber auch über ETFs und aktiv gemanagte Aktienfonds.

Aussichten für Immobilienaktien verbessern sich

Immobilienaktien entwickelten sich in den vergangenen Jahren weniger gut als der breite Aktienmarkt. „In den letzten fünf Jahren haben REITs eine jährliche Underperformance von -8,5 Prozent gegenüber Aktien erwirtschaftet“, sagt Thiemo Volkholz, Leiter des Deutschland-, Österreich- und Schweiz-Geschäfts der Vermögensverwaltung PGIM Investments. Doch das aktuelle Umfeld dürfte REITs neuen Aufschwung verleihen, glaubt Volkholz. Denn die steigende Inflation setze die Zentralbanken zunehmend unter Druck, ihre Geldpolitik zu straffen und die Zinsen stufenweise anzuheben. REITs und börsennotierte Immobiliengesellschaften seien dabei ein gutes Vehikel, um die Inflation auszugleichen.

„Historisch betrachtet haben REITs in Zeiten mit hoher Inflation stets besser abgeschnitten als Aktien – das zeigen unsere Berechnungen für den Zeitraum 1973 bis 2020“, erklärt Volkholz. „Vergleicht man etwa die Rendite auf annualisierter Basis mit den im S&P 500 enthaltenen Aktien, schafften REITs in Phasen mit einer Inflationsrate von über 4 Prozent eine um 3,6 Prozent bessere Performance.“ Lag die Inflationsrate zwischen 3 und 4 Prozent hätten sich REITs sogar um 12,7 Prozent besser entwickelt als der breite Aktienmarkt, so Volkholz weiter.

Für das höhere Renditepotenzial spricht laut dem Experten die aktuell günstige Bewertung der Immobilienaktien sowie die – in vielen Ländern – an die Inflation gekoppelten Mietverträge der Immobiliengesellschaften. Überdurchschnittliches Potenzial sieht der PGIM-Mitarbeiter außerdem durch konjunkturelle Nachholeffekte in den USA und in Japan. „Bei den Immobiliensektoren erwarten wir für Büroimmobilien und den Einzelhandel weiterhin begrenztes Wachstum, weil der durch die Coronapandemie ausgelöste Trend zu Homeoffice und E-Commerce anhalten wird. Für Logistikflächen, Rechenzentren und Privatwohnungen in der mittleren Preiskategorie gehen wir dagegen von einer anhaltend hohen Nachfrage aus“, erklärt Volkholz.

Studie: In Zeiten höchster Inflation sind REITs ein vielversprechendes Investment

Dass REITs in Zeiten hoher Inflation florieren, bestätigt auch eine Studie des US-Immobilienverbands Nareit und der Wharton School of Business der Universität Pennsylvania. Laut der Untersuchung mit dem Titel „Inflation und Immobilieninvestment“ haben REITs in Zeiten hoher Inflation im Vergleich zu anderen Anlageklassen wie Aktien und Anleihen überdurchschnittliche Renditen erzielt.

Untersucht haben die Studienautoren Zeiträume wie die späten 1970er und die frühen 1980er Jahre. In der Studie heißt es: „1979 betrug die Verbraucherpreisinflation in den USA 13,5 Prozent, der höchste Wert seit 1947. Die Dividendenerträge von börsengehandelten REITs betrug in diesem Jahr durchschnittlich 21,2 Prozent, und die Gesamtrendite belief sich auf 24,4 Prozent. Damit konnten REIT-Anleger die Kaufkraft, die sie durch die Inflation verloren hatten, mehr als ausgleichen.“

Zwischen 1978 und 2011 stiegen die REIT-Dividenden im Durchschnitt um 7,71 Prozent pro Jahr, während die Verbraucherpreisinflation im Schnitt um 3,92 Prozent pro Jahr kletterte, so das Ergebnis der Untersuchung. Die Renditen von REITs konnten die Kaufkraft während dieses Zeitraums mehr als erhalten.

REITs und Immobilienaktien schwanken ähnlich stark wie der Aktienmarkt

Generell gilt: REITs und Immobilienaktien korrelieren in ihrem Auf und Ab relativ stark mit dem breiten Aktienmarkt – vor allem, wenn es sich um US-Immobilienaktien handelt. Und ihre Kurse können fallen, obwohl sich die fundamentalen Aussichten für die Immobilienbranche nicht geändert haben. Das ist etwa dann der Fall, wenn allgemeine Panik an den Börsen herrscht.

Wer in einen ETF auf den Weltaktienindex MSCI World investiert, dessen Vermögen steckt bereits zum Teil in Immobilienwerten. Gut 2,7 Prozent macht der Immobiliensektor aktuell im berühmten Index aus (Stand: 04.03.2022). Ein ähnliches Bild ergibt sich beim MSCI-World-Konkurrenzindex FTSE All-World.

Wer über Einzelaktien in REITs und Immobilienwerte investieren möchte, sollte auf eine breite Streuung achten. Empfehlenswert sind insbesondere weltweit anlegende Immobilien-ETFs wie der iShares Developed Markets Property Yield ETF (ISIN: IE00B1FZS350), der in mehr als 300 Immobilienkonzerne investiert

Weitere ETFs rund um die Immobilienbranche im Fokus

ETF auf Baukonzerne und Baumaterialien: iShares STOXX Europe 600 Construction & Materials ETF (ISIN: DE000A0H08F7): Wohnungsknappheit in den Ballungsräumen und ein niedriges Zinsumfeld. Das sind eigentlich perfekte Bedingungen für die Baubranche. Zulieferer der Bauindustrie wie Hersteller von Sanitärtechnik, Heizungen oder Baumaterialien haben sogar noch bessere Aussichten. Denn egal wie sich die Baukonjunktur langfristig entwickelt: bereits bestehende Wohngebäude werden in immer kürzeren Abständen saniert und modernisiert. Die Politik begünstigt diesen Umstand durch günstige Finanzierungsmöglichkeiten. Hinzu kommen steigende Anforderungen an die Energieeffizienz und eine Abkehr von der Öl- und Gasheizung.

Wer von dem steigenden Bau- und Sanierungsvolumen in Deutschland und Europa profitieren möchte, sollte sich den iShares STOXX Europe 600 Construction & Materials ETF ansehen. Der Indexfonds mit dem sperrigen Namen investiert in 25 Aktien von europäischen Bauunternehmen und ihren Zulieferern.

Im Depot des ETFs finden sich etwa Papiere des französischen Glas- und Baustoffherstellers Saint-Gobain, des schwedischen Klimatechnikunternehmens Nibe sowie des Sanitärtechnikspezialisten Geberit. Der ETF investiert auch in Baukonzerne wie Vinci oder Eiffage, die Infrastrukturprojekte wie Straßen, Flughäfen und Eisenbahngleise realisieren. Die Kosten sind mit 0,46 % pro Jahr im für einen Branchen-ETF im günstigen Bereich. Wer allerdings bereits in einen Europa-ETF wie auf den STOXX Europe 600 oder den MSCI Europe investiert, hat die meisten der Firmen bereits im Depot.

Amundi Index FTSE EPRA Nareit Global ETF (ISIN: LU1832418773): Weltweiter Immobilien-ETF: Wer weltweit in Immobiliengesellschaften investieren möchte, für den kommt der Amundi Index FTSE EPRA Nareit Global ETF infrage. Der Indexfonds der französischen Gesellschaft investiert in über 350 Immobilien-Aktien, vor allem aus den USA, aber auch aus Japan, Deutschland und Großbritannien. Der ETF hält etwa Aktien der deutschen Wohnungsbaugesellschaft Vonovia, des US-Logistikimmobilienkonzerns Prologis oder des Datencenterbetreibers Equinix aus den USA.

Der ETF punktet mit günstigen Gebühren von 0,24 Prozent pro Jahr und einer Dividendenrendite für 2021 von 2,84 Prozent. Aber: Gut ein Fünftel der Aktien des Amundi-ETFs finden sich auch im MSCI World. Entsprechend groß sind die Überschneidungen zum berühmten Weltaktienindex.

Xtrackers FTSE Developed Europe Real Estate ETF (ISIN: LU0489337690): ETF auf europäische Immobilienkonzerne: Wer europäische Immobilienaktien bevorzugt, kann in den Xtrackers FTSE Developed Europe Real Estate ETF investieren. Der ETF der Tochtergesellschaft der Deutschen Bank hält über 100 Immobilien-Aktien aus europäischen Industrieländern wie Großbritannien, Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Zu seinen größten Werten gehören die deutschen Wohnimmobilien-Konzerne Vonovia und LEG Immobilien sowie das britische Logistik- und Gewerbeimmobilienunternehmen Segro. Mit 0,33 Prozent pro Jahr sind die Gebühren günstig. Positiv: Die Überschneidungen zum MSCI World oder großen europäischen Aktienindizes sind gering.

***

Martin Grajner ist freier Journalist. Sein Schwerpunkt sind Börsen- und Finanzthemen, vor allem mit Nachhaltigkeitsbezug. 

 

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